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Berlin

Unprätentiöse Imbisse: Fleischerei Domke

Ada Blitzkriegs kulinarische Abenteuer in Berlin. Dieses Mal besucht sie die Fleischerei Domke und hat immer Recht!
Alle Bilder von der Autorin.

Street Food ist meine Schwester und ich schütze ihre Ehre. Für Munchies bin ich deswegen ab sofort regelmäßig auf geheimer Mission in Berlin unterwegs, um genau die Spots ausfindig zu machen, die für kleines Geld exzellentes Essen bieten. Unprätentiös, kostengünstig und schmackhaft—das wahre Street Food Berlins. Dieses Mal mit ausgeprägten körperlichen Fleischentzugserscheinungen auf der Suche nach einer ordentlichen Dosis Schweinshaxe mit brauner Soße in Friedrichshain.

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Manchmal möchte man einfach nur dort einkehren, wo „Sauce" noch „Soße" heißt. An einem paradiesisch anmutenden Ort, der faszinierend und familiär zugleich ist. Ein Ort, an dem man von Fett und der Geschmack von Bratensatz fürsorglich umhüllt wird wie von einer gemütlichen Wolldecke. Man möchte sich schlicht genau da befüllen lassen, wo Nudeln noch Nudeln sind und keine abgehobene Pasta. Denn Pasta ist letztlich auch nur die arrogante Form von Nudeln, behaupte ich jetzt einfach mal dreist.

Domke ist eine echte Berliner Institution und vermutlich gibt es den Laden länger als die meisten Kunden, die hier an den Stehtischen und Kirmesbänken rumlungern und schwankend Grillhaxen in sich reinschieben. In Touristenführern wird die Fleischerei mit angeschlossenem Imbiss bisweilen als „alteingesessen" bezeichnet. Was auch immer das heißen mag! Gerüchte behaupten allerdings, es gäbe die Fleischerei erst seit den 90er-Jahren und da war ich natürlich schon längst geboren. Macht aber nichts, denn ich bin trotzdem hungrig und es ist ein sonniger Frühlingstag in Friedrichshain. Einer der wenigen Tage im Jahr, die es einem ermöglichen, gute Laune und ein aufrichtiges Wonnegefühl mit deftiger Hausmannskost künstlich zu erzeugen.

Die Leute, die hier arbeiten, haben starke Oberarme und wirken immer ein bisschen, als wären sie eigentlich Trainer in einem Crossfit-Studio. Sie bedienen die kiloschweren Riesenkellen, die mit dicken Kartoffeln und Bratensoße gefüllt sind, wie freundliche Roboter. Immer mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Und das kommt nicht von ungefähr, denn Domke gilt allgemein als die umsorgende Mutter der vielen heimatlosen Berliner. Fürsorge wird hier noch groß geschrieben. Doch mit großer Macht kommt auch große Verantwortung. Also hat man sich entschieden, Hausmannskost für einfache Leute anzubieten. Irgendwie auch eine Form eines sozialen Projekts, denke ich mir, denn zugegeben, es geht in erster Linie darum, satt zu werden. Als kleines Plus kommen die Speisen und Eintöpfe auf den klassisch deutschen Tellern, die in keinem Haushalt der 90er-Jahre fehlten. Ich meine, wer ist nicht mit weißen Tellern mit tintenblauen Schnörkeln groß geworden?

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Die Getränkeauswahl besticht sofort. Man kennt den ewigen Kampf von Coca Cola („böser" Ami-Konzern-Teufel-Hölle-Kapitalismus-Tod-Verderben) gegen „unsere" Club Mate ja nur zu gut. Hier macht man es sich bei Domke sehr bequem und wählt die dritte Alternative in Form einer No-Name-Auswahl an Bieren und Softdrinks, die dann bei der Verköstigung überraschend gut schmecken. Und irgendwie passen die fremdartigen Getränke auch besser zum fettigen Eisbein als die erfrischende Hipsterbrause. Zuweilen erinnert einen der Geschmack an die Limos, die unsere Großmütter einkauften, wenn sie uns etwas Gutes tun wollten und die trotzdem nie wie Fanta schmeckten, sondern genau genommen sogar besser, weil sie mit Liebe von einer freundlichen Person mit guten Absichten besorgt wurde. In der Fleischerei ist man bodenständig geblieben und konnte vielleicht genau aus diesem Grund eine interessante Mischung aus Stammkundschaft und wechselnden Neukunden an sich binden.

Ich trete an den Tresen und bestelle meine Fleischauswahl. Zum Glück ist draußen noch ein Platz am Kirmestisch frei und ich setzte mich einfach zu ein paar Essenden dazu und nerve sie mit meinem Fotogeknipse. Später möchte ich noch einen Absacker in der Hexe trinken gehen, denke ich mir und blinzele in die Sonne.

Der Ort:

Die Dekoration besteht zum größten Teil aus Kacheln, Stehtischen, Wurstdosen, Senftuben, einigen älteren Herren mit auffälligem Gelbstich und Gleitsichtbrillen, die mit einem Bierchen Bratwürste essen und kleinen Porzellanfiguren, die eine seltsame Mischung aus Schweinen und der pädophilen Darstellung von Schulkindern darstellen.

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Die Klientel:

Ich sag mal so, zu Domke geht man nicht, um zu sehen und gesehen zu werden. Der Laden liegt auch nicht gerade auf dem Ku-Damm, sondern auf dem verkehrsintensiven Teil der Warschauer Straße. Inzwischen hat sich allerdings die Verantwortlichkeit für geile Fleischauffüllungen zu den meisten Menschen vor Ort rumgesprochen, sodass man bei Domke eigentlich ein bunt gemischtes Publikum vorfindet, das sich gegenseitig herzlich egal ist und eigentlich nur herkommt, weil es Hunger hat. Leben und leben lassen, das funktioniert mit einem randvoll mit Fleisch gefüllten Magen deutlich besser.

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Das Gericht:

Belegte Brötchen mit Mett oder Wurst kosten 0,75 Euro und das ist ein absolut fairer Deal. Zugeschallert kommt es einem erfahrungsgemäß doch oft entgegen, wenn das Essen sättigt und leicht zu handeln ist. Man vergisst ja leider viel zu oft, wie man Gabel und Messer bedient und selbst ein Löffel stellt einen dann vor eine unlösbare Aufgabe. Ein belegtes Brötchen geht immer irgendwie in den Mund. Das Mett hält sogar, wenn man die Oberseite nach unten dreht und gegen die Gravitationskraft arbeitet. Ich habe das für euch getestet.

Eintöpfe bekommt man für 2,50 Euro. Es gibt bei Domke aber auch meinen absoluten Geheimtipp: Die Gulaschnudeln für schlappe 4 Euro. Die Portion ist etwa so groß wie ein Barbie-Wohnmobil und sättigt wie eine ganze Kiste LEGO. Wer lieber sitzen mag und sich ein ordentliches Sonntagsessen gönnen möchte (Domke hat sieben Tage die Woche geöffnet), sollte zu den Spezialitäten greifen: Eisbein, Rinderroulade, Grillhaxe oder Kasslerbraten mit Beilagen. Die Preise bewegen sich zwischen 4 Euro und 5,50 Euro für einen Teller, der etwa zwei Kilo wiegen dürfte. Mutige bestellen die Blutwurst. Detox ist hier nicht.

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Tipps:

Man kann in Berlin nur genau zwei schwerwiegende Fehler begehen: Als einziger Nüchterner in der Notaufnahme im Urbankrankenhaus sitzen oder bei Domke nach einem Salat fragen.

Preis:

Kann sich jeder leisten.

Fleischerei Domke

Warschauer Straße 64

10243 Berlin Friedrichshain