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Eine Berliner Ausstellung feiert die Spice Girls mit Schamhaarfrisuren, Unterhosen und Kirchenkerzen

Sie waren fünf Gören von fraglichem Singtalent mit zu viel Lidschatten. Und veränderten trotzdem die Welt.

Waren ganz sicher keine Heiligen: die Spice Girls. Hier auf Bildern des Künstlers Juan Sanchez Porta | Foto: Ausstellung 'Wannabe'

20 Jahre ist es her, dass die Spice Girls auf ihren Plateauschuhen die internationalen Chartgipfel erklommen. "Wannabe", ihr erster Hit, wurde die am meisten verkaufte Single einer Frauenband. Objektiv gesehen waren die Spice Girls fünf Gören von fraglichem Singtalent mit zu viel Lidschatten. Aber für die Welt waren sie viel mehr: Niemand verkörperte die Botschaft von Frauenzusammenhalt und "Sei du selbst" so leicht verdaulich wie sie. Ginger, Baby, Posh, Sporty und Scary Spice zeigten der Welt, dass man auch mit Blocksträhnchen und Glitzermini stark sein kann. Mädchen, die in den 90ern und frühen 00er Jahren groß wurden, haben auch zwei Jahrzehnte später auf die Frage "Welches Spice Girl warst du?" sofort eine Antwort parat.

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Und nicht nur Mädchen: "Ich war definitiv Gerry", sagt Nadir Catalano, der Kurator der Ausstellung Wannabe—einer künstlerischen Hommage an die Spice Girls, die am heutigen Freitag in Berlin in der Schöneberger Galerie The Ballery eröffnet. "Sie haben mir eine Welt außerhalb meiner langweiligen italienischen Provinzstadt gezeigt", sagt Nadir. Als die fünf Britinnen die Welt eroberten, war er ein dicker Dreizehnjähriger, gehänselt und gelangweilt. Am liebsten saß er auf seinem Bett, umringt von Spice-Girls-Postern, Fanartikeln und Videokassetten, hörte "Spice Up Your Life" und träumte von einer Zukunft, in der er so mutig sein würde wie seine Idole. "Sie zelebrierten ihre Individualität", sagt er. "Sie waren einfach fünf Mädchen, die Spaß hatten und sich nicht darum scherten, was die anderen sagten. Das wollte ich auch. Spice Girls haben mir letztendlich den Mut gegeben, mein Kinderzimmer zu verlassen."

Von T-Shirt bis Tattoo ein Spice-Girls-Fan: Nadir Catalano

Zwei Jahrzehnte später hat Nadir 15 Künstler, allesamt Kinder der 90er, gebeten, "sich zurück in ihre Kinderzimmer zu versetzen" und der Girlpower Tribut zu zollen. Herausgekommen sind Werke in unterschiedlichsten Formen: animierte Videos, Illustrationen und Gemälde, die meisten mit einer ordentlichen Portion Humor und Kitsch.

Der spanische Künstler Juan Sanchez Porta stellt die Spice Girls auf Gebetskerzen als Heilige dar. Der Italiener Sally Cellophane stickte Ginger Spice auf ein Höschen. Künstlerin Sid Visions würdigt die Girlband mit dem Werk "Spice Twats" und malte sie als Schamhaarfrisuren. Francesca Tambussi and Alexandra Ruppert gehen in einem surrealen Fanzine der Frage nach, die bis heute keiner so richtig beantworten kann: Was bedeutet eigentlich der Slogan Zig-a Zig ah aus"Wannabe"?

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Spice Twats von Sid Visions

Einen Tag vor der Eröffnung sind fast alle Werke aufgehängt—außer einer Porträtserie, die noch beim Zoll feststeckt. Der italienische Künstler Michele Santomarco (Lieblings-Spicegirl: Mel B) hat für seinen Beitrag einen passenden Platz gefunden—auf dem Fenstersims. Er stellte die Spice Girls als fünf Blumen dar: Kunstpflanzen, die mit den Perücken der Markenzeichen-Frisuren der Fünf "blühen". "Die Erde, aus der die Blumen sprießen, ist echt. Aber daraus wächst Plastik, denn auch die Spice Girls waren ein Kunstprodukt." Das stimmt: Die Fünf waren anfangs eine Retortenband, gecastet, um es mit den populären Boybands wie Take That aufzunehmen. Unklar ist auch, wie viel Individualität in ihren Charakteren wirklich steckte und wie viel davon ein Marketinggag war.

Die Spice Girls sind nicht immer gut gelaunt. Ausstellungsbeitrag von Federica Masini

Trotzdem: Die Wirkung war enorm. Michele war 12, als die Spice-Girls-Welle über Europa rollte. Spice war eines der ersten Alben, die er kaufte. "Selbst die machistischen italienischen Jungs haben bei ihren Songs mitgesungen. Sie waren keine Mädchenband. Sie waren: die Spice Girls."

Dass die Spice Girls mehr waren als fünf singende, tanzende Aufziehpüppchen, zeigt auch die Resonanz der vergleichsweise kleinen Ausstellung (die übrigens nur vier Tage zu sehen sein wird): Knapp 4.500 Menschen haben bei Facebook angekündigt, dass sie erscheinen werden oder zumindest an der Veranstaltung interessiert sind. Ob sie tatsächlich aufkreuzen oder mit ihrer Anmeldung einfach Farbe für die Spice Girls bekennen wollen, ist unklar. Aber sicher ist: Die Botschaft der fünf Britinnen hallt bis heute nach. "Sie haben mir damals Freiheit beigebracht", sagt Michele. "Sie zeigten: Du kannst machen, was du willst. Also kann ich das auch."

Wlada bei Twitter