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Tierrechte

Sind Veganer Menschenfeinde? Ein Interview mit Harald Ullmann von Peta Deutschland

„Seid ihr radikal?“ „Wenn man uns mit der allgemeinen, apathischen Öffentlichkeit vergleicht, ja, dann sind wir radikal.“
Eine Aktion von Peta in London. Bild via Imago.

Wir haben kürzlich eine Debatte aufgegriffen, die es so schon seit Längerem in veganen Kreisen gibt. Der Speziesismus ist die Idee, dass der Mensch letztlich nur ein Tier unter vielen anderen ist und ein jedes (tierische) Leben, ob Insekt oder Mensch, gleichwertig ist. Dieser Gedanke führt leider oft zu einer Rhetorik, die in den schlechtesten Momenten menschenfeindlich ist. Damit haben alle Veganer ein Problem, die sich als politische oder ethische Veganer verstehen. Denn der politische Effekt der immer größer werdenden veganen Bewegung ist gleich null, wenn es um die Massentierhaltung geht. Denn so wie die Zahl der Veganer wächst auch die Zahl der getöteten Tiere, 2016 war ein Rekordjahr für die Industrie.

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PETA ist eine globale Marke, immer wieder werben prominente Gesichter für ihr Anliegen und doch bleiben Skandale nicht aus. Doch die gut geölte PR-Maschine von PETA weiß so etwas zu lancieren. Wir haben uns in einem interessanten Gespräch mit der deutschen Dependance unterhalten, der zweite Vorsitzende Harald Ullmann stand Rede und Antwort.

Den entsprechenden Artikel dazu findet ihr hier.

MUNCHIES: Ist ein Menschenleben mehr wert als ein Tierleben?
Harald Ullmann: Für jeden ist sein/ihr Leben und das des ihm/ihr Nahestehenden mehr wert als das der anderen. Einer Kuh ist das Leben ihres Kälbchens mehr wert als das einer anderen Kuh oder eines Schweines oder eines Menschen. Es muss sich allerdings bei einem Nahestehenden nicht zwingend um jemanden der gleichen Spezies handeln. Die Frage ist nicht, welches Leben ist mehr wert. Jedes Leben hat einen intrinsischen Wert. Eine Diskriminierung von Individuen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit ist Speziesismus und das ist genauso falsch wie Rassismus oder Sexismus.

Warum hat die deutsche Sektion von PETA nicht das Zitat der US-Vorsitzenden übernommen, wonach der Jäger, der den Löwen Cecil tötete, vorzugsweise zu hängen sei? Warum ist das Zitat noch immer auf der US-Seite zu finden?
Ms. Newkirk hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Kommentar tatsächlich allzu wörtlich genommen wird. Wir glauben, dass der Jäger in Simbabwe zur Rechenschaft gezogen werden sollte und die Konsequenzen tragen muss, wie es im Englischen heißt „…and be hanged in the court of public opinion". Wir sind eine gewaltfreie Organisation, wir arbeiten daran Gewalt zu stoppen. Niemand hier, inklusive Frau Newkirk, glaubt, dass der Jäger wirklich erhängt werden sollte, aber wir glauben, er muss wegen Wilderei und dafür, dass er Cecil 40 Stunden leiden ließ, angeklagt werden.

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Es gibt gerade unter Tierschützern immer wieder Vorfälle, bei denen die Schoah/NS-Verbrechen als Vergleichsgröße herhalten müssen. Findet ihr das problematisch? Ein Gericht hatte eure „Holocaust auf dem Teller"-Kampagne seinerzeit untersagt.
Das Gericht hatte die „Holocaust auf dem Teller"-Kampagne nicht per se verboten, nur 7 der 8 Plakate, die eine direkte Gegenüberstellung von Tierleid und den Gräueltaten der Nazis zeigten, durften nicht mehr gezeigt werden, und das auch nur in Deutschland. Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat in letzter Instanz die Kampagne als rechtmäßig bezeichnet. In dem Urteil heißt es u. a.: „Die schockierende Wirkung der Fotomontagen ist zum Großteil vom Thema vorgegeben (durch Menschen brutal verursachtes Leiden anderer). Die Heranziehung eines drastischen Vergleichs dient einem grundsätzlich erlaubten Zweck, nämlich in einer von Werbung reizüberfluteten Gesellschaft Aufmerksamkeit für ein Anliegen zu erzielen. Das Tierschutzanliegen selbst ist—wie ausgeführt—gewichtig, gesellschaftspolitisch umstritten und aktuell (vgl. die Tierschutzgesetzgebung aus der jüngsten Vergangenheit). Aus den dargelegten Gründen ist eine exzessive Meinungsäußerung zu verneinen." (Az. 6 Ob 321/04f, Urteil vom 12.10.2006).

Der Oberste Gerichtshof hat die von den jüdischen Klägerinnen unterstellten Antisemitismus-Vorwürfe deutlich zurückgewiesen: „Die von den Klägern beanstandete Verächtlichmachung einer Rasse oder eines Volkes wird mit der Werbekampagne nicht bewirkt: (…) Die Aussage geht nur dahin, dass Juden wie Tiere behandelt wurden. Die Gegenüberstellung führt jedenfalls beim maßgeblichen verständigen Durchschnittsbetrachter nicht zu der von den Klägern gezogenen Schlussfolgerung (nazistischer Inhalt, Anm. d. Verf.)."

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Frustrieren euch die wenigen Fortschritte, die das Tierrecht in den letzten Jahrzehnten gemacht hat?
Ich bin seit über 30 Jahren Veganer. Wenn ich die Produktpalette der veganen Produkte von damals mit der von heute vergleiche, dann sind die Fortschritte immens. Die Bevölkerung ist mittlerweile etwas sensibler geworden, was die Behandlung von Tieren angeht. Aber als Tierrechtler, der jeden Tag mit dem immensen Leid von Tieren in der Lebensmittel-, Bekleidungs-, Tierversuchs- und Unterhaltungsindustrie sowie der sogenannten Heimtierhaltung konfrontiert ist, kann einem die Entwicklung weg von tierischen Produkten nicht schnell genug gehen und wir würden lieber heute als morgen die Ausbeutung der Tiere in die Geschichtsbücher verbannen.

Darf man sich über den Tod von Menschen freuen?
Der Tod eines Menschen oder Tieres ist für die Nahestehenden in der Regel immer mit viel Trauer verbunden. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass nicht jeder Tod von allen gleich beurteilt wird. So trauern die meisten Menschen sicherlich mehr, wenn Menschen wie Gandhi oder Mutter Teresa sterben, als wenn Hitler oder Osama Bin Laden das Zeitliche segnen.

Seid ihr radikal? Und wenn ja, was bedeutet das für euch?
Wenn man uns mit der allgemeinen, apathischen Öffentlichkeit vergleicht, ja, dann sind wir radikal. Die Geschichte hat gezeigt, dass gerade die Radikalen die waren, die die Sklaverei beendet haben, Frauen das Wahlrecht verschafften und gleiche Rechte für Homosexuelle erreicht haben. Ich nehme die Bezeichnung „radikal" immer als Kompliment auf.

Wie ist Euer Verhältnis zu anderen Tierrechtsorganisationen, vor allem zu Animal Peace?
Wir arbeiten immer wieder mit anderen Tierrechts- und Tierschutzorganisationen bei bestimmten Anlässen/Projekten zusammen. Wir hatten bereits in den 90er Jahren gemeinsame Aktionen mit Animal Peace.

Vielen Dank für das Interview.