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Aus Raider wird jetzt Twix: Vorratsdatenspeicherung ist beschlossene Sache

Mehr Überwachung, weniger Freiheit: Der Bundestag hat das Gesetz zur Höchstspeicherfrist angenommen. Kritiker haben bereits angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen.
Bild: Imago

Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung ist beschlossen. Der Antrag zur Höchstpeicherfrist von CDU/CSU und SPD wurde heute Morgen mit den Stimmen der Koalition angenommen. Das Gesetz verpflichtet Telekommunikationsanbieter, die Telefon- und Internetverbindungsdaten ihrer Kunden zehn Wochen lang zu speichern. Dazu gehören Rufnummern, Zeitpunkt und Dauer von Anrufen, IP-Adressen sowie Verbindungsdaten aus Internettelefonaten. Anders als beim ersten Anlauf eines VDS-Gesetzes wird diesmal auch der Standort von Mobiltelefonen für vier Wochen protokolliert. E-Mail-Daten sollen allerdings nicht gespeichert werden.

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„Bei der Aufklärung schwerer Straftaten und bei der Gefahrenabwehr sind Verkehrsdaten ein wichtiges Hilfsmittel für die staatlichen Behörden", begründet der Gesetzesentwurf das anlasslose Datensammeln. Verwendet werden dürfen alle Informationen im Rahmen einer Bestandsauskunft, die auch ohne richterliche Zustimmung und durch Verfassungsschutz-Ämter gestellt werden kann.

Eine Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Straftaten und Terrorismus ist umstritten und konnte bislang nicht bewiesen werden. In Ländern, die bereits mit ähnlichen Überwachungsinstrumenten arbeiten, zeigt sich keine verbesserte Strafverfolgung. Nicht nur behindern ineffiziente Methoden die Aufklärung von Verbrechen, Kritiker bezeichnen das Gesetz zudem als massiven Eingriff in die Grundrechte aller Bürger in Deutschland.

Das Gesetz ermöglicht es Polizei und Staatsanwaltschaft, präzise Persönlichkeitsprofile von allen Telekommunikationsnutzern zu erstellen. So können Ermittler Bewegungen über die Ortungsdaten von genutzten Apps genau nachvollziehen und über die Erfassung von Metadaten auch geschäftliche und freundschaftliche Beziehungen sowie persönliche Interessen identifizieren.

Ob die erhobenen Daten auf den privaten Servern der Telekommunikationsdienstleister wirklich sicher sind, kann nicht gewährleistet werden. 2012 hackte der britische Geheimdienst GCHQ die Daten eines belgischen Unternehmens, um EU-Institutionen auszuspähen.

Aktivisten verschiedener Organisationen haben am Morgen vor dem Reichstagsgebäude deshalb gegen die Verabschiedung des Gesetzes demonstriert. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki will das Gesetz zudem von Karlsruhe überprüfen zu lassen. Auch der Piraten-Politiker Patrick Breyer kündigte eine Verfassungsbeschwerde an.

Ein Problem bereitet das Gesetz den Ermittlern noch: Bei SMS-Nachrichten werden aktuell auch die Inhalte der Kurznachrichten mit gesammelt. Telekommunikationsunternehmen speichern die Inhalte im gleichen Container wie die Signalisierungsdaten. Eine Weitergabe der SMS-Inhalte wäre rechtswidrig.

Bislang durften Telekommunikations-Anbieter nur die zur Abrechnung erforderlichen Daten aufbewahren. Über eine darüber hinausgehende Speicherung diskutiert der Bundestag bereits seit 2007. Im Jahr 2010 kippte das Bundesverfassungsgericht ein erstes Gesetz. Vier Jahre später erklärte der EU-Gerichtshof den zweiten Gesetzesentwurf des Bundestags als rechtswidrig. Das heute beschlossene Gesetz unterscheidet sich vom Entwurf aus 2014 unter anderem durch minimal kürzere Speicherfristen. Die Ex-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kommentierte die Änderungen bereits im Mai in einem Interview mit c't: "Aus Raider wird jetzt Twix. Aus der Vorratsdatenspeicherung wird jetzt die Höchstspeicherfrist. Die große Koalition führt die alte Vorratsdatenspeicherung wieder ein, mit ein wenig kürzeren Fristen und mit Ausnahme einer Datenart."