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Fußball

Holger Badstuber ist ab heute kein Maskottchen mehr

Das Bayern-Urgestein ist ab heute für ein halbes Jahr Schalker. Badstuber stand Bayern gut zu Gesicht, weil sie ihn nie fallen ließen. Doch brauchen tun sie ihn nicht. Jetzt hat der Verteidiger sein Mündigkeit wieder.
Foto: Imago

Erster Tag auf #Schalke für @Badstuber & #Burgstaller! Medizinchecks folgen noch. #S04 pic.twitter.com/gOOgBxJzKm
— FC Schalke 04 (@s04) 12. Januar 2017

Von Rot zu Blau. Von Bayern zu Schalke. Es wurden schon Kicker für weniger zum Verräter erklärt. Nicht aber Holger Badstuber, der wurde von allen Seiten für den vermeintlich sportlichen Abstieg beglückwünscht. Selbst die größten Bayern-Fans scheinen es ihm zu gönnen. „Auch wenn es weh tut, wir wünschen dir viel Glück und Spielpraxis", schreibt Südkurve München - Meine Religion. „Bitte gib niemals auf und verletz dich nicht."

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Der 27-Jährige ist eine absolute Identifikationsfigur der Bayern-Fans. Als Badstuber 2002 in die Nachwuchsabteilung der Bayern kam, spielte der FCB noch im Olympiastadion, die Stars hießen Zé Roberto oder Mehmet Scholl und Franz Beckenbauer war Michael Ballack viel lieber als Zinedine Zidane.

Die Beziehung zwischen Badstuber und dem FC Bayern ist ziemlich einzigartig. Es ist eine Geschichte mit vielen Höhen und noch mehr Tiefen—und eine vom gegenseitigen Geben und Nehmen.

Dass diese Liebesgeschichte jetzt eine Auszeit nimmt, ist keine Tragödie. So bitter es auch ist, aber Holger Badstuber hat beim FC Bayern momentan keine Chance. Lang, lang ist es her, dass Badstuber und Hummels das Traum-Duo der deutschen Innverteidigung bildeten. Das hört inzwischen auf den Doppelnamen Hummels-Boateng. Beim FC Bayern und auch in der Nationalmannschaft.

Seit vergangenem Herbst ist Badstuber wieder bei vollen Kräften und sehnt sich danach, endlich wieder zu spielen. Training hin oder her, ein Spieler seines Formats sehnt sich nach 90 Minuten Kampf. Da kann er anscheinend unter Carlo Ancelotti lange drauf warten.

Und so kam seine sehr plötzliche Forderung nach einem Wechsel sehr überraschend.

Man muss ihm für seinen Mut zum Wechsel ein Kompliment machen. Dafür, dass er sich nochmals einer neuen Herausforderung stellt. Dafür, dass er sich nicht hat einlullen lassen von der Bequemlichkeit in der Bayern-Familie. Dafür, dass er auch nach zahlreichen Titeln mit den Bayern noch hungrig ist. Dafür, dass er kein Maskottchen mehr sein möchte. Die Nummer 28 stand den Münchnern immer gut zu Gesicht. Er ist der supertalentierte, aber kern-bajuwarische Malocher, der immer und immer wieder mitgeschleppt wurde. Jedes Mal, wenn er sich wieder verletzte, dann waren die Bayern die Bayern und erklärten, dass Holger immer einen Platz in der Bayern-Familie hätte. In dieser Komfort-Zone lebt es sich sehr angenehm, doch seine Mündigkeit gibt man einen Stück weit ab.

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So zynisch es klingen mag, aber Badstuber wird in seinen Verletzungsphasen viel Zeit gehabt haben, nachzudenken. Will er immer das große Was-Wäre-Wenn bleiben, das Schulterklopfer für seinen Durchhaltewillen bekommt, das man aber eigentlich gar nicht braucht? Wenn man so viele Rückschläge wie er erleiden musste, dann wird man schneller erwachsen und fällt Entscheidungen.

Holger Badstuber zog einen Schlussstrich unter die wohl bittersten vier Jahre seines Lebens.

Bei Schalke 04 kann er in der Rückrunde ein wichtiger Führungsspieler werden. Er kann sich international beweisen und er kann regelmäßig zeigen, was für außerordentliche Fähigkeiten er hat. Und bei Schalke sind sie auf ihn angewiesen. Er kenne kaum einen Spieler mit einer derart guten Spieleröffnung, hat Schalkes Manager Christian Heidel gesagt. Solch lobende Worte hat er in München zuletzt selten gehört.

Viele Mannschaften hätten Badstuber wohl mit Kusshand genommen, gegenüber Sky erklärte der 27-Jährige, er sei „ein emotionaler Spieler" und bräuchte „ein emotionales Umfeld." Das bietet ihm Schalke mehr als jeder andere Klub. Dieses „Emotionspaket" hätte ihm Manchester City, die ebenfalls Interesse an Badstuber zeigten, niemals bieten können. Und das trotz Pep Guardiola, der Badstuber zu Bayern-Zeiten als „besten Spieler, den ich je hatte" bezeichnete. Auch Guardiola hat Badstuber gutgestanden.

Damit das Leihgeschäft überhaupt zustande kommen konnte, musste Badstuber seinen im Sommer 2017 auslaufenden Vertrag mit den Bayern verlängern. Das schreiben die DFL-Richtlinien so vor. Dass der FC Bayern und auch der Verteidiger selbst dem ohne zu zögern zustimmten, zeigt, wie sehr beide Seiten immer noch aneinander hängen.