Wir waren auf Schalke mit PAOKs legendärem Capo
Foto: Heinz Amann

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Wir waren auf Schalke mit PAOKs legendärem Capo

Christos wird von der berühmten PAOK-Kurve „Gate 4" nur „Anführer" genannt. Er war furchtloser Organisator und kreativer Liedermacher. Thessaloniki musste er verlassen, heute lebt er bei Düsseldorf. Er zeigte uns den Mythos PAOK.

„Da ist er. Christos, die Legende", platzt es neben mir aus meinem griechischen Begleiter heraus. Er blickt gefesselt auf einen Mann mit schwarz-grauem Haar, der munter auf unseren Ecktisch zusteuert. Ich sitze mit einem halben Dutzend aus Thessaloniki eingeflogenen PAOK-Fans bei einigen Altbier in einer Düsseldorfer Brauerei. Heute Abend trifft ihr Klub in Gelsenkirchen auf Schalke 04 im Europa-League-Rückspiel. Als Christos an unseren Tisch herantritt, haben sich schon alle ehrfürchtig von ihren Stühlen erhoben. Die Augen meines griechischen Kollegen Kostas funkeln. Der Mann, der mir als Althooligan von Gate 4 angepriesen wurde, reicht mir bis zum Kinn, hat ein kleines Papi-Bäuchlein und grinst mich mit einem breiten Kölsch-Lächeln an.

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„Er ist eine Legende. Nicht, weil er so gut kämpfen konnte, sondern weil er ein Leader ist", führt mein Sitznachbar fort. „Er hat unsere Kurve angeführt." Eine Schwade aus Demut und Stolz umgibt den Tisch der Reisegruppe. An Christos scheinen all die anerkennenden Worte abzuprallen. „Du wolltest mit mir reden?", fragt Christos und wendet sich mir zu. „Dann komm, wir setzen uns an den Nebentisch."

Christos steht ganz rechts. (Foto: privat)

Ich hatte von ihm und PAOK schon einiges gehört. Christos Papanikolaou war jahrelang Capo der berühmten Fangruppe „Gate 4". Er dirigierte die Kurve. „Ich wurde zum Anführer, weil ich fähig war, Respekt in der Kurve zu erlangen – auch bei unseren Gegnern", erklärt er stolz. „Ich musste über zehn Jahre ein guter Soldat von PAOK sein, um dorthin zu kommen." Dabei half ihm sein organisatorisches Talent. „Viele Leute glaubten, dass ich am besten mit den PAOK-Fans kommunizieren konnte und der Richtige war, um die Kurve zu vereinen." Christos sieht das jedoch ein bisschen anders. „Ich glaube, ich wurde nur Anführer, weil ich das Bedürfnis und den Drang danach hatte. Es war mein Charakter. Ich habe mich nie versteckt oder bin weggelaufen. Ich stand immer noch einen Schritt vor der vordersten Front, um zu kämpfen oder meine Leute zu schützen." Christos verantwortete die Kurvenzeitung im Stadion und organisierte die Kommunikation mit den weltweiten PAOK-Fanclubs. Er erfand Lieder, mit denen der Hexenkessel Toumba-Stadion sogar Diego Maradona das Fürchten lehrte.

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Als kreativer Capo prägte er nicht nur die schwarz-weiße Kurve, sondern sogar die griechische Popkultur. „Vor dem griechischen Pokalfinale 2003 gegen unseren Stadtrivalen Aris tranken wir die ganze Nacht vor Aufregung", erzählt Christos. „Ich fing einfach an, zu singen, was ich gerade fühlte. Übersetzt hieß es: ‚Holt euch endlich diesen scheiß Pokal. Ich kann nicht länger warten'. Am nächsten Tag sang das ganze Stadion über fünf Stunden dieses Lied und wir holten den Pokal", erzählt er mit einem sehnsüchtigen Lächeln im Gesicht über den letzten PAOK-Titel. Die griechischen Medien liefen Sturm, das Lied war ihnen zu unanständig. „Ein Jahr später kopierten die Fans bei der EM 2004 in Portugal den Song ohne Bedenken für die Nationalmannschaft. Das Nationalteam und ganz Griechenland sangen das Lied und niemand erwähnte den Ursprung. Das Lied kam von mir und meinen Freunden."

So klingt der Schlachtruf. Wartet, bis sie sich ausziehen:

Wie tief sein Einfluss in der Fanszene verankert ist, zeigt die langjährige Fanfreundschaft von PAOK zu Partizan Belgrad. Beide Fanszenen verbinden nicht nur der christlich-orthodoxe Glaube und die Vereinsfarben, was sie in zahlreichen Liedern zelebrieren. Es war Christos, der den Grundstein für eine der innigsten Freundschaften der europäischen Fankultur legte. „Als damals der Krieg in Jugoslawien tobte, suchten viele serbische Kämpfer in Thessaloniki Unterschlupf. Einige von ihnen schliefen in den Häusern von mir und meinen Freunden. Sie waren Fans von Partizan und wir besuchten seitdem das jeweils andere Team", erzählt Christos. Seit fünf Jahren lebt er nun in Düsseldorf, PAOK-Spiele verfolgt er nur noch am Computer über einen Livestream. „Ich schaue jedes Spiel – wenn nicht zu Hause, dann auf der Arbeit", merkt er an. „Die Gefühle für PAOK ändern sich nie. Nur man selbst." Das Leben von Christos als Kämpfer und Auswanderer scheint ein Sinnbild für die PAOK-Identität zu sein.

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„Um die Fans von PAOK zu verstehen, muss man ihre Geschichte kennen", erzählt Christos und gibt mir mit dem fordernden Blick eines Lehrers das Gefühl, nun genau zuhören zu müssen. „Der Klub wurde nach dem griechisch-türkischen Krieg von ausgewanderten Griechen aus Konstantinopel gegründet. Die griechischen Flüchtlinge waren fremd im eigenen Land. PAOK gab ihnen eine Heimat." Die Geschichte von PAOK ist auch seine Gegenwart. Trotz lediglich zwei Meistertiteln und vier griechischen Pokalsiegen ist PAOK der beliebteste griechische Klub außerhalb des Heimatlandes. Die Region Makedonien und ihr Zentrum Thessaloniki verließen in den letzten Jahrzehnten tausende Menschen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. „Die Geschichte von PAOK als Außenseiter machte unsere Leute stärker. Wir sind Kämpfer und geben nicht auf – nicht nur auf dem Feld, sondern auch im Leben. PAOK ist unsere Identität."

Christos spricht mit unserem Redakteur über seine Vergangenheit (Foto: Kostas Anastasiou)

Christos leert mit einem tiefen Schluck sein Altbier. Wir brechen auf. Es geht in Richtung Stadion. Zwei Autos. Ich steige hinten zu Christos in seinen SUV. „Andere Tür, da ist der Kindersitz." Es regnet und wir tuckern durch die zugeparkte Düsseldorfer Innenstadt. „Früher traf man auf die gegnerischen Fans noch in den Stadien", erzählt er mit etwas Sehnsucht und blickt mir durch den Rückspiegel in die Augen. „Bei Aris haben wir uns vor Anpfiff mal einen 20-minütigen Kampf auf dem Platz gegeben. Das war nicht nur ‚Just for fun', das war auch Taktik, weil wir unsere besten Spieler nicht dabei hatten. Das Spiel wurde abgesagt und das Nachholspiel haben wir mit 4:0 gewonnen."

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Christos redet bedacht. Fragen über Gewaltexzesse vergangener Tage geht er gekonnter aus dem Weg als seine phrasendreschenden Helden auf dem Platz im Field-Interview. „Anzeigen habe ich nie bekommen. Die gab es auch nicht. Das einzige Ziel war überleben", erzählt er weiter. „Bei einem Gastspiel bei Olympiakos hat mich einer mit einem Eisbrocken aus einer Kühltruhe beworfen und mich über dem Auge erwischt", führt Christos fort und hält auf einmal vor einem Schulgebäude. „Weil ich den Ärzten dort nicht getraut habe, habe ich Tabak in die Platzwunde gedrückt und mich erst in Thessaloniki nähen lassen." Mit dem Ende seines Satzes öffnet sich die Hintertür. Ein etwa zehnjähriges Mädchen mit langen blonden Haaren steigt zu uns ins Auto. „Das ist meine Tochter. Sie darf heute zur Belohnung das erste Mal mit mir zu PAOK", sagt er und blickt freudig auf die Rückbank. Sie lächelt. „Ich habe nur Einsen und Zweien geschrieben", sagt sie stolz. Christos lacht. „Habe ich dir nicht gesagt, dass sie viel besser Deutsch spricht als ich?"

Während Christos über den Trick von zusammengeklebten Eintrittskarten zur Erhöhung des Gästekontingents und das Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei erzählt, fahren wir aus der Stadt raus. Früher fuhr er mit dem Bus zum Auswärtsspiel, immer auf der Hut vor Angriffen rivalisierender Fangruppen. Heute sitzt seine Tochter hinten auf dem Kindersitz. „Wenn du jung und alleine bist, bist du nur für dich selbst verantwortlich. Wenn du dich auf einmal um deine Familie kümmern musst, dann ändert sich dein Leben." Familie und Job bringen Verantwortung mit sich. Die Gier nach Adrenalin lässt nach. Die eigenen Grenzen sucht man nicht mehr im Faustkampf, Respekt nicht mehr in der Kurve. Christos ist erwachsen geworden. „Wenn ich hier mit dem schlimmsten Schalke-Hool sitzen würde, dann würde ich mich heute lieber mit ihm bei einem Bier austauschen, statt mich mit ihm zu boxen", malt er sich lächelnd aus. „So etwas bringt mehr Respekt als ein Kampf."

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Es regnet. Stau in der Metallkarawane irgendwo im Betonklotz Rhein-Ruhr. Stadt um Stadt schiebt sich an den mit dicken Regentropfen besprenkelten Autofenstern vorbei. Christos spricht über die Provokationen der Schalker Fans aus dem Hinspiel. Über wedelnde 50-Euro-Scheine und mazedonische Flaggen. „Wir wissen alle, dass das von Skopje ausgeht. Dieser Fahnen-Konflikt ist eine Diskussion zwischen ihnen und uns. Jeder hat seinen Standpunkt. Wir sagen nicht, dass wir Recht haben oder die. Aber die Deutschen sollten sich da raushalten", erklärt er. Nach den Vorgeschichten erwarten Medien und Fans ein hitziges Spiel neben dem Platz. Christos nicht.

Stop-and-go von Düsseldorf nach Gelsenkirchen (Foto: Benedikt Niessen)

„Es gibt keine Rivalität zu Schalke. Wenn es eine echte Rivalität wäre, würden wir hier nicht alleine im Auto hinfahren, sondern alle gemeinsam. Wir wollen nämlich niemanden haben, der ein Opfer wird", erklärt er und zeigt mit seinem Finger auf sich. „Du bist als Leader verantwortlich für alle anderen. Wenn einer nicht weiß, was zu tun ist oder Scheiße baut, musst du ihm helfen. Wenn du das nicht kannst, macht es gar keinen Sinn, dass du alle anderen anführst." Auch wenn er seit acht Jahren nicht mehr aktiv ist, nennen sie ihn in der Fanszene oder auf verschiedenen Fanseiten und Blogs immer noch ΑΡΧΗΓΟΣ, „Arhigos", den Leader. Für Christos ist das auch eine Bürde. „Für mich ist es schwer. Besonders die Jungen beobachten mich und sehen mich ständig wie eine Legende an. Sie vergleichen sich jeden Moment mit mir", erklärt er nachdenklich und stockt kurz. „Und ich weiß das natürlich. Ich versuche dem gerecht zu werden. Aber ich habe gemerkt, dass ich am besten ich selbst sein sollte."

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Nur noch eine Stunde bis Anpfiff. Der Stau löst sich nicht auf. „Wir schaffen es schon irgendwie rechtzeitig ins Stadion", sagt Christos ruhig. „Die griechische Gelassenheit habe ich hier in Deutschland nicht verloren", fügt er schmunzelnd hinzu. Griechenland hat er wegen der Wirtschaftskrise und der Aussicht auf einen Job verlassen. „In Griechenland ist das Problem, dass gerade irgendwelche abgesicherten Angestellten für alle anderen Menschen entscheiden. Sie kämpfen nicht für sie. Sie respektieren diese Menschen nicht. Weil sie sich selbst nicht respektieren." Krise, Sparkurs und Armut werden in Griechenland gerne mit Deutschland verbunden. Die PAOK-Fans zeigten im Hinspiel ein Banner mit einer Merkel-Karikatur samt Hitler-Bärtchen. „Ich kann nicht verstehen, dass sie auf Deutschland sauer sind", beschwert sich Christos wie aus dem Nichts. „Die EU sagte zu Griechenland, es soll Geld sparen, aber die Politiker in Griechenland gehen zu den Griechen und sagen, dass Schäuble und Merkel ihnen befohlen haben, die Renten zu kürzen. Das ist aber nicht so. Das versuche ich den Griechen zu erklären."

Mehr dazu: Wie sich die politische Rivalität zwischen PAOK- und Schalke-Fans entlud

Christos redet jetzt mehr. Die Krise ist auch für ihn ein wichtiger, aber auch ein wunder Punkt. „Ich liebe meine Heimat, aber ich fahre erstmal nicht mehr zum Urlaub dort hin. Ich bin ständig im Konflikt mit meinen Freunden und Verwandten. Sie denken, dass die Leute, die ausgewandert sind, nicht genug gekämpft haben. Aber ich wollte nicht mit meinen Steuern anderen Menschen im Land einen guten Lebensstil ermöglichen", erzählt er und blickt abwesend auf die verregnete Autobahnausfahrt. „Die Probleme in Griechenland werden sich nicht so einfach ändern lassen. Ich werde hier in Deutschland mein Leben lang bleiben. Ich fühle mich hier zu Hause. Meine Tochter hat hier bessere Perspektiven."

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Wir fahren auf den Parkplatz. Die Schalker Arena thront vor uns im nasskalten Grau des Gelsenkirchener Himmels. Umringt von der Polizei. Christos verabschiedet sich. „Ich habe Sitzplatzkarten auf der Haupttribüne für uns beide", sagt er und lächelt seine Tochter an. „Das ist unser erstes gemeinsames PAOK-Spiel, das genießen wir zu zweit." Vier Minuten vor Anpfiff stehen wir in der PAOK-Kurve. Das stimmgewaltige Potenzial des schwarzen Blocks ist erkennbar. Enthusiasmus. Südländischer Fanatismus. Pure Leidenschaft.

Christos mit seiner Tochter und unserem Redakteur (Foto: Kostas Anastasiou)

Das Spiel ist kein Leckerbissen. Auch Nebengeräusche gibt es kaum. Die Schalke-Fans zeigen neben einigen mazedonischen Flaggen auch Banner mit der Aufschrift „Fucking PAOK-Fans". Zudem kritisieren sie die Polizei, ein „ACAB"-Schriftzug wird gezeigt. Die griechischen Fans reagieren. „Eimaste alania ki exoume ton PAOK gia thriskeia, kai den mas tromazei i poutana i astinomia", singen sie. „Wir sind Straßenjungen, wir haben PAOK als Religion und wir haben keine Angst vor der Polizei", heißt das übersetzt. Die Fans sind sich ähnlicher als gedacht. Abpfiff. Endstand 1:1. Die Kämpfer aus Thessaloniki haben das Wunder verpasst und sind ausgeschieden. Neben dem Platz bleibt es ruhig.

Auf dem Parkplatz stehen schon Christos und seine Tochter. „Es war toll", schwärmt sie. Für Christos war es auch etwas Besonderes. „Mal was anderes, als bei den Jungs zu stehen. Aber es war gut so. Ich konnte ihr alles erklären. Sie musste ja wissen, wie viele Tore wir hätten schießen müssen und was Abseits ist", sagt er lächelnd und lässt den Motor an. „Die Geschichten von früher erzähle ich ihr irgendwann mal."

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Die Autoheizung läuft auf Hochtouren. Draußen ist es dunkel, es regnet. Parkplatz-Stau. Christos' Tochter schläft, er wird wieder redseliger. „Als Kind war ich mal mit meiner Jugendmannschaft bei einem Spiel von Bayern gegen Schalke – mit Olaf Thon. Wir warteten am Bahnhof und die Schalker waren alles starke Brocken. In der Nordkurve war da heute eher der Kindergarten unterwegs. Und leider sind die Jeanskutten fast vollständig verschwunden. Die fand ich faszinierend." Die Fankultur zelebriert bis heute auch durch einen Dresscode ein Gemeinschaftsgefühl. „Unser Dresscode bestand damals aus Levi's-Jeans, Dr. Martens-Boots und Bomberjacke. Die haben wir immer alle auf Orange umgedreht. Da konnte die Polizei nach dem Spiel lange suchen, wenn alle gleich aussahen."

„Ich stand immer noch einen Schritt vor der vordersten Front, um zu kämpfen oder meine Leute zu schützen." (Foto: privat)

Autobahn. Irgendwo vor Düsseldorf. Freie Fahrt. Endlich. Es ist ruhig geworden. Nur Christos spricht. Über ukrainische Polizisten, die sich als Pizzalieferanten was dazu verdienten, eine achttägige 7000-Kilometer-Auswärtsfahrt im Bus nach Sevilla für ein tristes 0:0 und die imposanteste Atmosphäre außerhalb des Toumba-Stadions: „Glasgow Rangers. Die waren laut." Dann schaut er melancholisch auf die roten Bremslichter des Autos vor uns. „Es hat sich viel verändert – auch wegen des Geldes. Fußball ist ein Entertainment für viele. Früher hüpften auch alle Fans, heute hantieren sie mit dem Handy herum. Die DNA der Fans hat sich geändert", fasst er nüchtern zusammen, nur um dann euphorischer hinzuzufügen: „Das ist aber nicht nur schlecht. Früher haben wir beim Basketball einige Jungs aus der Halle geworfen, weil sie nicht für PAOK, sondern nur aus Liebe für den Basketball kamen und auch mal bei einer guten Aktion des Gegners applaudierten. Heute schaut man auch mal weg und denkt sich seinen Teil."

Auf seinem Pulli steht in schwarzer Schrift „Oldschool", darunter „Against Modern Football". Die Aussage bedeutet ihm etwas. „Die jungen Menschen missverstehen unsere Zeit. Sie sind ‚Lost in translation'. Sie wollen etwas kopieren, wovon sie nicht wissen, worum es geht." Dabei sieht er mir durch den Rückspiegel in die Augen. „Es geht um den Spirit, um Ruhm und um Respekt. Um mehr nicht", sagt er und stockt dabei vor jedem Wort einige Sekunden. Respekt, ein Wort, das Hooligans gerne benutzen. Aber kann sich Gewalt in zwanzig Jahren ändern? Christos glaubt schon. „Wenn sich jemand schlagen will, dann lass ihn machen. Was ich nicht akzeptiere, ist, wenn man unbeteiligte Menschen da mitreinzieht. Das ist nicht fair", erklärt er. In seinen sympathischen Knopfaugen lodert dabei ein Feuer, das mir erstmals seine Unzähmbarkeit bewusst macht. Christos musste viele Kämpfe bestreiten, um zu verstehen, wie kraftraubend sie eigentlich waren.

Christos mit ausgestreckten Armen über dem Times-Logo beim 1:1 im Highbury gegen Arsenal London im Jahr 1997 (Foto: privat)

Düsseldorf-Hauptbahnhof. Wir sind bald da. Christos empfiehlt uns noch ein griechisches Restaurant. Was würde er einem Jungen der heutigen Generation von Gate 4 gerne mitgeben? „Ich würde ihm sagen: Zu allererst respektier dich selbst. Dann deine Freunde. Und strahl das in deinem Leben aus. Dann wird alles besser. Es ist so einfach." Respekt, Ruhm, der Spirit von „Oldschool". Das klingt verführerisch. Und lädt zur Glorifizierung ein. „Natürlich klingt das alles attraktiv für junge Männer. Das ist der Grund, weshalb ich es getan habe und so viele Menschen in dieser Welt drinstecken. Und das ist auch der Grund, wieso Fußball der König des Sports ist", erzählt Christos. „Ich kenne Menschen, die tagelang durch Europa reisen, um ein einziges Tor zu sehen – mit nur zehn Euro in der Tasche. Da hat selbst Geld nichts mehr zu melden", sagt er und lacht.

„In Griechenland leiden durch die Krise so viele Menschen. Viele haben ihre Häuser verloren, es gibt Selbstmorde. Aber siehst du bei uns große Demonstrationen? Nein", fügt er an. „Sobald ein Fußballverein ungerecht behandelt wird, stehen da tausende Menschen auf der Straße. Fußball ist eine 'thinking drug'." Der kann auch Familienvater Christos mit seinen fast 50 Jahren und neuem Wohnort nicht widerstehen. „Mein Leben hat sich verändert, aber die Menschen, die PAOK folgen, sind keine einfachen Fans, die sind wie Priester. Sie sind Glaubensmänner. Das Gefühl für den Klub bleibt immer."

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie

Mit Dank an Kostas Anastasiou.