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Es klingt komisch, aber in Deutschland wird gerade zu viel gefeiert

Wegen eines neuen Gesetzes und eines prallen Partykalenders steht gerade nicht nur der Karneval der Kulturen auf der Kippe.

Der Karneval der Kulturen in Berlin 2016. Foto: imago/Bernd König

Für viele Menschen gehört es schon fast zur Normalität, dass der Karneval der Kulturen bzw. dessen Ausrichtung jedes Jahr aufs Neue fraglich ist. In den letzten Jahren machte meistens das liebe (Förder-)Geld Probleme bei der Austragung des größten Straßenfestes Berlins. In zwei Monaten soll es wieder einen Umzug durch die Straßen der Hauptstadt geben. Allerdings gibt es für die Veranstaltung vom 2. bis 5. Juni laut einem Bericht der Berliner Zeitung nun ein neues, bisher unbekanntes Problem: Die Veranstalter finden nicht genügend Sicherheitspersonal für das Fest.

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Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens finden parallel oder kurz davor andere Großveranstaltungen wie der Kirchentag, das deutsche Turnfest oder Rock am Ring statt. Zweitens wurde per 1. April das sogenannte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert, das nicht nur die Arbeit von Sicherheitsdienstleistern, sondern auch der gesamten Veranstaltungsbranche erheblich verändert.

Arbeitnehmerüberlassungswas? Keine Panik, das ist ganz einfach. Das Gesetz regelt Leiharbeitsverhältnisse. Falls du vergessen hast, was das ist: Davon spricht man, wenn eine Agentur einer Firma ihre Arbeitnehmer verleiht und dafür eine Rechnung stellt. Oft verdienen die Leiharbeiter dabei deutlich schlechter als die Festangestellten der Firma, an die sie verliehen werden. Das neue Gesetz will erreichen, dass Leiharbeiter und Festangestellte gleich bezahlt werden Leiharbeitsfirmen brauchen ab 1. April außerdem eine Genehmigung für die Verleihung von Arbeitnehmern.

Veranstalterbranche hat mit dem Gesetz zu kämpfen

Arne Fritsche sieht das neue Gesetz mit gemischten Gefühlen. Fritsche ist Geschäftsführer der PTB Sicherheitsmanagement GmbH, einem der Dienstleister, die den Veranstaltern des Karnevals absagen mussten, weil sie kein Personal mehr zur freien Verfügung hatten. Einen solchen Engpass von Sicherheitsleuten hat er in seiner Berufslaufbahn noch nicht erlebt, wie er im Gespräch mit THUMP erzählt. Bisher wurden in solchen Fällen einfach Leiharbeiter beschäftigt, mit der Gesetzesänderung "gibt es allerdings zu wenig Firmen, die diese [oben bereits angesprochene] Genehmigung haben – somit auch kaum zu entleihendes Personal."

Fritsche weiter: "An sich ist das Gesetz super, weil es für eine fairere Bezahlung sorgt. Für die Veranstaltungsbranche ist es aber schwierig, weil wir temporär und flexibel planen müssen." Dennoch sieht er auch gute Aspekte: "Langfristig könnte es sich auf unsere Branche positiv auswirken. Denn viele Firmen, die Lohndumping betreiben und keine professionellen Leute beschäftigen, fallen raus." Der Karneval der Kulturen komme einfach noch zu früh. Da das Gesetz neu ist, gibt es noch keine Erfahrungswerte. Die Angst ist groß, gegen eine der neuen Regelungen zu verstoßen, in dem man einen Leiharbeiter zum Beispiel falsch anmeldet. Denn bei Verstoß drohen unter dem neuen Gesetz Geldstrafen zwischen 30.000 und 500.000 Euro – für den Beschäftigenden.

Fritsche sieht auch Probleme auf die Clubs in Deutschland zukommen, da das neue Gesetz alle möglichen Arbeitsbereiche betreffe, von der Putzfrau bis zum Tontechniker. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Clubs das schon auf dem Schirm haben", merkt er an. Bisher konnten Clubs und Großveranstaltungen seiner Erfahrung nach nur so gut funktionieren, weil es ein Geflecht aus Kooperationspartnern gab, das nun wegfallen könnte.

Die Veranstalter des Karnevals der Kulturen haben sich derweil an die Bundesagentur für Arbeit gewandt, um eine Lösung für das Problem zu finden.

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