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Nachhaltigkeit

Auch Fische sollten wir saisonal essen

Zwei Restaurantbesitzer erklären uns, dass es auch bei Fischen Schonzeiten gibt, die einzuhalten sind. Darum können wir als Verbraucher nicht erwarten, einen bestimmten Fisch das ganze Jahr über kaufen und essen zu können.
Fluke hamachi at Greenpoint Fish & Lobster Company

Wenn du am Montag ins Restaurant gehst, solltest du besser keinen Fisch bestellen, weil er niemals frisch sein wird. So oder so ähnlich hat es mal Gastro-Guro Anthony Bourdain ausgedrückt. Aber sind wir mal ehrlich: Fisch wird jeden Tag in der Woche gefangen. Du musst also vielmehr wissen, wann er wo frisch serviert wird. Im Idealfall weißt du als Kunde, dass dein Lieblingsfischrestaurant seine Lieferanten gut kennt und mit ihnen ein partnerschaftliches Verhältnis pflegt und so stets für frische und hochwertige Erzeugnisse sorgt.

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Als wir damals unser nachhaltiges Fischrestaurant samt Fischtheke aufgemacht haben, hielten uns einige Leute (vor allem in Boston) für ziemlich verrückt. Es ist ein hartes Geschäft, dein Arbeitstag ist lang und die Gewinnmargen sind äußerst überschaubar, da hochwertige und frische Meeresfrüchte und Fische schon im Einkauf teuer sind. Aus diesem Grund greifen viele Restaurants auf massenproduzierte Zuchtfische aus Asien zurück. Hier kannst du definitiv höhere Margen erzielen, dafür lässt die Qualität der Erzeugnisse auch zu wünschen übrig.

Du bekommst an fast jeder Ecke Garnelen-Gerichte für umgerechnet 6 Euro, musst dafür aber auch damit rechnen, dass sie in Verbindung mit sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen in Thailand stehen. In unserem Lokal verwenden wir hingegen Garnelen, die uns im Einkauf teuer zu stehen kommen. Dafür bekommen wir wild lebende Exemplare aus South Carolina, die köstlich schmecken und besonders groß ausfallen. Wir machen zwar aus ihnen auch Ceviche und Shrimp-Cocktails, doch die meisten Garnelen landen bei uns für köstliche Tacos auf dem Grill. Und ja, sie sind teuer, weswegen Kunden, wenn sie die Speisekarte aufschlagen, erstmal voller Erstaunen „Wow, ganz schön viel Geld für Garnelen" raushauen. Die Wenigsten wissen jedoch, dass sie unsere Garnelen preislich mit asiatischen Zuchtgarnelen vergleichen, die—abgesehen von den bereits erwähnten Arbeitsbedingungen—mehrfach tiefgefroren geliefert werden. Soviel zum Thema Frische. Garnelen gehören mittlerweile zu den beliebtesten Meerestieren Amerikas, neben Lachs. Ziemlich schade, wenn du bedenkst, dass es kaum noch wild lebenden Atlantischen Lachs gibt.

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Viele Leute haben die Tendenz, Fischzucht prinzipiell abzulehnen, dabei gibt es durchaus auch gute Anlagen (auch wenn sie die Ausnahme darstellen). Die beste Fischzucht ist aber die, die am Land in geschlossenen Wasserkreislaufsystemen—und nicht etwa im Meer oder in Flüssen—betrieben wird. Auf diese Weise kann kein Fisch ausbüxen, weswegen auch keinerlei Gefahr besteht, dass sich Krankheiten und genetische Veränderungen auf Wildpopulationen ausbreiten können. Ein weiteres Problem bei Fischzuchten besteht darin, dass es bei Lachsfarmen etwa zu sehr großen Abfallmengen auf einer sehr kleinen Fläche kommt, was zu Algenblüten führt, dem Wasser Sauerstoff entzieht und alles in der näheren Umgebung umbringt. Mancherorts kommen deswegen Muschelfarmen zum Einsatz, die sich von den Abfällen ernähren und gleichzeitig das Wasser filtern und säubern.

Wir müssen endlich verstehen, dass es auch bei Fischen Schonzeiten gibt, die einzuhalten sind. Darum können wir als Verbraucher nicht erwarten, einen bestimmten Fisch das ganze Jahr über kaufen und essen zu können.

Die Menschen haben keine Ahnung davon, wo ihr Fisch herkommt. Dabei ist das ein wichtiger Punkt. Viele Leute wissen, wann die Saison für bestimmte Obst- und Gemüsesorten ist und richten sich beim Einkauf danach, kaufen aber gleichzeitig das ganze Jahr über Lachs ein. So ist es wenig überraschend, dass mittlerweile pro Pfund Farmlachs mehr als ein Pfund Futterfische nötig sind. Warum lassen wir also den Lachs nicht einfach mal einige Monate pro Jahr in Ruhe und futtern stattdessen lieber sogenannten Futterfisch? Oder probieren mal den Seesaibling. Der ist auch sehr lecker und ähnelt Lachs im Geschmack.

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Wir müssen endlich verstehen, dass es auch bei Fischen Schonzeiten gibt, die einzuhalten sind. Darum können wir als Verbraucher nicht erwarten, einen bestimmten Fisch das ganze Jahr über kaufen und essen zu können. Schließlich lassen wir ja auch Felder brach liegen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Fischstände erholen können, etwa indem sie die nötige Zeit bekommen, um zu laichen. Wenn du hingegen so viel und so schnell fischst, wie es nur geht, steigt die Gefahr, dass du auf diese Weise ganze Fischarten ausrottest. Darum nennen wir unseren im Restaurant integrierten Fischmarkt auch einen nachhaltigen und saisonalen Markt. Fast steht: Nachhaltigkeit ist schwer umzusetzen, solange die Nachfrage das Angebot und die natürliche Fortpflanzung der Fische übersteigt. Wir sind aber mit unserer Lösung und unserem Angebot sehr zufrieden. So stehen bei uns beispielsweise Jakobsmuscheln, die vor Nantucket gefangen werden, auf der Speisekarte. Diese können nur zwischen November und März gefangen werden. Sie schmecken süß, sind butterweich und einfach der helle Wahnsinn. Wir und unsere Gäste sind regelrecht verrückt danach.

Restaurants zögern oft mit der Entscheidung, neue Gerichte auf die Speisekarte zu setzen, und wir wissen nur zu gut, warum. Wenn die Leute in ein gutes Restaurant gehen und für 25 Euro ein Fischgericht bestellen, wollen sie in der Regel etwas, das ihnen vertraut ist—Heilbutt, Schwarzer Seehecht oder eben Lachs. Darum wirst du als Küchenchef darauf achten, dass die Leute für ihr Geld etwas bekommen, das sie wiedererkennen. Unser Restaurant ist einmalig, da wir ein echtes Paradies für unbekannte und exotische Fischarten sind. Unsere Knurrhähne sehen echt verrückt aus und jeder will sie bei uns mal probieren. Dabei haben sie echt viele Gräten und bieten nicht so viel Fleisch, schmecken dafür aber köstlich. Sie sind angenehm süßlich im Geschmack, aber eigentlich nur Beifang, der wieder über Bord geworfen wird. Mittlerweile gibt es jedoch schon eine ganze Bewegung, die sich für sogenannten Trash Fish stark macht.

Immer mehr Leute entdecken den Feinschmecker in sich und zeigen sich bereiter denn je, neue Fischarten auszuprobieren. Diese neue kulinarische Vielfalt wird unserer Umwelt im Allgemeinen und den Fischbeständen im Besonderen zugute kommen, indem wir endlich mehr als nur Dorsch und Lachs bestellen. In diesem Zusammenhang müssen auch Köche mehr auf die Abenteuerlust und Neugier ihrer Kunden vertrauen, indem sie neue und spannende Fische auf ihre Speisekarte setzen. Dabei kann es sich als hilfreich erweisen, den Leuten Hintergrundinformationen an die Hand zu geben. Wo der Fisch etwa herkam, wie er gefangen wurde und so weiter.

Einer meiner Mitarbeiter hat zuvor auf einem Wochenmarkt einen Fischstand gehabt. Eines Tages ist ein Kind vorbeigelaufen und meinte verdutzt zu ihm: „Was ist denn das?" (es war ein Rochen, der ziemlich grimmig dreinschaute). Dann wollte es wissen, ob man das auch essen kann. Am Ende hat der Junge das ganze Stück verputzt. Je ausgefallener und seltener der Fisch ist, desto eher wollen die Leute ihn probieren, wohl auch deswegen, um sich damit brüsten zu können. Was auch immer die Motive im Einzelnen sein mögen, dieser Trend kommt dem Gedanken von saisonaler und nachhaltiger Ernährung auf jeden Fall zugute.

Bei uns wird Wert darauf gelegt, dass die Kunden nicht nur leckeres Essen bekommen, sondern auch mit neuen Erkenntnissen unser Restaurant verlassen. Wir wollen nämlich, dass die Leute mehr über Meeresfrüchte und Fische lernen, und möchten sie in diesem Sinne ermutigen, ganz neue Fischarten auszuprobieren. Wir finden es zudem wichtig, den ganzen Fisch zu verarbeiten. Nimm also nicht nur das Filetstück, sondern auch das Fischskelett, um daraus eine Brühe zu machen. Und stell sicher, dass Fisch zu einem regelmäßigen Bestandteil deiner Ernährung wird. Denn wir sind überzeugt davon, dass Fisch nicht nur gesünder und sicherer als Hähnchen-, Rind- und Schweinefleisch ist, sondern außerdem leichter in der Zubereitung. Meeresfrüchte und Fische haben einen schlechten Ruf, weil sie Leute angeblich krank machen. Dabei war in vielen Fällen wahrscheinlich einfach nur der Kopfsalat aus dem Supermarkt schlecht, der zum Fisch serviert wurde.

Adam Geringer-Dunn und Vinny Milburn sind Inhaber vom Greenpoint Fish & Lobster Co. in Brooklyn.