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Eine Liebeserklärung an Japan und seinen Whisky

John deBary erklärt uns, warum Japan sein absolutes Lieblingsland ist, was es mit seiner Vorliebe für japanischen Whisky auf sich hat und welche Rolle dabei 15.000 schreiende Japaner gespielt haben.
Photo via Flickr user Kusabi

John deBary ist Barchef im Momofuku.

Ich habe eine besondere, wenn auch ungewöhnliche Verbindung zu Japan. Mein Großvater war dort nach dem Zweiten Weltkrieg stationiert und nach seiner Rückkehr studierte er und wurde Professor für Ostasienstudien. Mittlerweile ist er 95 und unterrichtet immer noch an der Columbia University. Mein Vater hat die siebte Klasse auf einer Mittelschule in Kyoto verbracht und meine Eltern sind mit mir und meinem Bruder zum ersten Mal nach Kyoto gefahren, als ich 13 war. Meine Verbindung—und die meiner Familie—zu Japan ist also sehr eng.

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Mein erstes Mal in Kyoto war so cool. Wir waren in den Bergen wandern, sind zum Fluss runter und haben uns uralte Schreine und Tempel angeschaut. Ich war sofort hin und weg. Daraufhin habe ich mir in meiner Freizeit selber Japanisch beigebracht, indem ich eifrig Dragon-Ball-Z-Comics verschlungen habe—ich war als Kind wohl etwas nerdy. Auf dem College habe ich meine Abschlussarbeit über die Öffnung Japans gegenüber der Weltgemeinschaft in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts geschrieben. Denn zuvor hatte sich das Land von der Außenwelt abgeschottet. Dann haben sie ihre Grenzen geöffnet und wurden zu einer echten Weltmacht. Kurzum: Mich hat schon immer die Verbindung Japans mit dem Rest der Welt interessiert.

Nach meinem Studium habe ich dann für eine kurze Zeit in Kyoto gelebt. Mein Verlobter war nicht wirklich interessiert daran, nach Japan zu ziehen. Doch wenigstens kam er mich für ein paar Wochen besuchen. Eines Abends wollten wir zusammen in eine Bar gehen. Also haben wir uns aufgemacht Richtung Ponto-chō, einem alten Vergnügungsviertel, das am Flussufer des Kamo liegt. Das war vor rund sieben oder acht Jahren. Damals hatte ich noch nicht die Absicht, Bartender zu werden und wusste auch nicht viel über Spirituosen. Genauer gesagt ging mein Whisky-Wissen über Jack Daniels nicht hinaus.

Auf Empfehlung eines Freundes sind wir an dem Abend in dieser einen Bar gelandet. Als ich ihre Getränkekarte aufschlug, standen da plötzlich 400 Whiskys zur Auswahl. Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten, dass man aus Whisky genauso eine Wissenschaft machen kann wie aus gehobener Küche oder edlen Weinen. Aber egal, ich wollte ja eh kein Bartender werden, sondern vielmehr Jura studieren oder irgendeinen anderen „intellektuellen" Job ausüben. Mit anderen Worten: eine klassische Karriere hinlegen.

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Hier geht's zum Rezept von John deBarys legendärem Mountainside

In Kyoto gab es einen Tempel mit diesen berühmten orangenen Toren, an denen ich fast täglich vorbeigejoggt bin. Von da aus führte ein Weg den Berg hinauf und oben angekommen hattest du einen tollen Ausblick über die gesamte Stadt. Ich hatte gehört, dass in Japan Silvester ganz anders gefeiert wird als in der westlichen Welt. Mein Freund und ich wussten nicht so richtig, was uns erwarten würde—schließlich ist Silvester bzw. das Neujahrsfest der größte und wichtigste Feiertag in Japan. Und dieser Tempel hatte den Ruf, ein bisschen wie der Times Square zu ein—so ziemlich jeder will dort reinfeiern.

Wir standen also um zehn auf der Matte und haben uns die Tempelanlage angeschaut. Doch zu unserer Überraschung war niemand da. Ein ungutes Gefühl beschlich uns. War vielleicht gar nicht der 31. Dezember? Verwirrt suchten wir die Anlage nach anderen Leuten ab und gelangten so zum Hauptplatz des Tempels. Erst da fiel uns auf, dass wir schon längere Zeit nicht mehr auf die Uhr geschaut hatten. Als ich mein Handy rausholte, sprang in dem Moment die Uhr von 23:59 auf 00:00 um: Neujahr! Und mit einem Mal strömten 15.000 schreiende Japaner aus allen Richtungen auf den Platz. Da verstand ich, dass den Menschen in Japan der Countdown zum Verabschieden des alten Jahres ziemlich egal ist—stattdessen freuen sie sich einfach nur auf einen Neustart. Sie haben sogar ein eigenes Wort dafür, wenn sie im neuen Jahr zum ersten Mal wieder zur Arbeit gehen oder sich zum ersten Mal wieder mit einem Freund unterhalten. Und das hat mich auch daran erinnert, wie sie in Japan Whisky herstellen. Sie bedienen sich dafür auch verschiedener traditionsreicher Herstellungsmethoden, ohne deswegen groß nostalgisch zu werden. Es geht schließlich darum, etwas Neues zu schaffen, das dir gleichzeitig auch irgendwie bekannt vorkommt. Dabei legen sie stets ein extrem hohes handwerkliches Know-how an den Tag.

Ich habe im PDT drei Monate nach meiner Rückkehr aus Japan als Bartender angefangen. Ich hatte zu der Zeit keinen Job und habe mich deswegen auch in einigen Bars beworben. Bis ein paar Personen der Meinung waren, dass ich selbstbewusst genug wäre, um hinter der Bar zu arbeiten. Nach einer Weile habe ich angefangen, meine eigenen Drinks herzustellen. Als mir dann auch wieder japanischer Whisky in den Sinn kam, musste ich einfach meine Liebe für Japan mit meinem Job hinter der Bar verbinden. Heute ist in vielen meiner Lieblingscocktails japanischer Whisky nicht mehr wegzudenken. Im Ma Pêche haben wir einen, den ich Mountainside" (auf Deutsch: Bergwelt") getauft habe. Er gehört mit zu den ersten Drinks, die ich für das Momofuku erfunden habe.

Als ich noch in Japan lebte, befand sich meine Wohnung ganz in der Nähe der Yamazaki-Destillerie, die wohl einen von Japans bekanntesten Whiskys herstellt. Yamazaki bedeutet übersetzt Bergwelt". Wie du siehst, bin ich ein Freund der wörtlichen Übersetzung, wenn ich meinen neuen Cocktails einen Namen geben muss. Ich hatte vor rund einem Jahr eine Verkostung beim Brenner der Yamazaki-Destillerie. Dabei hat er mir erzählt, dass er auch beim Trinken eines 12 Jahre alten Whiskys aus seinem Haus noch ganz genau weiß, was sie damals für Eichenfässer benutzt haben oder welche Gerstensorte zum Einsatz kam. Irgendwie ein beruhigender Gedanke, finde ich.

_Aufgezeichnet von _Hilary Pollack__

Oberes Foto: Kusabi | Flickr | CC BY 2.0