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Die schlimmsten Gefängnisse Österreichs

Häftlinge werden ohne gröbere Konsequenzen misshandelt, Frauen zum Sex genötigt und so manche Abteilung wird von Beobachtern auch mal mit Guantanamo verglichen.
Justizanstalt Wien-Simmering
Titelbild: Plani | Wikimedia | CC. 3.0

Wenn österreichische Justizanstalten auffällig werden, dann hat das im Regelfall keinen positiven Grund. Österreich hat bei der Unterbringung und Behandlung von Häftlingen (ähnlich wie etwa im Bildungssektor) sehr offensichtlich finanzielle, aber vor allem auch strukturelle Probleme.

Welche Konsequenzen chronische Unterfinanzierung, absurde Überfüllung, Personalmangel, eine daraus resultierende Überforderung des Wachpersonals in Kombination mit bewusstem Wegschauen der Justiz für den Alltag in Gefängnissen, haben können (selbst in einem Wohlstandsland wie Österreich), deckt die Wochenzeitschrift Falter und insbesondere ihr Chefredakteur Florian Klenk in regelmäßigen Abständen in der Form von ziemlich haarsträubende Reportagen auf.

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Fast schon in regelmäßigen Abständen kommen somit Berichte über die menschenunwürdige Behandlung von Insassen oder sexuelle Übergriffe ans Tageslicht—aber in weiterer Folge wird eben auch das systematische Ignorieren und Unter-den-Tisch-kehren dieser Vorfälle durch die Justiz sichtbar.

Auch wenn sich in manchen Bereichen Besserung abzuzeichnen scheint—die Anzahl der Jugendlichen in österreichischen Gefängnissen hat sich seit dem Justizskandal 2013 zum Beispiel stark reduziert—räumt auch Justizminister Wolfgang Brandstetter selbst ein, dass der Prozess einer Justizreform noch Jahre dauern wird. Nach wie vor werden in regelmäßigen Abständen Zustände und Ereignisse aus österreichischen Gefängnissen publik, bei denen es einem die Haare zu Berge stellt. Und bei genauer Betrachtung fallen einige Justizanstalten durchaus negativer auf als andere.

Suben

Foto: Konrad Lackerbeck/Wikimedia/CC.3.0

Suben gilt eigentlich weitgehend als so etwas wie ein Musterbeispiel einer österreichischen Justizanstalt. Das in einem alten Stift im Innviertel untergebrachte Gefängnis sieht von außen fast idyllisch aus. Aber auch in einer vermeintlichen Vorzeige-JVA kann dir das Leben als Insasse unter Umständen zur Hölle gemacht werden.

2014 veröffentlichte der Falter ein Video, das einen Beamten dabei zeigt, wie er einen Häftling zuerst gegen eine Betonwand schlägt und ihm dann mehrere Schläge mit der Faust verpasst. Vier weitere Beamte stehen bei dem Übergriff daneben und fühlen sich aber nicht berufen, auch nur irgendwie einzugreifen. Wenn man jetzt glaubt, Überwachungskamera-Aufnahmen würden dazu führen, prügelnde Wachebeamte aus dem Verkehr zu ziehen, dann überschätzt man die Konsequenz, mit der Justizpersonal selbst juristisch behandelt wird. So absurd es klingt: Nachdem er eine Geldstrafe von einigen 100 Euro zahlen musste, darf der Beamte, der die Schläge verteilt hat, nun nach vorübergehender Suspendierung wieder seinen Job ausüben.

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Graz-Karlau

Foto: H. Moschitz/Wikimedia/CC.3.0

Autoritäten missbrauchen ihre Position im österreichischen Gefängnisalltag aber nicht nur gegenüber Insassen, sondern unter Umständen auch gegenüber ihrem eigenen Personal. In der Justizanstalt Graz-Karlau wurde erst vor einigen Monaten von sexueller Belästigung weiblicher Gefängnispsychologinnen von Vorgesetzten berichtet. Solche Übergriffe haben laut den Recherchen des Falters keinen Seltenheitswert in der Justizanstalt—sie finden viel eher ganz systematisch statt. Vorgesetzte, die ihren Mitarbeiterinnen auf die Brüste und zwischen die Beine greifen, erwarten in Österreich übrigens auch nicht mehr als 1.800 Euro Strafe—zumindest war es in diesem Fall so.

Der selbe Gefängnispsychologe, von dem wir gerade sprechen, wird aber auch mit einem weiteren Vorfall in der Karlau in Zusammenhang gebracht: Dem Selbstmord eines suchtkranken Häftlings, der als Strafe dafür, dass er sich betrunken hatte, unter der Verantwortung des Psychologen in eine Kellerzelle gesperrt wurde—obwohl der Häftling schon zuvor als selbstmordgefährdet eingestuft worden war. Tatsächlich nahm sich der Mann dort unten kurz darauf das Leben. Ein Vorfall, der sich im letzten Jahr zwar zu einem Kriminalfall entwickelte, von dem der Leiter der JA Karlau aber sagt, dass man „wieder so handeln" würde.

Göllersdorf

Foto: GuentherZ./Wikimedia/CC.3.0

Göllersdorf gehört zu den drei österreichischen Justizanstalten, die für sogenannte „geistig abnorme"—also in ihrer Zurechnungsfähigkeit eingeschränkte—Rechtsbrecher vorgesehen ist. Die JVA im Weinviertel ist so etwas wie das Negativ-Aushängeschild für den so genannten „Maßnahmenvollzug". Diese Form des Strafvollzugs wird auch gerne mal als „österreichisches Guantanamo" beschrieben—das liegt vor allem daran, dass du als Häftling in Österreich mittlerweile erstaunlich schnell als unzurechnungsfähig giltst.

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Für viele Experten ist der Maßnahmenvollzug der größte Schandfleck des österreichischen Justizsystems—auch Bundesminister Brandstetter ist sich dessen bewusst und hat bereits einen „Neustart" angekündigt. Und dieser Maßnahmenvollzug kann für Häftlinge in Göllersdorf offensichtlich auch tödlich enden. So gerade erst vor ein paar Monaten geschehen, als ein psychisch kranker Häftling, nachdem man ihm Psychopharmaka verabreicht hatte, sich selbst überlassen wurde, und er daraufhin vor laufender Überwachungskamera auf der Akutstation starb. Auch dieser Fall wurde durch eine Falter-Reportage publik.

Stein

Foto: Janos Korom/Wikimedia/CC 2.0

Die JVA Stein ist jene Justizanstalt, die für Häftlinge mit besonders langen Haftstrafen vorgesehen ist und das mit ziemlicher Sicherheit berüchtigtste Gefängnis des Landes. Sie wird gerne einmal als „der finsterste Ort Österreichs" bezeichnet—vermutlich, weil sie den langläufigen Ruf hat, die Endstation für besonders „hoffnungslose Fälle" des Strafvollzugs zu sein. Was Stein aber viel eher zu so einem finsteren Ort macht, sind die Verfehlungen von Justiz und Exekutive selbst, und die Bedingungen, unter denen Inhaftierte dort leben müssen. Bemühungen um Resozialisierung sind quasi nicht vorhanden, Häftlinge werden dort teilweise über lange Strecken weggesperrt und vernachlässigt.

Wie weit diese Vernachlässigung gehen kann, macht ein weiterer Justizskandal anschaulich, der von Florian Klenk aufgedeckt wurde: Der Fall eines 74-jährigen, psychisch kranken Häftlings, dessen schwer maroder körperlichen Zustand vom Wachpersonal monatelang ignoriert wurde—so lange, bis seine Beine unter Bandagen in einem Ausmaß zu verfaulen begannen, dass man fast nicht für realistisch halten möchte und der Mann kurz davor war, an einer Blutvergiftung zu sterben. Das Verfahren gegen die beschuldigten Beamten wurde in diesem Frühjahr trotzdem eingestellt.

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Aber auch nach diesem Skandal schafft es die JVA Stein, sich weiterhin mit neuen Skandalen zu unterbieten. Häftlinge, an denen mit Potenzmitteln experimentiert wird, ein Amtsarzt, der Mitarbeiterinnen auf Gefängniskosten Botox-Spritzen verpasst (und ihre Gesichter dabei verpfuscht)—in Stein ist all das offensichtlich möglich.

Wien-Josefstadt

Foto: Friedrich Böhringer/Wikimedia/CC.2.5

Es ist gar nicht einfach, all die Skandale und Vorwürfe, die aus Österreichs größter Justizanstalt in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit gelangt sind, in ein paar kurze Absätze zu packen, weil die Probleme und Verfehlungen in der Josefstadt so ziemlich jede Ebene betreffen. Es macht aber Sinn, sich zunächst einmal vor Augen zu führen, dass das größte Gefängnis des Landes auch das überfüllteste ist.

Ende 2014 waren die Kapazitäten der JA Josefstadt zu 120 Prozent ausgelastet—in einem Gebäude, das für maximal 990 Insassen ausgelegt ist, tummelten sich 1198 Häftlinge. Deshalb müssen in der Josefstadt auch mal 10 Häftlinge zusammen in eine Zelle teilen. Und erst im Mai ist ein Mann, der wegen des Verdachts des versuchten Mordes einsitzen musste, in die selbe Zelle gesteckt worden, in der auch das Opfer untergebracht war, das er zuvor angeblich umbringen wollte.

Wenn kein Personal vorhanden ist, um Gefangene zu betreuen, dann werden Insassen in der Josefstadt eben auch tagsüber über lange Strecken weggesperrt. Dass ein 14-Jähriger 2013 in Untersuchungshaft von zwei Zellengenossen mit einem Besenstiel vergewaltigt wurde, hat das Justizministerium zwar zumindest dazu bewogen, strukturelle Änderungen am Jugendstrafvollzug in die Wege zu leiten. Grundlegend gebessert scheinen sich die Zustände in der Josefstadt aber auch danach nicht zu haben. Und dann sind da eine ganze Reihe an Berichten über massive Korruption und Bestechung, und die Geschichte, bei der Insassinnen angeblich Kokain von Beamten bekommen haben. Da ist aber eben auch die Tatsache, dass auch das Personal unter ziemlich unwürdigen Bedingungen arbeiten muss—sexuelle Übergriffe männlicher Beamter haben in der Josefstadt offensichtlich Regelmäßigkeit. Und wenn man den Aussagen mehrerer weiblicher Beamter glaubt, dann beschränkt sich das ganze nicht nur auf sexuelle Belästigung ihnen gegenüber. Auch der Missbrauch von weiblichen Insassen soll in den letzten Jahren wiederholt passiert sein. Erst im Februar musste sich ein Beamter vor Gericht gegen den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Gefangenen verantworten.

Folgt Tori auf Twitter: @torisnest


Titelbild: Plani | Wikimedia | CC. 3.0