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Westjordanland

Du kennst Knafeh nicht?

Ich reiste kürzlich in die Stadt Nablus im Westjordanland, das Zuhause eines der beliebtesten Desserts des Nahen Ostens: ein käsiges, unglaublich süßes Gebäck mit dem Namen knafeh.
Fotos vom Autor.

Wieso sollte ich Leib und Leben in einer verrückten Taxifahrt riskieren, israelisches Gesetz brechen und meine jüdische und israelische Identität verheimlichen—für einen Snack? Weil knafeh aus der Stadt Nablus im Westjordanland—der legendären Heimat des Desserts—den Aufwand wert ist.

Das käsige Gebäck aus gebackenem Grieß mit reichlich Zuckersirup ist ein wichtiger Bestandteil der heimischen Küche. „Man bekommt es auch in Jerusalem. Wieso reist du bis nach Nablus?", fragte mich meine verständlicherweise besorgte Mutter vor meinem Trip.

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Die Spannungen im Westjordanland stiegen, nachdem vergangenen Monat ein palästinensisches Zuhause in der Nähe von Nablus abgefackelt wurde und ein Vater und sein Sohn ums Leben kamen. Vergeltende Angriffe seitens der Israelis folgten.

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Die enge Gasse, die zu al-Aqsa führt.

Die Einheimischen in Nablus sind verrückt nach ihrem Knafeh—es ist eine Besessenheit.

Bis nach Jerusalem, zwei Stunden südlich von Nablus und über einen Kontrollpunkt hinweg, haben sich die sagenumwobenen Qualitäten von Knafeh aus Nablus herumgesprochen und alle wissen, dass es nirgendwo besseren gibt.

In den letzten Jahren ist das Dessert auch unter Israelis immer beliebter geworden. Die Version aus Jerusalem wird mit einer unfassbaren Menge an Zuckersirup gemacht. Ein britischer Koch in Jaffa experimentiert mit allen möglichen anderen Zutaten: Halva, Zimt und Zitronenzeste, belgische Schokolade oder einer pikanten Version mit getrockneten Tomaten, Oregano und Balsamico-Essig.

Die traditionelle und authentischste Version stammt jedoch aus Nablus: weicher Knafeh aus geröstetem Grieß, gebacken über einer Gasflamme—bis es außen knusprig ist und innen gerade durch—mit Ziegenkäse und viel Sirup. Ich musste einfach nach Nablus fahren und die Originalversion probieren.

Tief drinnen im Herzen des osmanischen khan in Nablus—einem verrückten Gewirr von Apotheken, Metzgern und anderen Händlern, gleich um die Ecke des bekannten Uhrturms—befindet sich Al-Aqsa Sweets, eine kleine Bäckerei, die fast ausschließlich von Einheimischen besucht wird und nur Knafeh macht.

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Der Käse wird in Schichten auf das Grieß gelegt.

Der kleine Sitzbereich im hinteren Teil des Ladens ist nicht annähernd für alle Kunden ausreichend, deshalb stehen sie draußen in der Gasse neben einem Graffiti, das die terroristische Gruppe der Hamas preist und das sich seit drei Jahren an dieser Stelle befindet.

Knafeh Rezepte sind streng gehütete Geheimnisse, die nur innerhalb der Familien und des Geschäfts weitergegeben werden. „Wie ein Arzt seine Ausbildung hat, haben wir unsere", sagt Kemal, ein riesiger Mann, der schon seit 40 Jahren Knafeh zubereitet.

Er verteilt das goldene Grieß gleichmäßig in der riesigen Pfanne und krümelt dann den harten weißen Käse darüber. Dann wird alles gebraten.

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Der Knafeh wird in süßen Sirup getränkt.

Nach ein paar Minuten über der Gasflamme schmilzt der Käse. Wie der perfekte Schokoladencookie ist auch der beste Knafeh eine Kombination aus salzig und süß, knusprig und klebrig.

Abu Mohammad, immer noch mit der Zigarette unter seinem stoppeligen Schnurrbart, gießt massenhaft Sirup über das gesamte Blech. Oft wird der Sirup mit Rosenwasser oder Orangenblüten angereichert .

Wenige Sekunden nachdem ein frisches Blech aus der Küche gekommen ist, hat sich schon eine kleine Schlange gebildet, die darauf wartet, von Abu Mohammad ein noch dampfendes Stück Knafeh serviert zu bekommen. Jeden Tag verkauft Al-Aqsa zwischen 150 und 200 Bleche Knafeh, erzählt Kemal. An einem hektischen Nachmittag während der Woche braucht Al-Aqsa schon mal drei der riesigen Bleche in 20 Minuten.

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Männer, die sich für al-Aqsas Knafeh anstellen.

Bei 4 NIS (etwa 90 Cent) pro Teller ist es ziemlich verlockend, noch eine zweite Portion zu bestellen.