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Die neue Platte von Oscar Mulero vereint Körper und Geist

„Mit ‚Muscle‘ meine ich nicht das Macho-DIng“.

Diese Woche hat der spanische Großmeister des Offbeat-Technos sein neues Album Muscle and Mind veröffentlicht—das dritte in fünf Jahren. THUMP nahm das zum Anlass, um sich mit Oscar über seine zwei Jahrzehnte an der internationalen Spitze, die ewigen Einflüsse und den zyklischen Charakter des Techno zu unterhalten.

THUMP: Hi Oscar, wie geht es dir? Bist du auf dein Boiler Room-Set heute Abend vorbereitet?
Oscar Mulero: Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon bessere Zeiten gesehen. Das war vielleicht ein Tag: Eben in meinem Hotel angekommen in Berlin, in dem der Kühlschrank und der Fernseher nicht funktionieren, und heute früh landete mein Gepäck nicht mit mir in Berlin. Das ist besonders ärgerlich, weil ich morgen die Stadt schon wieder für meine US- und Lateinamerika-Tour verlasse. Zum Glück habe ich aber alles, was ich zum Auflegen brauche, immer bei mir—sonst wäre das mit heute Abend auch ziemlich schwierig geworden.

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Passiert so was öfter?
Ja, kann man schon sagen. Als ich noch mit Vinyl aufgelegt habe, war das mit dem verlorenen Gepäck immer ein riesiges Drama. Vor etwa zehn Jahren hatte ich einen Auftritt in Nordspanien, aber mein Plattenkoffer mit meinem ganzen Kram landete in Südspanien. Ich bin dann mit dem Promoter in den lokalen Plattenladen gegangen, um dort Platten zu kaufen. Ich habe dann so 25 Platten gefunden und später dann auch in meinem Set so ziemlich alle Seiten davon gespielt. [lacht] Das waren noch Zeiten!

Was erwartet uns auf deinem neuen Album, Muscle and Mind?
Der Titel selbst weist ja schon auf den doppelseitigen Charakter des Albums hin. Es ist für Körper und Geist gemacht—ein Mix aus Dancefloortracks und experimentelleren Stücken in Richtung Ambient, IDM und Soundscapes. Dabei ist es aber auch gar nicht so maskulin gemeint, wie der Titel vielleicht suggeriert. ‚Muscle' soll sich jetzt nicht auf Muskel in irgendeiner Macho-Art beziehen.

Steht Muscle and Mind auch für einen neuen Oscar Mulero, oder ist es nur ein Update: Oscar Mulero 3.0?
Für mich fühlt es sich mehr wie eine natürliche Evolution an—mit all den Erfahrungen und Einflüssen der letzten Jahre, die ich darin verarbeite. Ich habe mich nicht neu erfunden, aber lasse mich natürlich ständig von meiner Umgebung inspirieren. Sprechen wir also lieber von einem Update.

Wie sieht deine Umgebung denn aus?
Der moderne Techno wird immer minimalistischer. Nicht so wie damals, während des Minimal-Hypes, aber es gibt immer weniger verschiedene Elemente in den Tracks. Ich habe mich dann auch daran versucht, weil ich einfach gerne neue Sachen ausprobiere. Persönlich habe ich mich außerdem auch bei der Erschaffung für das Material zum audiovisuellen Dark & Light Projekt [zusammen mit dem Künstler Fium] herausgefordert—das ging aber mehr in Richtung IDM.

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Gibt es Künstler, die du in letzter Zeit besonders viel gehört hast?
Da wäre zum Beispiel Mike Parker—wenn ich über den minimalistischen Ansatz spreche, muss ich direkt an ihn denken. Ich spiele viele seiner Arbeiten und natürlich beeinflusst mich das auch. Das gilt auch für Donato Dozzy—die beiden wissen einfach genau, was sie tun. Die ganzen neuen Jungs bei Warm Up und Pole Group beeinflussen mich aber natürlich auch.

Was ist eigentlich aus Offbeat-Techno geworden? Du warst ja für viele der König des Offbeats.
Ab und zu spiele ich immer noch ein paar Offbeat-Tracks, aber in letzter Zeit werden kaum noch welche veröffentlicht. In Kürze erscheint ein Offbeat-Track von mir auf dem holländischen Label MORD-Records. Techno entwickelt sich ständig weiter und bestimmte Sounds kommen wieder zurück—vielleicht gilt das ja auch für Offbeat.

Welche Stadt, würdest du sagen, hat musikalisch den größten Einfluss auf dich gehabt: Berlin, Birmingham oder Detroit?
Ganz klar Birmingham. Ich mag auch Detroit, versteh mich da nicht falsch, aber Birmingham fand ich von Anfang an richtig cool. Ich habe mir früher unglaublich viele Platten von Surgeon und Regis—und als ich sie dann in den 90ern bei ihrem ersten Auftritt in Spanien traf, freute ich mich wie ein kleines Kind. Ich habe mir sogar von Surgeon seine Platten unterschreiben lassen. [lacht]

Hast du das Gefühl, dass in den letzten zwei Jahrzehnten deine Träume wahr geworden sind? Ich würde sagen, dass du inzwischen mit deinen alten Idolen auf einer Höhe bist.
Wenn man das so sieht, dann natürlich. Es war viel harte Arbeit und ich brauchte eine Menge Geduld. Wir waren Pioniere, damals gab es in Spanien noch nichts im Bereich Techno. Die ganzen jüngeren Leute bei Pole Group haben es dann heute doch ein Stück einfacher als wir. Ich bin aber froh, über die ganzen neuen Gäste—die halten mich jung.

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Hat die neue Technologie eigentlich deine Einstellung zum DJing verändert? Womit arbeitest du momentan?
Als ich damals den Entschluss fasste, mit Vinyl aufzuhören, sah ich mich in einer Sackgasse. Es war nicht so, dass ich keinen Spaß mehr daran hatte, mit Platten aufzulegen, aber es brachte einfach zu viele Nachteile mit sich: Clubs, die keine vernünftigen Turntables organisiert hatten, schlechte Nadeln, falsch eingerichtete DJ-Kabinen—alles dabei. Ich entschied mich dann dafür, mit einem Laptop zu arbeiten, was ich dann auch ungefähr fünf Jahre lang gemacht habe. Ich hatte dann aber das Gefühl, dass ich, was meine Performance anging, einen Rückschritt machte, also bin ich auf CDJs umgestiegen. Das kommt dem Auflegen mit Vinyl am nächsten, hat aber den Vorteil, dass ich nur noch USB-Sticks oder CDs mit mir rumschleppen muss.

Warum war das Auflegen mit dem Rechner für dich ein Schritt zurück?
Die Energie eines DJs, der schweißgebadet daran arbeitet, die Tracks aneinanderzureihen, geht dabei einfach komplett verloren. Der Computer nimmt einem das alles ab und für mich ist das einfach nichts. Der Wechsel damals war eine schlechte Entscheidung, aber ich bin froh, dass ich jetzt wieder hinter meinen vertrauten Decks gelandet bin. Ich fühle mich plötzlich wieder zehn Jahre jünger! [lacht]

Wie bist du denn die Aufnahmen zu deinem neuen Album angegangen?
Ich habe Muscle and Mind in mehreren Sessions aufgenommen und dann letztendlich alles an meinem Computer sequenziert, nachdem wir das Signal über einen Analogmixer geschickt haben. Dadurch klingt das Ergebnis besser—ich wollte mehr Raum und Tiefgang in den Tracks und das ist mir auch ganz gut geglückt.

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Wenn du dir die heutige Technolandschaft anschaust, hast du dann nicht das Gefühl, dass es alles schon einmal gab?
Ich höre Menschen immer öfter jammern, dass es alles schon einmal gegeben hat—und in gewisser Weise stimme ich dem auch zu. Musik, und vor allem Tanzmusik, ist eine zyklische Angelegenheit. Es gibt eine Menge Sachen, die sehr ähnlich sind, was aber nicht unbedingt heißt, dass sie auch identisch sind. Ältere Musik dient auch einfach oft als Inspiration für neue Producer. Schau dir nur mal Basic Channel und Jeff Mills an, das sind zum Beispiel die Vorreiter des Sounds, der gerade wieder groß ist.

Kommt Offbeat auch wieder zurück?
Dann muss der Track bei MORD erst mal gut laufen. Das ist ein natürlicher Prozess. Ich werde in dem Boiler Room-Set vielleicht auch ein paar Offbeat-Tracks einbauen

Wo wir gerade bei Boiler Room sind: Glaubst du, dass sich dadurch die Erwartungen an ein DJ-Set verändert haben?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob sich das zum Beispiel auf die Aufmerksamkeitsspanne der Leute auswirkt. Ein großer Vorteil ist aber, dass die Menschen den Künstlern auf die Finger gucken können. Auf einem Festival steht man ja viel zu weit weg, jetzt kann man alles sehen.

Lange Sets werden auch immer schwieriger, wenn die Menschen die nötige Aufmerksamkeit dafür nicht aufbringen können.
Diese einstündigen Sets sind derartig kompakt, dass sie auch wirklich unglaublich schwer zu spielen sind. Die sind noch kürzer als typische Festivalsets—und die sind für meinen Geschmack schon viel zu kurz. Ich bevorzuge diese vier- oder fünfstündigen Sets in Clubs—da fühle ich mich zuhause.

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Welcher Track ist für dich, was The Bells für Jeff Mills ist?
Ich glaube nicht, dass die Menschen mich für einen bestimmten Track kennen. „Horses" wird zwar oft während meiner Sets angefragt, aber verursacht jetzt nicht gerade eine „The Bells"-Hysterie. Die echte Oscar Mulero-Hymne kommt erst noch.

Oscar Muleros Album Muscle & Mind findest du jetzt bei Beatport oder jedem anderen Plattenhändler deines Vertrauens.

Oscar Mulero ist bei Facebook // Soundcloud // Resident Advisor.

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