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#mogultalk

Nicole Moudaber ist die wahre globale DJ, auf die die Welt gewartet hat

#Mogultalk mit einer, die weiß, wie der Hase im Festivalzirkus läuft.

Skype-Interview mit Nicole Moudaber. Aber wo steckt sie bloß? Die Londoner Frühlingssonne lacht auf einen enormen, tiefschwarzen Haarstrauch hinab. Ich sehe kaum mehr als die Zigaretten, die alle paar Minuten darunter verschwinden, während die Künstlerin spricht. Gerade ist sie von einer Nord- und Südamerikatour zurückgekehrt, im Hintergrund sind Teile ihres Heimstudios zu sehen. Vor Kurzem hat sie hier noch ihre neue EP, Where Shadows Lie, aufgenommen. Der Jetlag erwischt sie trotz aller Abgehärtetheit über die Jahre aber noch immer.

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Nicole ist DJ, Produzentin, Radioshowbertreiberin, Promoterin, Labelgründerin, enge Vertraute von Carl Cox und gute Seele der internationalen Szene—und mit international sind hier nicht Nordamerika plus Europa gemeint, sondern wirklich einmal die ganze Welt. Kaum jemand ist derart viel unterwegs und global vertreten wie die in Nigeria geborene Libanesin, die Ende der 90er der Beiruter Raveszene ins Leben half.

Wenn eine Ahnung davon, wie man sich bis auf höchste DJ-Ebene hocharbeiten kann, dann sie. Bevor sie am Samstag neben Sven Väth, Carl Cox, Ricardo Villalobos, Monika Kruse, Richie Hawtin, Dixon u.v.a. beim diesjährigen Time Warp in Mannheim spielt, haben wir miteinander über ein paar ihrer Erfahrungen gesprochen.

Nicole, wie geht's dir? Du bist ja gerade aus Amerika zurückgekommen.
Ich bin völlig am Ende. Der Jetlag kriegt dich immer. Von Samstag bis Sonntag habe ich eine meiner Mood Nights organisiert und dort gespielt—wie auch die beiden Tage zuvor. Am Sonntagabend waren dann die Dance Music Awards in Miami, da habe ich auch etwas gefeiert. Danach bin ich nach Hause geflogen. Nach unserem Interview geht es wieder ins Bett.

An einem dieser Tage hast du auch auf der Bühne von Carl Cox beim Ultra Music Festival aufgelegt. Dass Carl in diesem Jahr zum letzten mal seine Space-Residency „Music is Revolution" auf Ibiza abhalten wird, hat viele Leute bewegt. Wie hast du reagiert?
Carl und ich sind immer in Kontakt, wir schicken uns Musik hin und her, sprechen regelmäßig. Ich war sehr traurig, als ich hörte, dass es seine letzte Saison werden wird. Das habe ich ihm dann am Telefon auch vor einigen Monaten mitgeteilt: „Ibiza wird ohne dich nicht mehr das selbe sein!" Da meinte er nur: „Warum traurig sein? Ich bin glücklich. 15 Jahre sind genug." Und da hat er Recht. Es ist gut, wenn man auf der Höhe seiner Zeit abtritt. Es ist die erfolgreichste Party der Insel, aber nichts hält für ewig.

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Wie sieht es bei dir selbst aus?
Vielleicht habe ich im nächsten Jahr eine Ibiza-Residency, ich werde zumindest oft danach gefragt. Mal sehen. Das braucht schließlich viel Vorbereitungszeit, so eine Residency ist eine riesige Verpflichtung. Einen ganzen lang, jede Woche, für 15, 16 am Stück. Das ist nicht leicht. Natürlich hilft es, wenn du dir wie Carl so eine Reputation aufgebaut hast, aber die musst du dann natürlich wieder und wieder neu untermauern. Es gibt schließlich so viele Partys auf der Insel. Beim EDC in New York habe ich jetzt erstmal eine eigene Bühne. Und auch sonst wird noch mehr passieren.

Es ist sehr wichtig, dass du deine Musik in die Hände der richtigen Leute legst. Es geht nicht nur um Glück, du auch musst wirklich dafür arbeiten.

Der Personenkult im DJ-Bereich und all das Protegieren von DJs durch größere Namen sind heute wichtiger denn je. Während man sich schlecht vorstellen kann, dass etwa Metallica eine Bühne auf einem Rockfestival präsentieren würden. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Wir sind halt etwas anders. Es geht nicht nur um eine einzelne Künstlerin bei uns, sondern um eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam diese Musik zelebrieren und repräsentieren. Der Gemeinschaftsvibe ist entscheidend. Ich liebe es, mit meinen Freunden und Leuten, die ich bewundere, zusammen zu spielen. Seit drei Jahren mache ich zudem meine Mood/RAW, das ist ein Warehouse-Konzept. Es gibt Mood Night, Mood Day, Poolpartys … Konsistenz ist dabei genauso wichtig wie die Idee selbst.

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Und wie bedeutend ist der Support durch einen großen Namen deiner Meinung nach?
Ich hatte da sehr großes Glück. Etablierte Leuten unterstützten mich von Anfang an und deshalb möchte ich diese Chance nun auch so vielen jungen Menschen wie möglich bieten. Mein Durchbruch hätte sich sonst viel länger hingezogen und wäre härter zu erreichen gewesen. Aber wenn die Musik gut ist, dann ist es unmöglich, dass nicht irgendwann irgendjemand sie spielen wird. Genau darum ist es auch sehr wichtig, dass du deine Musik in die Hände der richtigen Leute legst. Es geht nicht nur um Glück, du musst eben wirklich dafür arbeiten.

Da wären wir bei den Labels. Künstlergeführte Labels wie dein eigenes, Mood Records, sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Betriebs. Veröffentlichst du dort generell nur Musik von Leuten, die du vorher schon persönlich kanntest?
Nein. Ich kriege jeden Tage Tonnen von neuer Musik. Aber es ist schwierig mitzuhalten. Oft frage ich aber auch Leute selbst, ob sie vielleicht aktuell an etwas arbeiten.

Und dann hast du noch deine Radioshow In the Mood. Wenn du an jemandem Gefallen findest: Bekommt der- oder diejenige dann gleich das komplette Paket aus Radiofeature, gemeinsamen Auftritt und Release, oder wie gehst du da vor?
Das ist unterschiedlich. Ich versuche so oft wie möglich, jemanden in meine Shows einzuladen. Ich unterstütze Leute aus aller Welt. Natürlich kann ich die aus logistischen Gründen nicht immer überall hin mitnehmen, aber mich begleitet immer jemand. Das ist dann eben in Kanada ein kanadisches Talent und in Europa ein europäisches.

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Du hast nicht nur an vielen Orten gelebt, du spielst auch überall auf der Welt, mehr noch als andere DJs, würde ich sagen. Dein Kalender listet allein für die letzten und kommenden Wochen Kanada, USA, Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Tunesien, Mexiko, Schweiz, Argentinien, Brasilien Chile … Verfolgst du einen globalen Anspruch?
Ich bin ganz sicher eine internationale Künstlerin, die so viele Menschen wie es nur geht erreichen will. Das ist für mich der ganze Sinn der Sache. Meine Radioshow läuft aktuell jede Woche auf 67 FM-Radiostationen rund um den Globus. Hinzu kommen zahlreiche Onlinesender.

Stellst du dir dann im Studio vor, wie dir die halbe Welt zuhört?
Auf jeden Fall. Und ich will immer wieder neue Leute begeistern können, sie in diese Welt hineinziehen, egal, woher sie kommen. Das gilt auch für die Newcomer, die ich jedes Mal vorstelle.

Nochmals zu Ibiza: Du sollst dein Album, Believe, während eines Hausumbaus auf der Insel aufgenommen haben. Woran hast du für deine neue Where Shadows Lie EP parallel gearbeitet?
Diese Umbauarbeiten haben ehrlich gesagt schon vor den damaligen Aufnahmen stattgefunden. Das Album entstand danach, in einer für mich sehr intensiven Zeit. Mein Vater erhielt eine Krebsdiagnose, wurde schwer krank und verstarb schließlich. Das war eine sehr bewegende Zeit, wie man dann auch auf Believe auch hören konnte. Deshalb liegt mir das Album auch sehr am Herzen. Die Where Shadows Lie EP habe ich innerhalb der letzten Monate aufgenommen. Ich habe sie an Carl Cox geschickt und er liebte beide Tracks auf Anhieb. Sie sind anders als das meiste, was man aktuell zu hören bekommt: etwas Industrial, etwas emotional. Ich will immer verschiedene Musik veröffentlichen, nie die gleiche.

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Niemand schert sich in Beirut darum, wie laut die Musik um 2 Uhr in der Nachts ist. Wir feiern die größte andauernde Party östlich des Mittelmeers.

Die Ersten meinen bereits, die künftige Hymne für die Revolution-Abschlusssaison findet sich auch darauf …
Ja, das ist „Old Soul 'Young But Not New'" absolut. Warum? Weil es all diese melodischen Chords hat und diesen riesigen, episch-orchestralen Drop. Ich war einfach in der Stimmung dafür. Ich wollte Musik machen—nicht nur ein paar Loops—, und diese dann in Techno integrieren.

Es war also dein Plan, so eine Hymne zu schreiben?
Nein, haha. Ich habe nicht an eine Hymne gedacht, eher daran, wie ich jetzt all die Akkorde, die Keys und Harmonien, so zusammenbekomme, wie ich mir das im Kopf vorgestellt hatte. Das hat eine Weile gedauert. Und ich nehme immer in meinem Londoner Home Studio auf.

Du hast mit Veranstaltungen in Beirut angefangen, dann ging es nach London. Heute machst du noch immer kleine Warehouse-Sachen und spielst aber auch große Festivals. Wie leicht lässt sich da der Vibe hin und her transportieren?
Auf meinen Partys im Libanon habe ich selbst nie aufgelegt. Da war ich ausschließlich Promoterin. Aber jetzt zehre ich von den Erfahrungen, die ich damals gesammelt und von all den unterschiedlichen DJs, die ich gebucht habe. Das hilft mir bis heute, stets eine besondere Atmosphäre zu erschaffen, egal ob ich in einem Club oder auf einem Festival spiele.

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Eine aktuelle Debatte, die in London, Berlin ebenso geführt wird wie in Detroit oder New York, ist, ob der Staat bzw. die lokalen Behörden der elektronischen Szene unter die Arme greifen sollten. Wie denkst du mit all deinen Erfahrungen darüber?
Im Libanon unterstützen die Gemeinden immer die Szene. Das macht uns aus. Wir feiern die größte andauernde Party östlich des Mittelmeers. Es gibt keinen großen DJ auf der Welt, der noch nicht im Libanon aufgetreten ist. Dem habe ich selbst mit den Weg geebnet. Jeder, der in Beirut spielen möchte, wird mit offenen Armen empfangen. Und Länder, die durch die Zeiten des Krieges gegangen sind, sind offener, es gibt keine Begrenzungen, keine Lizenzen. Niemand schert sich in Beirut darum, wie laut die Musik um 2 Uhr in der Nachts ist.

Gibt es ein Land, in dem du noch nicht gespielt hast, es aber unbedingt möchtest?
In meinem Geburtsland! In Nigeria tut sich gerade einiges, die können Support und Aufmerksamkeit gut gebrauchen.

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