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Käse

Habt keine Angst vor Rohmilchkäse

Die Leute haben Angst vor allem, was nicht in Folie verpackt ist und einen Strichcode hat. Nur in der Käsewelt schwimmt man in Rohmilch und das sollte bitte so bleiben.

Du kannst nichts außer Grünzeug und Trauben essen, und die Leute glauben, du lebst gesund. Du kannst komplett auf das Kauen verzichten und all deine Nahrung in flüssiger Form zu dir nehmen und du giltst als progressiver Ernährungsfachmann. Du kannst Zucker ignorieren, Koffein töten oder Gluten schlachten. Es gibt da draußen unzählige Ernährungstrends.

Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich im Bereich der Lebensmittel ein Klima der Angst immer breiter gemacht. Die Leute haben eine eigenartige Abneigung gegen alles, was nicht in Schrumpffolie verpackt ist und einen Strichcode drauf hat, entwickelt. Klar, es gibt einige Leute, die verstehen, dass Steak etwas Großartiges ist—solches von Kühen, die auf echten Wiesen gegrast und frische Luft eingeatmet haben, nicht von ihren mit Antibiotika vollgepumpten Cousins.

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Währenddessen hat sich auch eine Bewegung in Richtung Rohkost gebildet, die besonders in der Käsewelt viele Anhänger hat. Wir, im Käseuniversum, schwimmen sowohl im rohen als auch im pasteurisierten Zeug.

Um eurer Erinnerung ein bisschen auf die Sprünge zu helfen: Pasteurisierung ist der Prozess, bei dem Milch 15 bis 30 Sekunden lang auf 60 bis 75°C erhitzt wird. Monsieur Pasteur hat nämlich schon vor ganz langer Zeit Bakterien in der Milch entdeckt und auch herausgefunden, wie man sie töten kann.

Die amerikanische Lebensmittelbehörde versucht derzeit gerade Rohmilchkäse in den USA zu verbieten—sowohl im Land hergestellter als auch importierter. Das würde das Aus fürunersetzlichen Parmesan bedeuten, der, so wie auch Greyerzer oder Sbrinz immer aus Rohmilch hergestellt wird. Pasteurisierte Milch schmeckt meiner bescheidenen Käsehändlermeinung nach ziemlich beschissen. Wenn man etwas pasteurisiert, gehen viele Nährstoffe wie Vitamin A verloren, die man irgendwie wieder ersetzen muss. Käse aus pasteurisierter Milch muss natürlich nicht immer schlecht sein, genauso wenig wie Käse aus Rohmilch immer super ist. Alles hängt natürlich auch vom Käsehersteller ab. Aber ich mir Sorgen um die Angst vor Rohmilch.

Käse ist etwas Lebendiges und man muss vorsichtig damit umgehen. Die industrielle Landwirtschaft hat aber nicht die Zeit, um mit Dingen vorsichtig umzugehen, also verzichtet sie lieber darauf. In den letzten Jahren gab es drei Fälle, in denen Leute an Listeriose erkrankten. Die Milch war durchaus pasteurisiert, aber es wurde vermutlich falsch damit umgegangen—wie wenn die Kühlkette unterbrochen wird—oder sie wurde in einer Einrichtung abgefüllt, in der auch rohes Hähnchenfleisch verarbeitet wird, oder jemand hat in den Bottich gepisst. Wer weiß.

Während Leute von Spinat sterben, der auf gigantischen industriellen Farmen mit verdreckten Bewässerungssystemen gezüchtet wurde, ist die Lebensmittelüberwachung- und Arzneizulassungsbehörde der USA damit beschäftigt, die Aufmerksamkeit auf die kleinen Käseproduzenten zu richten.

Das ist absurd. Sterilität bedeutet Geschmacklosigkeit und den Verlust von Vielfalt. Die armen Amerikaner!

Mehr zum Thema: Rohmilch vs. pasteurisierte Milch—eine Käsekampf in vier Runden