Wie ich es nicht schaffte, die beste Ramen der Welt zu essen
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Ramen

Wie ich es nicht schaffte, die beste Ramen der Welt zu essen

„Ich habe eine Schüssel Ramen auf meinem Oberarm tätowiert. Trotzdem habe ich versagt, als es darum ging, die beste Ramen der Welt zu finden.“

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Schande über mein Haupt. Ich liebe japanisches Essen, ich liebe Ramen, ich habe sogar eine japanische Nudelsuppe samt Stäbchen auf meinem muskulösen Oberarm tätowiert. Trotzdem habe ich es in 12 Tagen Tokio nicht geschafft, die vermeintlich beste Ramen-Suppe der Welt zu essen. Wenn man nämlich nicht nur seinem Gaumen, sondern auch Michelin-Sternen vertraut, findet man die wahrscheinlich beste Ramen der Welt im Tsutsa im Norden Tokios. Diese Ramen ist so gut, dass sich manch einer sogar extra wegen dieser Suppe auf die weite Reise nach Japan macht, um endgültig im Ramen-Himmel anzukommen. Der Holländer Tosao van Coevorden zum Beispiel nahm das Abenteuer auf sich, um diese legendäre Ramen mit Trüffel und Thymian und was weiß ich (Ich habe sie ja schließlich nicht gegessen…) zu probieren.

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Wie konnte es also dazu kommen, dass ich die erste Ramen mit einem Michelin-Stern, eine Ramen, sie alle zu knechten, verpassen konnte und mich tagtäglich frage, was ich meinen bayerischen Verwandten antworten soll, wenn sie mich fragen, warum ich eine Nudelsuppe auf dem Arm tätowiert habe und wie ich das meinem Arbeitgeber erklären will („Ich arbeite bei der VICE, lol.").

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Schuld daran bin ich selber und schuld daran ist das Überangebot an Überangeboten in Tokio. Als ich mir nämlich endlich den Traum erfüllt habe, nach Tokio zu reisen und mich langsam auf die Reise vorbereiten wollte, habe ich mich spontan dazu entschieden, mich nicht auf die Reise vorzubereiten. Die Vorstellung mit einem Reiseführer und einer Liste durch Tokio zu laufen, hatte so rein gar nichts mit der romantischen Vorstellung meines ersten Urlaubs außerhalb Europas zu tun. Bis auf ein, zwei Läden, die mir Freunde empfohlen haben, lief ich also 12 Tage komplett ohne Führung durch Tokio und versuchte, mich auf mein Auge, etwas Glück und die unerbittliche Leidenschaft der Japaner für gutes Essen (und besonders Ramen) zu verlassen. Andere werden sagen, ich wäre zu faul gewesen oder unorganisiert, am Ende des Tages war ich auf jeden Fall in Tokio und hatte das Tsutsa weder auf einem Zettel, Smartphone oder einer Landkarte (lol) markiert. Dass es dieses Restaurant und diesen Laden gibt, habe ich somit erst kurz nach meiner Wiederankunft in Berlin erfahren müssen. Die ersten Fragen, wie es dort war, habe ich mit „Immer diese Hipster-Scheiße, wer ist dieser Michelin überhaupt?" selbstbewusst von mir abprallen lassen. In Wahrheit war ich sehr traurig.

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Aber wie jede gute Geschichte hat auch diese nämlich ein Happy End, das man in diesem Fall nur erfährt, wenn man den Tab nicht schon nach dem zweiten „lol" geschlossen hat. Spätestens wenn du in Tokio irgendwo am Arsch der Welt aus der U-Bahn aussteigst und es im Bahnhofs-Untergeschoss besser riecht als in durchgestylten Berlin-Mitte-Läden, die über mehr als 500 gegeotagte Posts auf Instagram mit Hashtags wie #foodporn und #ramenislife verfügen, ist deine Welt auch ohne Michelin-Stern in Ordnung.

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In dieser Stadt ist es fast—aber nur fast—unmöglich, etwas Schlechtes zu essen. Der Japaner scheint eine so tief sitzende Liebe und einen gelebten und geliebten Respekt für das Essen zu besitzen, dass selbst im kleinsten Eckladen meine kühnsten Ramen-Träume erfüllt werden konnten. Ich gehe sogar fest davon aus, dass der ein oder andere Koch um sein Leben fürchten muss, wenn er dem falschen alten Mann etwas Schlechtes zu essen serviert.

Kennt ihr diese Restaurants, die komplett überfüllt sind, die Leute pflegen dort sonntags zu brunchen und wenn man es genau nimmt, ist das Essen nicht genießbar—schlichtweg scheiße. So etwas gibt es in Japan nicht, der Japaner hat Geschmack!

Das Essen ist scheiße?

„Wir kommen nie wieder."

Der Laden muss nach drei Wochen schließen. So oder so ähnlich stelle ich mir die Realität schlechter Köche in Japan vor.

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Ich aß also fantastische Ramen in Läden, deren Namen mir unbekannt waren, und von Köchen ohne New York Times-Artikel. Meine Instagram-Likes sowie der Neid meiner Freunde zu Hause, die bestens über jeden einzelnen Michelin-Stern am Arsch der Welt informiert waren, stieg trotzdem rasant an. Es waren 12 der glücklichsten Tage mit dem besten Essen meines Lebens.

In knapp drei Monaten fliege ich zurück nach Japan und habe mir alles ganz anders vorgenommen. Dieses Mal mit Schlachtplan, Google Maps, einem Reiseführer oder mit diesem Guide Michelin. Und auch darüber werde ich schreiben, über das genaue Gegenteil dieser Geschichte, wenn ich die kleinen Eckläden zerlege, nachdem ich bald die feinste Ramen der Welt gekostet habe und mich zum Ramen-Saiyajin entwickelt habe. Bis dahin dient dieser Artikel als romantische Entschuldigung dafür, einfach irgendwo hinzureisen ohne jeden Schimmer.