Puxisardinophilie—Die Liebe zu Jahrgangssardinen(dosen)

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Dosenfisch

Puxisardinophilie—Die Liebe zu Jahrgangssardinen(dosen)

Man braucht nicht viel, um ein kleines Festmahl zu kreieren. Manchmal tut’s schon eine Dose Sardinen!

Man braucht nicht viel, um ein kleines Festmahl zu kreiieren. Manchmal tut's schon eine Dose Sardinen!

Wer hätte das gedacht? In meinen 20 Jahren als Vegetarier hatte ich zwar Fisch probiert, aber nie Fisch aus Konserven. Was also sind Vintage aka Jahrgangssardinen?

Natürlich stammen die Dinger aus Frankreich. War klar. Ebenso der charmante „Jahrgangssardinen-Sommelier" Philippe Causse, der in seinem Berliner Feinkostgeschäft und in den dazugehörigen Onlineshops die größte Auswahl an Jahrgangssardinen in Deutschland verkauft.

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Er kostete Vintagesardinen erstmals 2011 im Urlaub in der Bretagne und verliebte sich umgehend in den Gedanken, diese Delikatesse dem „anspruchsvollen Berliner" nahezubringen. Anspruchsvoll sind ja auch die Franzosen, und so musste er mit seinem Laden eine Art Eignungstest (der Laden muss ja gut und schön genug sein, und keine gammelige Tanke) durch den größten Jahrgangssardinen-Hersteller „La Belle Iloise" durchlaufen, bevor er als einer der wenigen Auserwählten die Genehmigung bekam, diese Konserven zu verkaufen.

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Maitre Philippe und seine Töchter erklären den Mythos der „Sardine Millésimé":

MUNCHIES: Warum gilt die Jahrgangssardine als Delikatesse? Maitre Philippe: Die bretonischen Jahrgangssardinen werden nicht gefroren, sondern sind fangfrisch—sie werden gefangen und direkt am gleichen Tag im Hafen noch gesäubert und gegart oder frittiert und in feinem Olivenöl eingelegt. Anders als herkömmliche Sardinen, die dann in eine Dose hineingepresst werden. Diese werden gefischt, schockgefrostet und dann hat man Massen von Fischen, die je nach Bedarf nachgedost werden. Jahrgangssardinen sind dagegen ein frisches Produkt. Und mit jedem Jahr wird das Fleisch der Sardine zarter. Irgendwann, nach zehn Jahren, schmilzt der Fisch am Gaumen.

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Was sind denn die Qualitätsstandards? Jeder einzelne Schritt ist per Hand. Die Arbeiterinnen gucken sich jeden Fisch genau an, säubern ihn ganz vorsichtig, schneiden die Schwänze und Köpfe ab. Es werden nur solche Sardinen ausgewählt, die von der Form oder Größe gut in eine Dose passen, damit man die nicht quetscht. Sie liegen lose und halten sich deshalb so lange, weil sie komplett vom Olivenöl durchdrungen werden. Man wendet sie alle 3-6 Monate und dieses Zusammenspiel von Öl und Fisch geht einen besonderen geschmacklichen Mix ein, der sich dann über die Jahre noch intensiviert. Das Öl ist nicht alt und ranzig, sondern sehr hochwertig.

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Oft werden sie im September gefangen, wenn sie besonders fett sind. Fett ist Geschmacksträger und je fetter der Fisch, desto zarter. Man unterscheidet nach Alter und dementsprechend auch nach der Größe und dem Fettgehalt. Die ganz kleinen sind auch lecker, aber trockener, weil sie nicht so einen hohen Fettanteil haben.

Schon bei einem Jahrgang von 2011 schmeckt man laut Anais Causse wohl den Unterschied—also die Sardinen sind zarter, während die ganz frischen bissfester sind. Die Konsistenz ist also kein Qualitätsunterschied, aber Geschmacksfrage. Tradition haben die konservierten auch anderorts: Der Sohn von Oscar Wilde gründete den ersten Sammlerclub für Sardinen. Auch in Spanien und Portugal gehören Sardinen in Olivenöl in jede Speisekammer. Aber der wesentliche Unterschied zu den französischen Jahrgangssardinen ist die Wahl des Olivenöls. Die Franzosen verwenden nur das beste. Oft kippst du ja das Dosenöl weg und träufelst ein gutes Öl darüber. Warum aber nicht gleich die teureren Jahrgangssardinen nehmen, dan spart man sich das Öl. Und die kunstvoll gestalteten Retro-Etiketten und Cover, laden zum Sammeln ein. Puxisardinophilie nennt sich das übrigens, wenn man Dosensardinen sammelt.

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