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Anonymous-Hacker entwickeln nicht-zensierbare Web-Kommunikation über Radiowellen

Ein neues Radio-Internet namens Airchat soll der Zensur der Herrschenden entgehen, wie es einst schon das Piratenradio geschafft hat.
Bild: Lulz Labs/Vimeo

Hacker aus dem Anonymous-Umfeld arbeiten an einem neuen Kommunikationswerkzeug, um Zensur umgehen zu können und einen freien Informationsfluss zu garantieren. Und diesmal sieht ihre Lösung ziemlich Low-Tech aus. Das Projekt heißt Airchat und nutzt Radiowellen statt WLAN, Breitband oder Telefonleitungen, um Daten und Nachrichten zwischen Rechnern auszutauschen. Im Prinzip ein Piratenradio für Nullen und Einsen.

Die Idee von Airchat ist inspiriert von „den Lehren, die aus den Aufständen in Ägypten, Libyen und Syrien gezogen wurden, aber auch während der Aktionen von Occupy Wall Street und der Plana del Sol”, erklärt die Projektbeschreibung auf Github. Veröffentlicht wurde die Beschreibung unter dem Namen Lulz Lab und wurde zuerst entdeckt von der International Business Times. Vor dem Hintergrud der Unruhen in der Ukraine, Venezuela und anderen Ländern rund um den Globus scheint eine sichere und anonyme Methode der Kommunikation heute relevanter denn je zu sein.

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Die Radiokommunikation funktioniert ganz ähnlich einem Walkie-Talkie oder CB-Funkgerät—nur dass es Computerbefehle statt Radiosendungen empfängt oder versendet.

Das Konzept von Datentransfer via Radiowellen existiert schon seit dem 1971 vorgestellten ALOHAnet, ein Projekt der Universität von Hawaii, das Daten über Rundfunkfrequenzen versendete. Und 2010 erschuf das Start-up OneBeep eine Software, die Daten als analoge akustische Informationen überträgt, welche dann beim Empfänger wieder in digitale Datenpakete übersetzt werden.

Das Team von OneBeep experimentierte auch mit Laser-basierter Übertragung. Das ist komplizierter, weil die Daten mit einem pulsierenden Laserstrahl zielgenau verschickt werden müssen, ist aber im Gegenzug dafür auch durchweg digital. Allerdings hat OneBeep diese Option bis auf weiteres erstmal verschoben.

Lulz Lab weiß um weitere Potentiale von Airchat, zum Beispiel zur Koordination von Katastrophenhilfe oder, um auf hoher See anderen Schiffen die Wetterbedingungen mitzuteilen. Im Grunde bietet sich eine Nutzung immer dann an, wenn Informationen dringend benötigt werden und traditionelle Kommunikationsmittel nicht funktionieren.

Manchmal musst du Bandbreite gegen Freiheit eintauschen.

Das finale Ziel der Hacker ist es, diese Technologie allen kostenlos zur Verfügung zu stellen—„kostenlos wie Freibier und so frei wie es schon unsere Forderung „befreit Jeremy Hammond“ ausdrückt”, schreibt die Gruppe—ein Kommunikationskanal ohne Kontrolle durch große Konzerne und Regierungen. „Auch nach all diesen Jahren technologischer Entwicklung müssen wir uns noch immer an öffentlichen Orten treffen, um unsere Meinungen frei ausdrücken zu können”, schreiben sie.

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Wir wissen mittlerweile, dass Apps wie Zello eine enorme Rolle für Rebellengruppen in Venezuela und der Ukraine spielen—als Walkie-Talkie App, um private Sprachnachrichten unterwegs auszutauschen. Zello funktioniert nur mit WLAN oder Datenvertrag, was in Venezuela zum Problem wurde. Mit Airchat, das sowohl verschlüsselte als auch unverschlüsselte Radiowellen nutzt, sollte dieses Problem gelöst werden können.

In seiner momentanen Form nutzt das Projekt die Software FLdigi zum Datenaustausch. Es ist dieselbe Software, die von Amateur-Radiomachern für den Betrieb eines eigenen Radiosenders genutzt wird. Die Soundkarte kontrolliert mit Audiosignalen den Großteil der Kommunikation mit dem Sendegerät. Die Software läuft auch auf Linux, OSX oder Windows.

„Das Radiosendegerät wird per Tastaturkommandos bedient und Airchat kann so programmiert werden, dass du Mitteilungen senden, Twitter-Streams anzapfen, Nachrichten runterladen und Artikel deiner Community finden kannst”, fährt die Gruppe fort. Für zusätzliche Sicherheit kann das Programm auch das Tor-Netz nutzen.

Bisher gab es zwar Probleme bei der Übertragung von Bildern über das Google-Format WebP, weil Browser es nicht unterstützen, aber dieses Problem wird wohl auch gerade ausgebügelt.

Wie du in diesem Video vom letzten Wochenende sehen kannst, ist das Programm noch ein bisschen zu technisch für Normalverbraucher. Es ist zur Zeit eher ein Machbarkeitsnachweis. Die Gruppe veröffentlichte es jedoch schon jetzt, weil sie in der Community um finanzielle und praktische Unterstütztung werben möchte.

Immerhin wurde Airchat von Anonymous bereits zum Schachspielen genutzt—wobei die Gegner 290 km voneinander entfernt waren. Auch um Bilder zu tauschen und ebenso „für verschlüsselte Sprach-Chats”. Es wurden sogar Objekte aus 12 km Entfernung per 3D-Drucker und Medikamentenbestellung aus 161 Kilometern verschickt.

Das System funktioniert, aber die Datengeschwindigkeit ist nicht besonders hoch und die Stabilität der Verbindung hängt von der Stärke des Radiosignals ab. Doch wie die Gruppe betont muss man manchmal „Bandbreite gegen Freiheit eintauschen.”