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Bombengeschäft: Wie deutsche Banken an der Atomwaffen-Entwicklung mitverdienen

Eine neue Studie zeigt, dass zehn große deutsche Versicherer und Banken alleine im vergangenen Jahr mindestens 1,95 Milliarden Euro direkt in den Bau von Kernwaffen investiert haben.
Ein Atombombentest im Rahmen des „Baker Shots“. Bild: Wikimedia CommonsViktorrocha | Gemeinfrei 

Die dritte „Don't Bank on the Bomb"-Studie belegt erneut die Verstrickungen deutscher Banken im Geschäft mit der atomaren Bewaffnung. Die am Freitag veröffentlichte Studie der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (kurz ICAN) listet zehn deutsche Banken in ihrer „Hall of Shame", und zeichnet präzise nach, wer in welche Firmen investiert und wie genau Finanzinstitute weltweit die Atomwaffenindustrie direkt unterstützen.

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Weltweit versorgen 411 Finanzdienstleiter die profitable Kernwaffenindustrie mit Geld. Darunter sind auch mindestens zehn deutsche Versicherer und Banken, die laut der Studie mit einem Kreditvolumen von ca. 7,2 Milliarden Euro insgesamt 20 Firmen unterstützen, die damit Entwicklung, Bau und Wartungen für für Atomsprengköpfe und Trägersysteme wie Raketen oder U-Boote finanzieren.

Dabei ist die Deutsche Bank die größte deutsche Geldgeberin und unterstützt mit insgesamt 3,1 Milliarden Euro vor allem Unternehmen, die Panzer, atomare U-Boote und Sprengköpfe herstellen. Danach folgen die Commerzbank (2,2, Mrd. Euro), die Allianz (0,7 Mrd.) und die bayerische Landesbank (0,6 Mrd.). Auch die deutsche staatliche Förderbank KfW ist beteiligt. Die zehn größten Geldgeber stammen aus den USA.

Susi Snyder von der NGO PAX hat die Studie mitgeschrieben. Sie hofft, dass die gleichen Mechanismen, die zur Ächtung von Landminen und Streubomben führten, auch bald für Atomwaffen greifen, wie sie gegenüber Motherboard am Telefon erklärte:

„Als die Banken merkten, das diese Waffen stigmatisiert wurden, fand ein Umdenken statt—die Kreditgeber haben ihre Regeln geändert. Wir hoffen, dass das auch bald für Kernwaffen gilt."

Um auf das Problem aufmerksam zu machen, setzt ICAN neben den jährlichen Studien auch auf öffentliche Protestaktionen oder Reden vor den Aktionären der betroffenen Banken:

Die Erhebung der Studie stützt sich auf Zahlen, die aus öffentlich zugänglichen Quellen von der niederländischen NGO Profunde gesammelt wurden. Es wird ausschließlich die Unterstützung für die Atomprogramme der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Indien und Israel aufgelistet. Dort wird die Aufrüstung und Wartung atomarer Waffen immer häufiger an private Rüstungsunternehmen ausgelagert, während diese wiederum von Fonds, Versicherern und Banken finanziert werden. In den verbleibenden Atomstaaten Russland, China, Pakistan und Nordkorea wird die Herstellung von Atomwaffen von staatlichen Agenturen übernommen. Deren Daten sind nicht öffentlich zugänglich.

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Die Argumente der Banken: Wer Konzerne finanziere, die überwiegend zivile Produkte herstellen, fungiere nicht als Rüstungssponsor.

Man könne nicht das Gesamtgeschäft mit großen Konzernen einstellen, nur weil diese zu einem kleinen Teil auch in Rüstung investieren, hieß es von Seiten der Commerzbank, die zu einem Viertel vom Bund getragen wird.

Die Allianz dagegen rechtfertigt ihre Investitionen mit dem Bau von Waffen exklusiv in westlichen Demokratien, die dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten seien. Daher—und dank der Tatsache, dass Rüstung kein Kerngeschäft der Allianz sei—sehe man keinen Grund zum Rückzug, teilte die Bank gegenüber der taz mit.

Einzig die Deutsche Bank dementiert ihr Engagement komplett. „Schon seit vielen Jahren" seien „Geschäfte mit ABC-Waffen ausgeschlossen". Der Bericht schlüsselt auf, dass sie trotzdem für 13 Atomwaffenkonzerne Finanzmittel zur Verfügung stellte.

Aktivisten der ICAN protestieren gegen atomare Aufrüstung. Bild: Flickr | ICAN | Mit freundlicher Genehmigung.

Auch die Produzenten von Atomwaffen und ihre Beteiligung an den weltweiten Arsenalen wurden in der Studie untersucht.

Von der Finanzhilfe profitieren vor allem Mischkonzerne wie ThyssenKrupp und Airbus, die hauptsächlich zivile Produkte herstellen. Der rein militärische Anteil der Investitionen liegt bei 1,95 Milliarden Euro direkter Beteiligung deutscher Finanzinstitute an der Herstellung von Atomwaffen. Diesen Anteil wirklich präzise zu beziffern, ist allerdings äußerst schwierig. Die Studie versucht allerdings dennoch diese Unterscheidung herauszuarbeiten, und zwar basierend auf diesen Zahlen.

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ThyssenKrupp liefert Atom-U-Boote des Typs Dolphin an die israelische Marine, die von Kiel aus verschifft werden. Zu einem Drittel zahlt die deutsche Regierung dafür. Die Bundesregierung gibt dabei vor, nichts von der Kapazität der U-Boote für nukleare Sprengköpfe zu wissen.

Die U-Boote werden in Deutschland nach israelischen Vorgaben gefertigt und in Haifa mit Marschflugkörpern bestückt. Bis 2017 werden laut dem Bericht insgesamt sechs solcher U-Boote an Israel geliefert. Grundlage dafür sind zwei strategische Abkommen zwischen Deutschland und Israel. Ursprünglich ist die Lieferung an Wünsche der Bundesregierung gekoppelt: Die Fertigstellung eines Klärwerks im Gazastreifen, das Deutschland ebenfalls finanzierte und Zurückhaltung in der Siedlungspolitik im Gazastreifen. Das Klärwerk wurde zwar fertiggestellt, aber im Gaza-Krieg im Sommer schon wieder zerstört.

Im Mai 2014 wurde außerdem bekannt, dass die USA ihre in Deutschland stationierten Atombomben einem sogannenten „Lebensdauerverlängerungsprogramm" unterzogen hätten, ohne darüber mit der Bundesregierung zu verhandeln. Zudem soll das atomare Waffenlager am Fliegerhorst Büchel modernisiert werden.

Auch wenn das Investitionsvolumen gegenüber den 2013 von ICAN ermittelten 7,6 Milliarden Euro leicht zurückgegangen sind, so ist das Ausmaß an deutschen Krediten, Anleihen und Aktien nach wie vor überraschend hoch—insbesondere für eine Technologie, die spätestens mit dem Kalten Krieg militärisch längst ausgedient haben sollte.

Eine deutsche Kurzfassung der Studie kann hier heruntergeladen werden, die vollständige Studie findet ihr hier.