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Bibi Blocksberg ist ein spießig-angepasster Feigling ... sagt jetzt auch die Wissenschaft.

Bei TKKG blitzen rassistische Klischees auf und die Blocksbergs wollen so sein wie alle anderen. Wissenschaftler der Uni Kassel analysierten das Weltbild deutscher Kinderhörbücher.

Foto: imago | United Archives

Fünf Milliarden auf dem Konto, hochwirksames aber gesundheitlich unbedenkliches Kokain in den Nasenflügeln, in Donald Trumps Ausweis die Stadt Damaskus als Geburtsort: Es gibt viele Dinge, die wir uns hinzaubern würden, wenn wir Hexen oder Hexer wären. Klar, Weltfrieden und sauberes Meerwasser auch, aber auf jeden Fall mehr als ein bekacktes Zelt und einen fliegenden Besen. "Eigentlich sind die Frauen in Bibi Blocksberg (Barbara und Bibi) unglaublich mächtig", sagt Lukas Möller, Erziehungswissenschaftler an der Uni Kassel". Die könnten mit ihren Zauberkräften tun, was sie wollen, aber sie tun es nicht." Zusammen mit seinen Kollegen veröffentlichte er das Buch Von "Bibi Blocksberg" bis "TKKG".

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In dem Sammelband mit zehn Artikeln widmen sich Autoren und Autorinnen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen der Analyse von Kinderhörspielen aus gesellschafts- und kulturwissenschaftlicher Perspektive. Und sie fanden raus: Das Frauenbild bei Bibi Blocksberg ist so hölzern wie der Besen auf dem sie reitet: "Barbara Blocksberg erleben wir nur beim Kochen zu Hause—und zwar beim schlechten Kochen, ihr Mann Bernhard beklagt sich andauernd", sagt Möller im Interview mit DRadio Wissen.

Und dazu komme, die ganzen Blockbergs sind ziemliche Langweiler: "Bibi Blocksberg würde gerne die ganze Familie zum Urlaub in die Südsee hexen. Was für eine fantastische Idee, wenn man hexen kann! Aber nein; normale Menschen machen das auch nicht, also machen die Blocksbergs das auch nicht. Also das Bemühen ist immer auf Bernhards Seite eine möglichst normale Familie zu sein. 'Wir wollen uns nicht zu sehr von den Anderen unterscheiden.' Das ist ein Zitat aus der Hörspielreihe."

Ein Artikel des Sammelbands analysiert die Geschlechterrollen und Familienbilder in Bibi Blocksberg. "In einer der Hörspielfolgen sind die Frauen ausnahmsweise mal so mutig und hexen der Familie ein neues Haus, aber…: Bernhard ist das überhaupt nicht recht. Was passiert? Der Mann behält Recht. Das Haus verpufft, die Familie steht auf der Wiese, sie können sich gerade noch ein Zelt hexen und Bernhard, der das Geld verdient, muss dafür sogen, dass ein Kredit aufgenommen wird, dass die Handwerker kommen. Also letztendlich nimmt der Mann den mächtigen Hexen doch die Macht wieder aus der Hand, so wie sich das in der Welt gehört, in den 80er Jahren in Deutschland, wo Bibi Blockberg nämlich entstanden ist."

Aber auch die Figuren von TKKG lassen so einiges an Klischees und Stigmatisierungsmechanismen auf die jungen Kinderohren los. Dr. Andreas Wicke, Dozent für Literaturwissenschaft und -didaktik in Kassel, erklärt den darin waltenden Moralbegriff: "Das ist wunderbar sortiert: Es gibt die Guten und es gibt die Bösen. (…) Gut ist alles, was TKKG gut findet und böse sind die, die da nicht reinpassen. Und da kommen ziemliche Klischees zum Tragen. Das können Südländer sein, aber auch Osteuropäer sind verdächtig—dazu kommen Menschen mit irgendwelchen körperlichen Auffälligkeiten.

Es gibt wirklich den Satz: 'Er hatte eine typische Ganovenvisage.' Da reicht eine Narbe und man weiß: Hey, das ist ein potenzieller Übeltäter. Oder wenn jemand mit Alkohol oder Drogen zutun hat, dann weiß man: Der wird vermutlich Täter sein. Und das Blöde ist, am Schluss ist er es meistens auch. Frank Mönschke hat das für uns untersucht mit Ansätzen aus der Soziologie, mit einem Etikettierungs- und Stigmatisierungsansatz, das heißt: Er geht davon aus, wie schafft man es eigentlich, Außenseiter als solche zu kennzeichnen. Indem man sie nämlich als solche benennt. Und das funktioniert bei den TKKG-Jungs und dem Mädchen ganz prächtig."

Wer also wissen will, ob und inwiefern er in seiner Kindheit beim nächtlichen Hörbuch-Einschlaf-Ritual nicht vielleicht doch mit ideologischem Abfall aus dem letzten Jahrtausend indoktriniert wurde, der krame seinen alten Kassettenspieler aus dem Keller oder versucht sich mit dem Sammelband und dem Lesen.