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DIE GLUTEUS MAXIMUS ISSUE

Der VICE Guide zu rechten Feierlichkeiten in Österreich

Eine Sammlung von Veranstaltungen, die entweder ganz offen mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten kokettieren oder den Bogen zum Tausendjährigen Reich etwas subtiler schlagen.

Der Großteil der Demonstrationen gegen den Wiener Akademikerball 2014 verlief sehr friedlich, bis es am Ende der NoWKR-Demo in der Wiener Innenstadt zu Ausschreitungen kam. Bild aus unserem Dokumentarfilm Die Rechten und ihr Ball

Dass in Österreich nach Ende der Besatzungszeit noch immer ganze 38 Jahre vergehen mussten, bevor Bundeskanzler Franz Vranitzky erstmals offiziell unsere Mittäterschaft während des NS-Regimes eingestand, sagt einiges über unser Selbstverständnis und unseren Umgang mit NS-Gedankengut aus.

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Viele der Verbrecher des Zweiten Weltkriegs mussten sich nie ihrer Schuld stellen und saßen in ranghohen Positionen, als Österreich sich eigentlich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen hätte müssen. Einige wurden symbolisch verurteilt; einige wurden berüchtigterweise freigesprochen, wie „der Schlächter von Vilnius“, Franz Murer, der bis zu seinem Tod 1994 Mitglied der ÖVP war (und hier zuletzt Bezirksbauernvertreter).

Mit Jörg Haider wurde dann eine Partei groß, die mit dieser Vergangenheit bis heute noch ihre Probleme zu haben scheint und laufend wegen der Nähe einzelner Parteimitglieder zu rechtsextremen Organisationen im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit steht.

Abgesehen von den Skandalen einzelner Personen war Haiders größter Verdienst aber, die FPÖ nach 28 Jahren wieder zur Regierungspartei und damit Entscheidungsmacht im Staat zu machen. Das gelang, neben einem freizügigen Umgang mit Geschichte, hauptsächlich dank Haiders geschickter Mischung aus Populismus, Rechtsextremismus und Charisma. In Deutschland findet sich mit der NPD eine inhaltlich und intellektuell vergleichbare Partei, über deren Verbot seit Jahren diskutiert wird.

Bild aus unserem Dokumentarfilm Die Rechten und ihr Ball

NPD-Sprüche wie „Maria statt Scharia“ sind mit FPÖ-Slogans wie „Daham statt Islam“ im Kern verwandt—aber während die FPÖ über 20 % der Wähler anspricht, grundelte die NPD im Wahljahr 2013 bei gerade mal 1,3 % der Stimmen herum. Die Verharmlosung und Verherrlichung vergangener Zeiten und die damit nicht selten einhergehende, offen zur Schau gestellte Islamfeindlichkeit sind in Österreich offenbar salonfähig. Entsprechend ist es ganz normal, wenn (ehemals) hohe Politiker der FPÖ den Propheten Mohammed als Kinderschänder bezeichnen oder die Existenz des Holocaust anzweifeln.

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In dieses Bild passt auch eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die entweder ganz offen mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten kokettieren oder den Bogen zum Tausendjährigen Reich etwas subtiler schlagen. Hier eine zusammenfassende Liste der prominentesten derartigen Events.

Wiener Akademikerball

Bild aus unserem Dokumentarfilm Die Rechten und ihr Ball

Spätestens seit Heinz-Christian Strache beim WKR-Ball 2012 den Ausspruch „Wir sind die neuen Juden“ von sich gegeben und damit sich selbst und andere Ballbesucher gemeint hat, ist klar, wie berechnend man hier mit der Vergangenheit umgeht. Mit Hinweisen wie auf die Ähnlichkeit zur „Reichskristallnacht“ wird eine perfide Strategie verfolgt, mit der man einerseits versucht, die eigene Opferrolle zu betonen und gleichzeitig die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit relativiert.

Dass 2014 die Demonstranten von Johann Gudenus als „Faschisten des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet wurden, geht in dieselbe Richtung. Der in der französischen Zeitung Liberation als „widerlicher Ball für Nostalgiker des Dritten Reiches“ bezeichnete ehemalige WKR-Ball findet jedes Jahr am letzten Freitag im Januar in der Wiener Hofburg statt, dem Sitz des Bundespräsidenten und einem der repräsentativsten Gebäude der Republik. Manchmal—wie 2012—fällt er auf den 27. Januar, den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

2014 haben Holocaustüberlebende in einem offenen Brief darum gebeten, den Ball nicht oder zumindest nicht in der Hofburg zu veranstalten. Der Ball fand trotzdem statt. In den letzten Jahren wurde immer wieder über eine Verlegung des Balls diskutiert und die Geschäftsführerin der Hofburg, die mit der FPÖ einen langjährigen Vertrag geschlossen hatte, trat nach den Ausschreitungen rund um die Veranstaltung 2014 zurück.

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Linzer Burschenbundball

Bild aus unserem Dokumentarfilm Die Rechten und ihr Ball

Die Veranstaltung ist neben dem Wiener Akademikerball eines der größten und wichtigsten Zusammentreffen für Burschenschaften. Strache hat in einem Inserat zum Burschenbundball dieses Jahr betont, Waffenstudent zu sein bedeute, ja zur Heimat zu sagen. Der Ball steht unter dem Schutz des oberösterreichischen Landeshauptmanns—derzeit Josef Pühringer von der ÖVP. Das Mauthausen Komitee hatte Pühringer aufgefordert, nicht am Ball teilzunehmen. Ihm war die Tradition wichtiger.

Totengedenken am 8. Mai

Bild aus unserem Dokumentarfilm Die Rechten und ihr Ball

Am 8. Mai, dem Tag der Kapitulation des NS-Regimes, waren bis 2012 stets Burschenschafter und ranghohe FPÖ-Politiker auf dem Heldenplatz anzutreffen, die der im Zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen und österreichischen Soldaten gedachten. Letztes Jahr hat Verteidigungsminister Klug für ein neues Bild am Heldenplatz gesorgt. Dort wird nun am 8. Mai eine Mahnwache gehalten und das „Fest der Freude“ gefeiert—letztes Jahr mit einem Gratiskonzert der Wiener Symphoniker, um den Burschenschaftern den Platz zu nehmen.

Fest der Freiheit

Auf das Fest der Freude antworten die Burschenschaften dieses Jahr mit dem Fest der Freiheit. Ideologisch können die „Feste“ aber kaum weiter auseinanderdriften. Da den Burschenschaftern am 8. Mai der Heldenplatz genommen wurde, haben sie sich dieses Jahr für eine Gegenveranstaltung entschieden, die zwar auch im Mai, aber nicht am 8. stattfinden wird. Deutschnationale Burschenschaften wollen dafür in der Wiener Innenstadt aufmarschieren.

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Ulrichsbergtreffen

Bild aus unserem Dokumentarfilm Die Rechten und ihr Ball

Im September findet jährlich ein Treffen für Kriegsveteranen, deren Familien und andere Personen, die mit dem Zweiten Weltkrieg besondere Erinnerungen verbinden, statt. Viel kritisiert wurde hier unter anderem die Rede von Jörg Haider, in der er die anständigen Menschen lobte, die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stünden. Damit könnten auch Leute wie der wegen Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel gemeint gewesen sein, der auch gerne am „Heimkehrertreffen“ teilnimmt, wenn er nicht gerade im Knast sitzt.

Man kennt Küssel wegen so knackigen Sätzen wie „Ich bin kein Faschist. Ich bin Sozialist, aber kein internationaler Sozialist, ich bin Nationalsozialist.“ 2012 rief der Präsident der Ulrichsberggesellschaft zu „neuen Ideen für den Berg“ auf. Die erste neue Idee war eine Rede des ehemaligen Mitglieds der Waffen-SS, Herbert Bellschan von Mildenburg.

Treffen des Dachverbands Deutsche Burschenschaft

Ein Demonstrant gegen den Ball.

Unter dem Dachverband Deutsche Burschenschaft befinden sich auch österreichische Verbindungen, wie die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes als rechtsextrem eingestuften Burschenschaften Olympia Wien oder Brixia Innsbruck. Die Burschenschaften wurden aufgrund massiver Proteste letztes Jahr aus der Messe Innsbruck ausquartiert. Ob und wo das Treffen dieses Jahr stattfindet, ist noch nicht klar.