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Tech

Die Menstruationsmaschine für ein besseres Miteinander

Sputniko! baut techno-feministische Maschinen, um die Gesellschaft zu verbessern. Wir haben uns mit ihr in Berlin getroffen, um herauszufinden, was das alles soll und warum sie dafür auch noch poppige Youtube-Hits braucht.
Sputniko! demonstriert ihre Maschine. Alle Bilder verwendet mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin.

Solltest du dir als Frau gewünscht haben, dass der männliche Teil der Bevölkerung die allmonatlichen Qualen nicht nur versteht, sondern auch einmal selbst erlebt, dann könnte dein hehrer Wunsch schon bald Wirklichkeit werden. Und zwar dank dem von Sputniko! gebauten Apparat zur Simulation von Menstruationsblutungen. Die japanisch-britische Künstlerin baut Maschinen für ein besseres Zusammenleben der Menschen—aber nicht unbedingt zur Steigerung ihres Wohlbefindens.

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Der silberne Aluminiumgürtel ihrer Menstruationsmaschine ist mit unsichtbaren integrierten Elektroden ausgestattet und wird um die Taille geschnallt. Dazu kommt ein 80 Milliliter Tank mit Blut auf dem Rücken—dem eigenen Blut selbstverständlich. Während der Gürtel kleine Elektroschocks gen Magen schickt, tröpfelt das Blut aus dem Tank via Schlauch ins Höschen. Der ultimative Menstruations-Spaß für jedermann.

Sputniko! kommt aus einer Mathematiker-Familie und mischt ihre Mathe- und Technikleidenschaft mit Design und Musik zu einer großen Social-Media-angetriebenen poppigen Kunstmixtur, die sie viral sogar bis ins New Yorker MoMA gebracht hat. Immer gesteuert von der Frage, ob die Welt so sein muss, wie sie ist, und ob du dich dem humanoiden Regelwerk einfach so fügen musst.

Sie bezweifelt die vor allem in Japan strengen gesellschaftlichen Anforderungen, indem sie ihre Fragen in bonbonbunte Youtube-Hits verpackt und in die Welt schickt: Warum sollst du mit Menschen kommunizieren, wenn du lieber Tiere magst („Crowbot Jenny"), warum soll der erste Mensch auf dem Mond ein Mann und keine Frau in silbernen High-Heels gewesen sein („The Moonwalk Machine - Selena's Step") und eben, warum müssen wir im Jahr 2014 immer noch menstruieren wie im Mittelalter?

Als ich Sputniko! in Berlin treffe, realisiere ich endgültig, dass ihre Maschinen für sie der handfeste, wissenschaftlich erprobte Nachweis ihrer Ideale sind—quasi der technische Beleg für die Machbarkeit einer Utopie:

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„Wir haben die Wahl unsere Körperfunktionen durch Technik zu verändern und müssen nicht länger akzeptieren wie wir als menschliche Wesen funktionieren."

Und wir alle optimieren uns bereits, zum Beispiel in der Kommunikation mit Handys oder im Internet. Für Sputniko! ist die Frage des „ob" längst beantwortet—um ihre Ideale vom körperlichen Leben an einen realen Lifestyle anzupassen, sagt sie „ja" zur technischen Optimierung.

Auch für all diejenigen, die in ihrem Leben schon genug menstruiert haben und eher an einer klassischen Morgenlatte 
interessiert sind, hat Sputniko! das richtige Spielzeug: Penis Cybernétique. Ein stilsicherer Umschnallpenis aus Plastik, inspiriert von jenem Teil der Open Source-Bewegung, der Körperprothesen entkommerzialisieren möchte.

Basierend auf dem eigenen Herzschlag bewegt sich das gute Stück hoch oder runter. Auch hier stellt Sputniko! die Frage: wie geht die „normale" Bürgerin und der „normale" Bürger—vielleicht eifersüchtig, wegen des Raubs seiner exklusiven Manneskraft—jenseits von wissenschaftlichem oder medizinischem Interesse mit solch einem additiven Körperteil um?

Gerade Frauen, die mit der eigenen Karriereplanung gegen ihre biologische Uhr ansprinten, sind im Nachteil. „Klar, du kannst deine Eizellen einfrieren lassen, aber das kostet ein Heidengeld. Oder auch die Babyfactory in Indien, wo fremde Frauen dein Kind gebären. Es passieren gerade ganz viele Dinge in Bezug auf Kinderkriegen und Gebärfähigkeit."

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Sputniko! möchte sich keine Gedanken darüber machen, wann für sie die beste Fertilitätsphase ist und wann sie sich wirklich mal ranhalten sollte, auch wenn es gerade überhaupt nicht passt, weil sie zwischen Tokyo, New York und dem Mond pendelt. „Ich möchte auch mit 120 noch Kinder kriegen."

Sputniko! baut ihre Apparate, um konservativ-beschränkteren Zeitgenossen handfeste Argumente entgegenzustellen und sie arbeitet mit Videos, die den Mainstream-Jüngern in Stylo-Popsprache ihre kritischen Inhalte unterjubeln. Sie sieht sich selbst in der Tradition von multimedialen, philosophisch angehauchten Künstlerinnen wie Laurie Anderson oder Miranda July, erinnert aber vor allem auch durch ihre Genderdekonstruktionen an Terre Theamlitz.

Auf jeden Fall hat sie dank ihrer viralen Web-Videos heute schon eine ansehnliche Liste von Alter Egos angehäuft: die Künstlerin Sputniko!, die Superheldin Lunar Girl, die scheue Crowbot Jenny oder der japanische Transvestit Takashi. Ich habe mich mit ihr in Berlin getroffen, um genauer herauszufinden, wie sie Feminismus mit fluffigen Youtube-Videos verbindet und warum Maschinen bauen, immer noch der Aufklärung dienen kann.

Motherboard: Du vereinst Computer, Technik und Maschinenbau mit Musik, Kunst und Design. Wie kommt diese Mischung zustande?

Sputniko!: Meine Eltern sind beide Mathematik-Professoren und hatten für ihre Arbeit jede Menge Computer zu Hause. Es war also selbstverständlich für mich, mit Computern zu arbeiten und Mathematik zu studieren und es war klar, dass ich eine Mathematikerin oder Informatikerin werde. Ich habe das beides studiert und ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass ich auch Künstlerin werden könnte, belegte ich nebenbei einen Musik-Kurs, wo ich meine ersten Songs schrieb.

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Meine Texte befassten sich dann mit den Themen, die mich interessieren, also Technik. Ich schrieb Songs über das Googlen von Jungs, die ich gut finde oder auch generell über Skype und Social Media. Diese Mischung aus Musik, Performances und Technik hat mir großen Spaß gemacht. Als ich meinen Uni-Abschluss machte wurden die meisten meiner Kommilitonen Investmentbanker oder bekamen richtig krasse Jobs. Keine Ahnung was ich mir dabei dachte, aber ich wollte freiberufliche Programmiererin werden, damit ich sechs Monate arbeiten und Geld verdienen und die anderen sechs Monate Musik und Performances machen könnte

Durch deine Youtoube-Videos wurdest du dann sogar für das MoMA entdeckt und durftest dort ausstellen. Hat das also von Anfang an gut funktioniert?

Ich war total pleite, ich hatte überhaupt kein Geld mehr. Aber ganz langsam fand ich Sponsoren und vor allem über Twitter boten sich Freiwillige an, um mich bei den Produktionen zu unterstützen. Twitter war eine große Hilfe dabei, Leute zu finden und über diese auch wieder an Sponsoren zu kommen. In meinem Produktions-Team sind immer noch die Hälfte der Leute professionell und die andere Hälfte rekrutiere ich über Twitter.

Du entwirfst und baust die Maschinen für deine Projekte selbst. Zum Beispiel die Menstruations-Maschine - funktioniert die wirklich oder ist das eher eine Art designter Attrappe zur Veranschaulichung einer guten Idee?

Einige meiner Objekte sind Prototypen, aber die Menstruations-Maschine wollte ich wirklich so herstellen, dass sie funktioniert. Ich habe versucht meine eigenen Schmerzen und das Heraustropfen des Blutes zu simulieren. Innen am Aluminiumgürtel am Unterleib befinden sich Elektroden, die durch kleine Elektroschocks dumpfe Schmerzen im Bauch hervorrufen und am Rücken hast du einen Tank mit 80 Millilitern Blut, das aus der Vene abgezapft wurde. Du siehst also wirklich dein eigenes Blut zwischen seinen Beinen hervortropfen. Es sind nur zwei simple Dinge in der Maschine verknüpft, die Menstruation ist natürlich viel komplexer, aber ich wollte einfach vermitteln, wie es sich anfühlt.

Du sprengst das Klischee nach dem sich vor allem introvertierte Geek-Girls für Technik und Maschinenbau interessieren und präsentierst Technologie auf eine sehr bunte und spielerische Weise mit der Botschaft: „Hey, versucht es einfach! Das ist total easy egal ob für Jungen oder Mädchen und es macht riesigen Spaß!"

Ich denke es hat damit zu tun, dass die Worte Pop, Populismus oder populär bei vielen Künstlern und Kritikern einfach nicht wirklich populär, also beliebt sind.  Das kann ich auch verstehen, weil das Verständnis von „populär" oft Hand in Hand geht etwas Kommerziellen, Unkritischen, Stereotypischem und Oberflächlichem. Das war sicherlich auch so, damals als die Medien sehr zentralisiert waren und es nur Fernsehen, Radio und Zeitungen gab. Da konnten nicht so viele unterschiedliche Ideen verbreiten werden. Aber nach der digitalen Revolution hat sich das verändert, die Medien sind viel dezentralisierter, du kannst deine eigenen Ideen in die Welt setzen und ein Team zusammen stellen, mit dem du etwas auf die Beine stellst.

Das Verständnis von Pop hat sich verändert und warum benutzen wir dann nicht die Popsprache, um progressivere Inhalte zu verbreiten? Ich benutze diesen Ansatz, um Menschen außerhalb der Kunstszene zu erreichen wie Schulmädchen zum Beispiel und sie mit meinen Arbeiten zu inspirieren. In Japan habe ich gerade ein Buch im Stil dieser Ratgeber à la „Wie komme ich durch meine Teenagerzeit" veröffentlicht. Mein Buch ist eine Sputniko!-Version davon und ich habe über Twitter unheimlich viel positives Feedback von Jugendlichen bekommen, die das Buch zum Nachdenken angeregt hat. Die japanische Gesellschaft hat ziemlich viele strenge Regeln und ist sehr konservativ. Dort ist es wichtig, auf die Älteren zu hören und den allgemeinen Vorstellungen gerecht zu werden. In meinem Buch sage ich, dass du diese Regeln ruhig mal in Frage stellen darfst, weil sie nicht immer richtig sind und, dass es in der Welt außerhalb Japans noch andere Perspektiven gibt. Wenn du also nicht reinpasst, schaue einfach wie es woanders aussieht.