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Die schwindelerregenden Kosten der Mount-Everest-Industrie

Die Mount Everest-Besteigungen haben sich zu einer Industrie entwickelt, die wohlhabenden Normalbürgern einen behüteten Aufstieg bietet.
Bild: Wikimedia

Es lässt sich einfach sagen, dass der Berg für den Tod von mindestens 12 Sherpas am vergangenen Freitag am Mount Everest verantwortlich ist. Die Bergführer kamen bei einem verheerenden Lawinenabgang an der Südflanke des Everest ums Leben.

Dass die monströsen Riesen im Himalaya immer wieder Menschenleben fordern ist längst bekannt. Aber auch die Sherpas selbst sind schon seit Jahren Teil des Bergmythos geworden. Sie tragen in erschöpfenden langen Märschen das Gepäck der Touristen oder befestigen Leitern für die später folgende zahlende Kundschaft—wenn sie in der internen Sherpa-Hierarchie höher stehen. Aber der Mount Everest ist eben nicht einfach nur ein gewöhnlicher Berg. Er ist längst zu einer Industrie geworden—zu einem gut geölten und lukrativen Betrieb, der dank ausländischer Kundschaft am Laufen gehalten wird.

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Die Sherpas selbst—deren Streikplan inzwischen schon einen Gutteil der aktuellen Bergsteigersaison zum Stillstand gebracht hat —verdienen rund 90 Euro pro getragener Ladung. Laut der nepalesischen Regierung dürfen diese Pakete nur 20 Pfund wiegen—aber junge Sherpa verdoppeln ihre Ladung um ihren Verdienst zu erhöhen, wie The New York Times berichtet.

Laut National Geographic lässt sich das Einkommen für Elite-Sherpa noch einmal vervielfachen. In einer zweimonatigen Saison verdienen sie zwischen 3000 und 3600 Euro. Diese Beträge mögen deutlich über dem liegen, was den Einwohnern der abgelegenen Gebiete sonst an Verdienstmöglichkeiten offen steht, aber im Vergleich zu den Beträgen mit denen ansonsten in der Industrie hantiert wird, sind die Summen immer noch ein Witz.

Es ist längst nicht mehr möglich den Mount Everest aus „eigener Kraft“ zu besteigen. Du kannst nicht einfach an einem schönen Apriltag in einem der Basislager auftauchen und dann mal weitersehen. Es gibt nur zwei Routen zum Gipfel und beide sind fest in der Hand kommerzieller Expeditionen, die All-inclusive-Pakete an reiche westliche Interessenten anbieten.

Das Versprechen lautet: „so hoch wie möglich.“ Und die Anforderung beschränken sich, neben dem Erscheinen am Ausgangspunkt, so ziemlich auf finanzielle Aspekte. Eine just in diesem Moment durchgeführte Google-Studie zeigte, dass unter den drei erstgefundenen kommerziellen Everest-Anbietern, nur einer explizit auf die Notwendigkeit vorheriger Fitness und Bergsteigererfahrung hinweist.

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Jede große Expedition kostet eine Menge Geld. Das beginnt schon mit den Reisekosten und den Kosten der Ausrüstung. Aber die Everest-Industrie spielt in einer ganz speziellen Liga: Die inhärente ökonomische Barriere für die Teilnahme an einem Everest-Aufstieg oder jeder anderen 8000er-Besteigung ist inzwischen so hoch, dass Klettern zu einem Luxusgut geworden ist. Alan Arnette eine Bergsteigerin und Sprecherin von Fundraising-Kampagnen zur Alzheimer Forschung kann mit einer ziemlich guten Zusammenstellung der verschiedenen Kostenpunkte dienen, die so eine Tour mit sich bringen kann:

  • Über 17.000 Euro betragen alleine die Kosten für einen nicht begleiteten „Solo“-Aufstieg (darin enthalten: obligatorische Nutzungsgebühren der Leitern und Seile)
  • Die Klettergebühren der nepalesischen oder tibetanischen Regierung betragen ungefähr 7.000 Euro
  • Zwischen rund 20.000 und 70.000 Euro betragen dann noch einmal die Kosten einer kommerziellen Expedition
  • 7.000 Euro kann ein Guide für westliche Touristen kosten
  • Die Reisekosten machen ungefähr 3.500 Euro aus
  • Ausrüstungskosten für 5.000 Euro
  • Und sonstige Ausgaben, die noch einmal bis zu 25.000 Euro erreichen können, wobei dazu auch Extras wie ein persönliches Satellitentelefon zählen können

Und schließlich gibt es da noch den Luxus für zwei Monate an einen abgelegenen Ort zu verschwinden—ein Privileg, dass sich auch nur die wenigsten leisten können. Natürlich gibt es auch einzelne Beispiele, die eine andere Geschichte erzählen: Denk nur einmal an In eisigen Höhenund Doug Hansen zurück, einen der vielen Toten der Everest-Tragödie von 1996. Hansen war einfach nur ein leidenschaftlicher Bergfan, der das ganze Jahr zwei Jobs durchzog, um sich eine Besteigung leisten zu können.

Ich verstehe Hansen mehr als die anderen wohlhabenden Kunden der Everest-Instustrie. Bergsteigen war sein Leben ebenso wie es das der Bergführer war, die er bezahlte: Hansen schaffte es nur nicht in die Elite, wie so viele andere versierte Extrembergsteiger. Für Hansen hätte die Besteigung des Everest die Vollendung seiner Bergsteigerkarriere bedeutet.

Sherpas sind nicht nur Führer auf dem Mount Everest, sie fungieren gewissermaßen auch als Stoßdämpfer. Zu den Gefahren im Berg gehören das unberechenbare Wetter und die felsigen Vorsprünge, die jederzeit abbrechen und auf die Bergsteiger herabstürzen können. Die zahlenden Kletterer folgen einer Route mit Camps, gut bestückt mit Nahrung und Sauerstoff, befestigten Seilen und gut begehbaren Pfaden. Manche haben sogar ihren eigenen Sherpa neben sich, der den Fuss auch mal an die richtige Stelle rückt.

Ich bin kein großer Bergsteiger, aber ich weiß, was mir daran gefällt. Ich mag das Gefühl von unkontrollierten Bedingungen um mich herum, das Entdecken neuer Wege und einfach nur die unglaubliche Monotonie einen Fuß vor den anderen zu setzen bis es schmerzt. Etwas nur für dich selbst zu tun—aus reinem Selbstzweck—, ist eine der schönsten Dinge, die wir moderne Technik-Spinner uns immer mal wieder vor Augen führen sollten—selbst wenn es etwas so triviales sein mag wie das Bezwingen eines Gipfels. Solltest du eine solche Tätigkeit länger nicht mehr für dich getan haben, dann kann ich dir das nur empfehlen. Die erste Regel dabei lautet jedoch, dass es frei sein sollte.

Dieser Artikel wurde im Nachhinein aktualisiert, um die Entwicklung des Streiks mit aufzunehmen.