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Campus, Sex und Ravioli

Ein offener Brief eines Nicht-Erasmus-Studenten an die Uni Wien

Unser Autor hat keine Lust mehr, das internationale Aushängeschild auf der Website der Uni Wien zu sein.
Screenshot der Uni Wien-Seite

Liebe Uni Wien, wir müssen reden. Konkret über das oben angeführte Foto, das direkt auf der Startseite deiner brandneuen Website zu sehen ist. Das Bild wurde schon ziemlich oft auf der Startseite verwendet. Es zeigt einen jungen schwarzen Mann, der auf einer Stiege sitzt, und sich mit zwei blonden Mädchen unterhält. So weit so gut. Aber mir ist aufgefallen, dass du dieses Bild immer dann verwendest, wenn es darum geht, dich als „Internationale Universität" zu präsentieren. Bereits im März 2014 war es auf der englischsprachigen Seite zu sehen, mit dem dazugehörigen Text: „International University of Vienna—Almost one Quarter of our Students come from abroad. The University welcomes and supports almost 1,000 ERASMUS students each year."

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Das Komische an dem Bild: Der Kerl, der da zu sehen ist, ist gar nicht von „auswärts". Er ist auch kein Erasmus-Student. Das weiß ich, weil das auf dem Foto ich bin. Ich studiere bei euch an der Uni Publizistik und weiß irgendwie gar nicht, wie ich zu der „Ehre" komme, euer Aushängeschild für Internationalität zu sein. Das einzige an mir, das irgendwie exotisch ist, ist nämlich mein ausgeprägter Flachgauer Dialekt.

Aber weißt du was, irgendwie hast du ja eh recht, liebe Uni Wien. Als Junge, der im exotischen Grenzgebiet von Salzburg und Oberösterreich geboren und aufgewachsen ist, hat man es in Wien tatsächlich mit einer massiven kulturellen und vor allem sprachlichen Barriere zu tun. Von daher finde ich es eh super, dass ihr mich hier willkommen heißt und unterstützt. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass Salzburg und Oberösterreich jetzt unbedingt die Definition von Internationalität sind. Zumindest nicht in Wien. Mit ein bisschen Mühe versteh ich euch Wiener schon—und ihr mich hoffentlich auch—also müsstet ihr euch eigentlich gar nicht so rührend um mich kümmern.

Mir selbst wäre ja vermutlich gar nicht aufgefallen, dass ich regelmäßig auf der Website zu sehen bin. Aber ganz viele andere Studenten haben mir den Link zu dem Bild geschickt, weil sie es absurd finden, dass ausgerechnet ich das Sinnbild für den Austauschstudenten auf deiner Seite geworden bin. Das Foto wurde übrigens auch in einem völlig anderen Kontext aufgenommen: Wir sind da zufällig auf der Stiege vom neuen Publizistik-Institut gesessen, als eine Fotografin vorbeikam und uns sagte, dass sie Fotos vom neuen Gebäude für die Instituts-Seite mache und fragte, ob sie uns dafür ablichten könne.

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Screenshot der Uni Wien-Seite

Als du das Bild zum ersten Mal verwendet hast, um dich als „International University of Vienna" zu bewerben, hätte ich mir vielleicht auch noch einreden lassen, dass ich ganz zufällig auf diesem Bild zu sehen bin. Ein Freundin von mir hat damals scherzhaft gemeint: „Mit internationalen Studenten sind sicher die beiden Schwedinnen gemeint, die neben dir sitzen". Außerdem ist es schon sehr auffällig: Wenn du deine Forschung bewirbst, zeigst du Leute in weißen Kitteln. Wenn du deine Bibliothek bewirbst, zeigst du Leute, die Bücher wälzen. Und wenn du deine Internationalität bewirbst, zeigst du eben aus irgendeinem seltsamen Grund mich. Und als du letzten Donnerstag ganz stolz einen Screenshot von dem Bild auf Facebook gepostet hast, um den Relaunch deiner Website zu bewerben, ist mir dann der Geduldsfaden gerissen.

Screenshot der Uni Wien-Facebook-Seite

Ich will wirklich kein Hater sein. Aber ich erlebe solche (falschen) Annahmen aufgrund meines Aussehens, besonders seit ich in Wien lebe, ziemlich oft—vor allem beim Fortgehen, mit wildfremden Betrunkenen. Die kommen dann zu mir, begrüßen mich mit irgendeinem übertrieben coolen Handschlag und rufen „Yo maaan, whatsuuup! You doin' good?" Diese Leute meinen das ja auch nicht mal böse, das ist mir schon bewusst. Ich versuche das dann immer, so gut es geht, mit Humor zu nehmen, aber es ist trotzdem ziemlich seltsam. Sie glauben halt einfach, dass ich kein Österreicher bin. Letzens hat mich ein junger Typ in einer Bar genau ungefähr so bei mir vorgestellt, und wollte sich mit mir in furchtbar schlechtem Englisch über Fußball unterhalten.

Ich habe beschlossen, dass ich dieses Mal mitspiele und habe mit ihm auf Englisch über meine Lieblingsmannschaften geredet. Nach einer viertel Stunde hat mein Handy geklingelt, ich habe abgehoben, und den Anrufer mit „Seawas, wie geht's da?" begrüßt. Dem Betrunkenen ist das Gesicht runtergefallen und er ist völlig schockiert gegangen. Nach ein paar Minuten ist er verschämt wiedergekommen und hat gesagt: „Oida. Fuck. Sorry. Ich hab gedacht du bist aus Amerika und ein Rapper oder irgendsowas." Ich hab ihm dann erklärt, dass nicht alle schwarzen Typen aus Amerika sind und rappen und hab noch ein Bier mit ihm getrunken.

Das war irgendein betrunkener Kerl aus Schärding und du bist verdammt nochmal die Uni Wien. Ich habe mir von dir einfach ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl erwartet. Sei mir nicht böse, ich mag dich eigentlich echt gern und bin auch dankbar, dass ich bei dir für 18,50 Euro pro Semester eine mehr oder weniger brauchbare Ausbildung bekomme. Und eines will ich auch noch sagen: Mir ist es persönlich echt unangenehm, meine Hautfarbe zum Thema zu machen. Aber irgendwie habe ich einfach keine Lust mehr, dein ungefragtes Aushängeschild für Internationalität zu sein. Ich hoffe du verstehst das.

Update: Die Uni Wien hat (wie ihr in den Kommentaren lesen könnt) das Foto entfernt und sich dafür entschuldigt, dass das Foto bereits mehrere Male in einem unpassenden Kontext gezeigt wurde.

Tori ist jetzt auch auf Twitter: @TorisNest