Was ist bloß aus dem Budenzauber in der Halle geworden?
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Was ist bloß aus dem Budenzauber in der Halle geworden?

Die Winterpause geht heute zu Ende und wieder gab es kein bedeutendes Hallenturnier. In den Neunzigern zauberten noch Bundesliga-Stars beim Hallen-Masters. Es war der natürliche Freiraum eines Mario Baslers.

Am Wochenende war Marco Delvecchio in Berlin. Der war mal italienischer Nationalspieler, schoss die 1:0-Führung im EM-Finale 2000 gegen Frankreich und blickt auf eine recht passable Karriere als Stürmer zurück. Seine letzten Tore als Profi schoss er 2007 für eine Mannschaft namens Ascoli Calcio. Nennen wir das Kind beim Namen: Delvecchio ist einer der vielen alten Säcke, die den Rest ihres Lebens mit dem Stempel „Ex-Fußballer" auf den immer schlaffer werdenden Waden verbringen werden.

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Delvecchio also war in Berlin. Nicht etwa, um in schicken Modeboutiquen seine Rente zu verkloppen oder in den Clubs der Stadt willige german Fräuleins mit seinem Italo-Charme klar zu machen. Sondern um Fußball zu spielen. Womit wir beim Dilemma wären, vor dem der einst so stolze Hallenfußball gegenwärtig steht. Schon seit Jahren hat sich ein Wandel vollzogen. Aktueller Zustand ist folgender: nur noch alte Männer mit mehr oder weniger glorreichen Karrieren von anno dazumal versuchen die Massen in die Hallen zu locken. Das nennt sich dann „AOK-Traditionsmasters" und behauptet stolz: „Fußball-Legenden live erleben!". Was an sich ok ist. Wenn es sich nur um echte Legenden handeln würde.

Stattdessen in Berlin: der AS Rom mit unvergessenen Idolen wie Max Tonetto oder Stefano Desidiri. Die Hertha mit Dariusz Wosz, Fredi Bobic oder Andreas Schmidt. Schalke mit Martin Max und Reiner Edelmann. Als wenn Wimbledon mit Helden von einst in die Arena lockt und dann Marc-Kevin Goellner Karsten Braasch eine Brille verpasst.

Marek Mintal, Fußballgott. Doch wo sind die Stars? Foto: Imago/Sebastian Wells

So lange ist das gar nicht her, da nannte sich der Hallenfußball selbstbewusst „Budenzauber", schickten die Bundesligisten tatsächlich ihre Stars auf den stumpfen Kunstrasen-Boden und ließen sich quirlige Offensivspieler von hüftsteifen Hünen in die Bande checken. Die Hallen waren groß und häufig voll. Und so ein Sieg beim „DFB-Hallenpokal" (coolere Variante: Hallen-Masters) bedeutete noch etwas. Bis heute prangt der Erfolg bei den Masters 1996 stolz neben der Meisterschaft 1966 und den Pokalsiegen 1963 und 1964 auf der Wikipedia-Seite vom TSV 1860 München.

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Typen wie Mario Basler ließen sich in den entscheidenden Phasen als Torhüter einwechseln und schossen dann die entscheidenden Dinger nach Alleingang von der Mittellinie. Eine Schande, dass Youtube in dieser Hinsicht nichts zu bieten hat, aber der Autor schwört Stein und Standbein, dass es tatsächlich so passiert ist.

Apropos Anarchie, apropos Basler: der wollte 1992, noch in Diensten von Hertha BSC, kurz mal für kleine Freistoßkünstler, als plötzlich Bremens Otto Rehhagel neben ihm auftauchte, Basler am Pissior verschwörerisch einen Zettel mit Telefonnummer und dem Hinweis „Um 20 Uhr anrufen!" zusteckte und mit den Worten „Niemand darf wissen, dass ich hier bin. Das ist eine geheime Mission!" wieder verschwand. Das Ende der Klo-Geschichte: Stunden später unterschrieb Basler einen Vertrag mit Werder. Ein ganz großes Bühnenstück der Budenzauberei.

Apropos fauler Zauber: 2000 gewann Borussia Mönchengladbach das Finale mit 3:2 gegen die SpVgg Greuther Fürth. Weil aber Gladbachs Quido Lanzaat nachweislich gedopt war, wurde die Partei mit 2:0 für die Fürther gewertet. Doping. Beim Hallenfußball. Heute hauen sich die alten Recken die frisch Gezapften rein. Versteht ihr jetzt, was ich meine?

Viel Spaß bei der weichen Landung auf dem Kunstrasen, Toni! Foto: Imago/Camera

2001 wurden die Hallen-Masters eingestellt. Und die große Zeit der gepflegten Indoor-Bolzerei war damit quasi vorbei. Die Topklubs schicken ihre Spieler nicht mehr in die Halle, höchstens zu handzahmen Kickereien mit Benefiz-Charakter. Der Fußball ist professioneller geworden. Und langweiliger. Die Sehnsucht der Fans nach ein wenig Spaß in der Halle besteht weiterhin. Also suchen sie sich halt Ersatz. Und wenn es bloß ein schnödes Jugendturnier ist. Oder halt doch die alten Säcke.

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Marco Delvecchio hatte in Berlin übrigens nicht so viel Spaß wie erhofft. Erst bekam er von Thomasz Waldoch, später von Andreas Wolf auf die Knochen. Der Budenzauber ist zu einer Treterei alter Männer verkommen. Wie traurig. Delvecchio hatte übrigens seine Herzensdame dabei. Die war schöner als alle Basler-Tore zusammen. Immerhin. Wäre der Mann doch bloß durch die Boutiquen gezogen.