Unprätentiöse Imbisse: Thaiwiese im Preußenpark
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Imbiss

Unprätentiöse Imbisse: Thaiwiese im Preußenpark

Machen wir uns nichts vor, thailändisches Essen kann man in der Regel in Deutschland komplett vergessen! Deshalb hat sich auch Ada Blitzkrieg den Preußenpark einmal näher angeschaut.

Street Food ist meine Schwester und ich schütze ihre Ehre. Für Munchies bin ich deswegen ab sofort regelmäßig auf geheimer Mission in der Hauptstadt unterwegs, um genau die Spots ausfindig zu machen, die für kleines Geld perfektes Essen bieten. Unprätentiös, kostengünstig und schmackhaft - das wahre Street Food Berlins.

Hand auf's Herz, an diesem Wochenende waren wir im Grunde doch alle irgendwie total gleich gepolt: Nach dem Aufwachen mussten wir vergnügt feststellen, dass wir zwar einen derben Kater vom trockenen Riesling hatten, der Frühling draußen aber ziemlich unbeeindruckt von unserem egozentrischen Gejammer in vollem Gang war. So verließen wir, vorerst mit unseren Dröhnschädeln versöhnt, das Haus mit einem debilen Grinsen in der Fresse um den Hunger irgendwo auf der Straße zu stillen. Was uns aber sehr wohl zu diesem Zeitpunkt unterschied, war die Tatsache, dass ihr euch im weiteren Verlauf des Tages zu euren Trendspots nach Neukölln gewuchtet habt, um dort für einen zweistelligen Betrag ein "Artisan Bread with Eggs Benedict" zu essen, das zeitgleich auch der "Signature Dish" eures "Lieblingsfooddealers" ist, und ich mir lediglich die Haare eilig mit einem handelsüblichen Haushaltsgummi zusammengeschraubt habe, um dann Richtung Preußenpark zu fahren, wo ich mein Glück für unter 10 Euro in Fischaugen und süßer Kondensmilch fand.

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Machen wir uns nichts vor, thailändisches Essen kann man in der Regel in Deutschland komplett vergessen! Das sage ich nicht, weil ich thailändisches Essen an für sich nicht mag, sondern weil ich es in Deutschland schlichtweg nicht ertragen kann. Die vielen Restaurants und Imbisse machen zwar einen ehrbaren Job was Frische und Zuverlässigkeit anbelangt, haben aber die Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht! Problematik, die daraus resultiert, dass sie in erster Linie für eine deutsche Klientel kochen, welches bei einer regulären Currywurst schon von "Schärfe" spricht und schlichtweg nicht weiß, dass getrockene Krabben auch als Gewürz gehandhabt werden können. Wenn der Deutsche vom Thai-Essen träumt, dann sieht er vor seinem inneren Auge Reis mit rotem Curry, Hähnchenbrust und im Wok angebratene Karotten. Niemand weiß hier, dass man bei einem frittierten Fisch selbstverständlich auch die Augen mitessen kann und danach bestenfalls nicht vergessen sollte den Glaskörper wieder auszuspucken. Aber die Thaiwiese schafft zum Glück Abhilfe. Wer dort nicht nur mampft, sondern sich mit den Persönlichkeiten hinter den Ständen unterhält, lernt viel über die landestypische Küche. Wer sich auf Schärfe und verrückte bunte Getränke mit Glibberwürmern aus Gelantine einlassen kann, wird eine gute Zeit haben, denn hier kochen Thailänder für alle Interessierten thailändische Küche und genau das unterscheidet die Thaiwiese von den unzähligen anderen Restaurants: Ihre Zielgruppe ist nicht deutsch.

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Der Ort:

Thaiwiese? Wie das nun wieder klingt. Preußenpark? Auch nicht viel besser. Da war wohl ein echter Pragmatiker bei der Benennung der Grünfläche am Werk. Sagt mir gleich zu, denke ich mir, denn der Name ist in der Tat Programm. In diesem preußisch gepflegten Park treffen im Frühling und Sommer samstags und sonntags zwei Welten aufeinander und die Begegnung funktioniert überraschend gut. Die Diffusion läuft zwischen hungrigen Berlinern und der thailändischen Community Berlins ab. Unzählige Hobbyköche mit asiatischen Wurzeln schlagen ihre Decken und kleinen Stände auf und versorgen Freunde und Unbekannte mit hausgemachten Köstlichkeiten, wie Kimchi, Sommerrollen oder gedämpften Buns. Es wird frittiert was das Zeug hält. Die Fische schimmern golden in der Sonne. Eine kleine Frau mit Strohhut schüttet Honig über Bananen. Im Hintergrund hört man die Crunsh-Geräusche eines Mörsers, der immer wieder Panzer von kleinen Krebsen und Garnelen zertrümmert und irgendwo dazwischen wirft man seine Picknickdecke achtlos auf den Boden und zieht mit Portemonnaie und Heißhunger zwischen den Ständen hin und her, um sich die leckersten Köstlichkeiten zu sichern.

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Die Klientel:

Eigentlich der Traum jedes bekifften Ethnologiestudenten. Zwischen bunt gemusterten Folkloredecken, auf denen die emsigen Köche im Schneidersitz knien, hocken Touristen und Urberliner, Alte und Junge, Grüppchen und Singles und schnacken mit den Köchen, essen Reisbällchen mit den Händen oder streicheln ihre Hunde oder Lebenspartner. Etwas verwunderlich ist nur, dass die meisten Stände nicht den Köchen unterliegen, sondern einer eigens dafür dedizierten Person, die nichts anderes tut als mit ernster Miene abzukassieren. Diese Person ist häufig über 50, weiß und männlich. Man versteht es nicht wirklich.

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Das Gericht:

Wer auf der Thaiwiese rumlümmelt und sich nur ein einziges Gericht kauft, hat vermutlich einen riesigen Dachschaden, ist empfindlich essgestört oder eben doch nur eine kleine Mimose was scharfe Würzungen und ungekühlte Fische angeht. Am besten man findet sich dort lieber direkt mit einer großen Gruppe hungriger Freunde ein, teilt einen Joint und wandert dann mit glasigen Augen an den vielen Ständen entlang um sich von überall etwas zu nehmen. Beladen mit dem Mampf, tingelt man dann zurück zur Picknickdecke und stellt alles in die Mitte. Teilen ist toll, glaube ich zumindest, denn ich habe selbstverständlich keine Freunde mit denen ich meine erbeuteten Köstlichkeiten teilen könnte. Also esse ich alleine und lasse dabei den Blick über die inzwischen gut mit Besuchern gefüllte Wiese schweifen. Vielleicht sollte ich mir einen Hund kaufen, denke ich mir, aber der verträgt so viel Scharfes vermutlich gar nicht gut und das wäre dann letztlich auch nur ein Minuspunkt. Ich schlage also vor, pro Person mindestens drei oder vier Gerichte zu holen und auf keinen Fall den Nachtisch auszulassen: Glibberige Glibberbrocken, glibberige Tapioca und undefinierbare Apfelstücke in noch mehr Glibber, die in Sirup und süßer Kondensmilch serviert werden und dafür sorgen, dass sich die Pupillen sichtbar weiten.

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Im Grunde kann man mit bei der Wahl des Essens nichts falsch machen. Die Stände haben alle Festpreise, die man sich erfragen muss und in der Regel ist nichts teurer als vier Euro. Ich packte mir zwei frittierte Krebsscheren, einen Papayasalat mit zerstoßenen Krebsen, Gyoza und zwei frittierte Fische rein.

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Tipps:

Auf jeden Fall eine Picknickdecke und Weed mitnehmen und versuchen sich mal ernsthaft locker zu machen. Dazu gehört auch mit den Händen zu essen und mit den Menschen hinter den Ständen zu reden. Empfehlenswert ist es, wenn man mutig die irssinnigsten und fremdartigsten Gerichte auswählt und sich nicht auf Altbekanntem ausruht. Denkt daran, wenn ihr aus Gewohnheit doch wieder erstmal nur die Schweinefleisch gefüllten Teigtaschen auswählt, die euch bei eurem "Chinamann" am besten schmecken. Was für ein Unwort.

Preis:

Muss individuell an jedem Stand erfragt werden. Meist unter 4 Euro.

Samstag und Sonntag 10 - 20 Uhr

Fehrbelliner Platz

10707 Berlin Wilmersdorf