Was bisher geschah: Der Gitarrist und Sänger Sebastian erklärt sich aus unerklärlichen Gründen dazu bereit, die Bosstransformation, das dreimonatige Fitnessprogramm von Kollegah, für uns zu durchlaufen. Nach den ersten Wochen geht das Gejammer los: Alles tut weh, das Essen schmeckt nicht, das ist ja richtig Arbeit hier. Und heute? Was macht der Bizeps? (Hintergründe und der Anfänge des Tests können hier nochmal nachgelesen werden.)
So, Freunde, Halbzeit. Wenn ich Kollegahs Motivationsvideos Glauben schenken darf, ist er stolz auf mich. Und das völlig zu Recht. Ich stemme, beuge, hantele und stopfe mich seit zwei Wochen durch Phase zwei des Kollegah-Topform-Programms, weise Erfolge vor und freue mich über Erleichterungen.
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Vor allem im Speiseplan macht Phase zwei vieles einfacher. Drei Mahlzeiten pro Tag—Frühstück, Mittag, Abendessen—mit wohldosierten Kohlenhydratlieferanten und genug Spielraum für ein paar Tweaks und Tricks. Probieren Sie meine Bircher Bossdekonstruktion! Die Chilinudel-Putenpfanne mit frischen Schoten! Essen, das nicht nur Muskelrohstoffe liefert, sondern nach Belohnung schmeckt. Aber bitte vorher anmelden, das muss alles gewogen werden!
Neue Phase, neuer Trainingsplan: Mehr Gewichte, längere Pausen, Aufteilung in Push-, Pull- und Beintag. Drücken, reißen, treten. Die Schmerzen dabei: praktisch weg. Was zunächst gewöhnungsbedürftig war, weil Arme und Beine sonst immer „Du hast ordentlich was geleistet” funkten, sobald man mal eine Treppe runtergehen oder den Eiweißpamps vom hohen Regal holen wollte. Das fehlt nun, aber dafür: Optik, Stahlhärte, einzwei feine Zahlen.
Die harten Fakten
Tatsächlich hat sich seit der letzten Messung gar nicht so viel getan an Bauch und Bizeps. Links zieht mit rechts gleich auf 37, der Körper geht ein Kilo runter auf 84, die Taille bleibt gleich. Aber dafür findet eindeutig ein Austausch von Fett gegen Muskeln statt. Trizeps statt Winkfleisch.
Und checken Sie dies: Brustumfang ursprünglich 101, dann auf 98 runter, jetzt rauf auf 107. Ich soll schön von der Hantelbank grüßen.
„Reicht jetzt. Du siehst total gut aus und solltest am besten JETZT aufhören”, sagte schon vor zwei Wochen eine Frau aus meinem nächsten Bekanntenkreis zu mir. Aber davon kann selbstverständlich keine Rede sein, solange sie nicht mit Scheidung droht. Oder wie Tourtrainingsbegleiter Benny meinte: „Sie sagen immer, dass es jetzt reicht. Aber dann nehmen sie doch gern mehr.” Kollegah hätte das nicht schöner sagen können. Höchstens doubletime.
Soviel zum Körperzustand. Aber hier geht es ja nicht nur um mich, sondern auch um’s Programm. Bosstransformation.com betont schließlich, dass jeder—JEDER!—hier zur besten Form seines Lebens kommen kann. Abgesehen von der klaren Ausrichtung auf Menschen mit Penis kann ich da im Grundsatz nicht widersprechen. Aber es gibt eindeutig Faktoren, die den Zugang erleichtern:
- Keine oder eine sehr verständnisvolle Familie
- Hobbys mit Pausetaste
- Pragmatische Einstellung zur Nahrungsaufnahme
- Fester Wohnort
- Eine gesunde Balance aus Disziplin und Gelassenheit
Letzteres soll heißen: Natürlich bist du ein geil disziplinierter Typ, wenn du dir nach dem letzten Meeting um 22:00 Uhr noch das komplette Pullprogramm reinfährst. Auf Dauer aber verderben dir Schlafmangel und Stress die Laune—und schlechte Laune schmälert den Erfolgsgenuss. Nimm das Rad nach Hause, schlaf dich aus, hol den Kram bei der nächsten Gelegenheit nach. Sage ich. Was Kollegah dazu sagt, kann nur Kollegah sagen.
Den festen Wohnort wiederum habe ich gerade für zwei Wochen aufgegeben, um als Mitglied der Bands Petula und Clickclickdecker durch den Süden zu touren. Und den Gelassenheitsspielraum der Bosstransformation auszuloten.
Natürlich kann dabei nicht alles nach Plan laufen. Solange du noch nicht auf dem Level der „Braune M&Ms aussortieren!”-Forderungen agierst, werden dir die wenigsten Veranstalter eigens abgewogene Mahlzeiten kredenzen. Und dein eigenes Süppchen kannst du sowohl buchstäblich als auch bildlich nur begrenzt kochen. There’s no I in Clickclickdecker Petula.
Also: Ernährungs- und Trainingsplan soweit erfüllen, wie es eben geht. Auf der A8 ist schlecht Nudeln kochen, Tiefkühlobst in Tupperbechern wird überraschend schnell zum Rumtopf und von Studio zu Studio, Hersteller zu Hersteller, Gerätezustand zu Gerätezustand wirst du gewaltige Unterschiede zwischen fünfzig Kilo („Hohoho, habt ihr nicht was Richtiges?”) und fünfzig Kilo („Nnnnnnnniiiiiiiaaarrrrrrgggggggauauauauaua!”) feststellen.
Also wink deinem Stammstudio in Berlin ein letztes Mal zu und nimm unterwegs, was du bekommst.
Überhaupt etwas zu bekommen, ist gar nicht so einfach: Viele Läden wollen Verträge, keine Eintagestouristen. Und das Passwort „Probetraining” funktioniert manchmal auch nur bis zu dem Moment, in dem du deinen Ausweis vorlegst. „Ach, Sie sind gar nicht von hier?” Und dann gibt es noch die Wellness-Esoterik- und Gymnastikanbieter, die dir die Suchergebnisse füllen und mit deinem Freigehantel so viel zu tun haben wie ein Hochzeitsessen mit einem Paprika-Spinat-Salat.
Aber irgendwie habe ich in den zwei Wochen dann doch nur einen Trainingstag verloren, der sich in den nächsten Tagen gut nachholen lässt. Und in unserem Techniker Benny einen Begleiter gefunden, der die richtige Mischung an Fitness-Know-How und blankem Neid auf meine Oberarme mitbrachte. Mentor und Fanboy in einem.
Die Tour bietet mir einen Querschnitt aus kleiner Privatbude und großer Kette, stylischem Gerätefuhrpark und zusammengeschustertem Trainingslager, beschämend netten Menschen und murrigen Inhaberkäuzen. Weit vorn dabei: Das SmileFit in Trier, das sich kurzentschlossen zu einem Probetraining hinreißen lässt und weder an Bennys noch an meinem Wohnort Anstoß nimmt, das uns mit Wasser und Energiegetränken abfüllt und dessen ältere Besucher mir schon mal unaufdringlich den Ellbogen stützen, eh mir die Hantel in die Fresse fliegt. Und vor dessen Fenster fast malerische Berge und das örtliche Popp-Haus dem Auge schmeicheln.
Zermürbend: Das TC Wasserturm in Neunkirchen, in dem nonstop die überflüssigsten Extended-Disko-Happy-Hardcore-Mixe aktueller New-Soul-Radiohits laufen. Und das eigene Getränke verbietet. Um vielleicht noch mehr nach Club zu wirken? Die Höhle des Löwen war aber das McFit in Reutlingen, das einzige Studio auf dieser Reise, das die vom Boss geforderte Reverse-Butterfly-Maschine anbietet. Aus einer Laune heraus probiere ich Spinning, hasse es und bekomme es direkt mit dem Social-Media-Team zu tun.
Die Konkurrenz- und Singlebörse: Das 4EVER Fitness in Chemnitz. Selten so massiv ausgecheckt worden, obwohl ich Benny als Blickableiter dabeihabe: Wie viel kann er stemmen? Wieviel kann er reißen? Könnten wir zusammen nicht noch mehr…? Und kennt er schon die first rule of Fit Club?
Mein persönliches Highlight aber bietet die Schweiz. Das Pro-Fit 2000 in Bern sieht auf den ersten Blick eher nach einem Gerätelager aus: verschiedene Typen verschiedener Hersteller, in abenteuerlichen Winkeln zueinander aufgestellt, zwischendrin etwa zehn kleine Trampoline zur Auflockerung. An den Kabelzügen Handspeck, die Polsterrisse mit Gaffa überklebt. Sieht also aus wie meine Gitarre, ist mir sofort sympathisch. Mittendrin der Chef, der sich alles anschaut, gelegentlich kommentiert und sonst so schelmisch lauernd und testend ist, wie es viele Schweizer sind, sobald sie einen deutschen Akzent hören. Ich reiße zwei Trainingstage runter, pendelnd zwischen neuesten Geräten und Exponaten des Fitnessmuseums.
Nun zurück nach Hause und ab in die zweite Hälfte: Programm optimieren, weiterwachsen, Rezepturen verfeinern. Den hässlichen Tourflaum wegrasieren. Und verstärkt auf Scheidungssignale achten.
Nächste Ausgabe des Selbsversuchs in drei Wochen: Was sagt eigentlich mein Arzt dazu?
Aktueller Transformationszustand
Highlight: Die Kinnlade eines Arbeitskollegen vom Boden aufheben, nachdem ich seiner Aufforderung zum Bizepszeigen nachkomme.
Lowlight: Asaf Avidan’s „Reckoning Song” im BollerbolleribizaUNDJETZTALLE-Remix auf Neunkirchens heißestem Dancefloor.
Bossfaktor: 8/10, sobald ich anspanne.
Symbolvideo:
Folgt Sebastian auf Twitter, um regelmäßige Updates zur Transformation zu bekommen—@petulapetula
Wenn er nicht gerade auf Tour ist, trainiert Sebastian mit freundlichster Unterstützung bei Die Körperschmieder in Berlin.
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