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Verschlüsselung in der Ionenfalle: Der Quantenrechner von morgen ist da

Wissenschaftler von Uni Innsbruck und MIT könnten ein neues Zeitalter der Verschlüsselungstechnik einläuten.
Rainer Blatt und das Experiment | Bild: IQOQI/Lackner

Die Verschlüsselung von Daten und digitalen Transaktionen gehört zu den wichtigsten Möglichkeiten, um seine Privatsphäre vor Hackingangriffen zu schützen. Edward Snowden wird nicht müde uns in regelmäßiger Beharrlichkeit auf die Bedeutung des Themas hinzuweisen und unseren Schutz durch gute Verschlüsselungstechniken zu betonen. Doch was, wenn selbst die nichts mehr helfen und jede kryptische Botschaft dank enormer Rechenleistung geknackt wird? Wissenschaftler vom MIT und der Universität Innsbruck haben nun einen leistungsstarken Quantenrechner entwickelt, dem es gelingt, ein wichtiges aktuelles Krypto-Verfahren zu knacken.

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Das Besondere an dem neuen nun vorgestellten Quantencomputer ist, dass er über solch eine enorme Rechenleistung verfügt, um die Stärke von heute üblichen Krypto-Kombinationen in relativ kurzer Zeit zu decodieren. Die gute Nachricht: Wenn die Rechenstärke in solch beeindruckende Dimensionen vorstößt, dann könnten die Forscher auch Tools entwickeln, die wiederum deutlich robustere Krypto-Mechanismen errechnen.

Die von dem österreichischen Physiker Rainer Blatt und seinem Team entwickelte Technologie kann eine für die Verschlüsselung besonders wichtige Rechenaufgabe besonders elegant lösen: Sie benötigt lediglich fünf Quantenbits, um die Zahl 15 in ihre Primfaktoren zu zerlegen. Eine solche Aufgabenstellung zählt mathematisch zu dem Faktorisierungsproblem für ganze Zahlen, das auch vielen modernen Verschlüsselungsalgorithmen zu Grunde liegt. In diesem mathematischen Teilgebiet der Zahlentheorie wird zu einer zusammengesetzten Zahl (eine Zahl, die keine Primzahl ist) ein nichttrivialer Teiler (ein Teiler, der weder 1 noch die jeweilige Zahl selbst ist) ermittelt. Nimmt man beispielweise die Zahl 87, so böte sich eine Zahl wie drei an, die ein echter Teiler von 87 ist oder bei der Zahl 15 ebenfalls eine drei oder eine fünf.

Das Faktorisierungsproblem ist auch die Grundlage für die RSA-Verschlüsselung, welche eine der aktuell gängigsten Kryptotechniken darstellt. Bei RSA werden zwei große Primzahlen miteinander multipliziert, was im ersten Schritt sehr einfach ist. Umso komplizierter wird es jedoch, den Schritt rückzuvollziehen und aus dem Produkt die ursprünglichen Primzahlen wieder zu berechnen—und somit die Botschaft wieder zu entschlüsseln.

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Bei der Zahl 15 ist es noch relativ einfach, sie in ihre Primfaktoren zu zerlegen. Je größer die Ziffernfolge jedoch wird, desto schwieriger wird auch die Berechnung der beteiligten Primzahlen. Bei Zahlen mit hunderten von Stellen ist die Anzahl der möglichen Kombinationen so gewaltig, dass selbst parallel arbeitende leistungsstarke Computer Jahre benötigen, um die Primzahlen zu errechnen.

„Zur Zeit ist es ein Ping Pong. Wie bei einem Laptop, das nach und nach von 100 auf 500 Megahertz erweitert wurde, eine größere Festplatte und einen schnelleren Prozessor bekam. So ist es bei uns auch", beschreibt Thomas Monz von der Universität Innsbruck gegenüber Motherboard die allmähliche Aufrüstung der Entschlüsselung. „Wir vergrößern erst die Anzahl der Qubits und verbessern dann die Quantenoperationen. Es geht immer hin und zurück."

Der Krypto-Konter ist schon in Arbeit: Ingenieure bauen Quanten-Laser, der Daten als unhackbare Photonen überträgt

Zur Berechnung der nichttrivialen Teiler zogen die Forscher der Universität Innsbruck und des MIT den Shor-Algorithmus zur Rate. Dabei handelt es sich um ein Faktorisierungsverfahren für Quantencomputer, mit dem sich ein nichttrivialer Teiler wesentlich schneller finden lässt als mit klassichen Algorithmen. Für diese Berechnungen entwickelten die Forscher nun noch einen speziellen Computer, dessen Herzstück eine Ionenfalle ist. In der Ionenfalle schwebt ein Ionenstrang in einem elektrischen Feld, in dem die Ionen mit Laserpulsen bearbeitet werden. Der Ionenstrang funktioniert als eine Anordnung von Ionen, die durch Schwingungsbewegungen miteinander in Wechselwirkung treten können, vergleichbar mit einem Kugelstoßpendel, bei dem eine Kugel die jeweils nächste anstößt und in Bewegung versetzt.

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Nun ist es möglich, dass jedes Atom (Ionen sind elektrisch geladene Atome) in zwei unterschiedlichen energetischen Zuständen zur gleichen Zeit verharrt—eine quantenphysikalische Superposition. Ein Atom befindet sich sozusagen in einem eigenen binären Zustand und kann gleichzeitig 0 und 1 repräsentieren. Mittels der Laserpulse werden diese Zustände in vier der fünf Atomen erzeugt und die Ergebnisse von dem fünften Atom aufgenommen und weiterverwertet, indem es den Shor-Algorithmus ausführt.

Die Ionenfalle | Bild: IQOQI/Lackner

Durch die Fähigkeit der Superposition können Quantencomputer Rechnungen nicht nur im klassischen Binärcode ausführen, sondern sind in der Lage, zahlreiche Rechnungen parallel laufen zu lassen. Die Quantenbits verarbeiten dabei mehr Informationen als normale Bits. In der Regel benötigen Quantencomputer zwölf Qubits (Quantenbits), um die Zahl 15 zu faktorisieren, also in ihre nichttrivialen Faktoren zu zerlegen. Die Ionenfalle, das Herzstück des neu entwickelten Quantencomputers, benötigt hierfür jedoch lediglich fünf Qubits, die fünf Atome. Computer lösten die Berechnungen mit einer Erfolgsquote von 99 Prozent.

Das System wurde extra so konzipiert, dass es sich mit einer größeren Anzahl von Atomen und Lasern aufstocken und somit zu einem noch schnelleren Quantenrechner hochskalieren lässt. Damit ließen sich dann noch wesentlich größere Ziffernfolgen faktorisieren. Und auch wenn das System noch weit davon entfernt ist, kommerziell eingesetzt zu werden, bricht wohl gerade ein neues Zeitalter der Verschlüsselungstechnik an.

„Später wird es dann so etwas wie einen Internetdongel für dein Laptop geben", so Thomas Monz über zukünftige Verschlüsselungstechniken. „Du hast dann einen Dongel mit quantenmechanischen Effekten den du zur Verschlüsselung deiner Daten einfach nur in dein Laptop steckst."