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Wie sich japanische Jungs küssen

Das japanische Pendant zum Spaghettikuss aus Susi und Strolch ist schon seit Jahren der Pocky-Kuss. Seit kurzem verbreiten sich Videos im Internet, in denen Jungs ihre homoerotischen Neigungen mit Hilfe von Pocky ausleben.

Welche Nahrungsmittel sind für dich sexy? Welche verbindest du mit Romantik? Austern? Bananen? Mit Schokolade überzogene Erdbeeren?

Das ist alles auf die ein oder andere Weise nachvollziehbar, aber wie siehts mit brösligen, trockenen, mit Schokolade überzogenen Keksstäbchen, aus? Wahrscheinlich eher weniger.

Seit einigen Jahrzehnten in ganz Japan besessen von Pocky, einer Süßigkeit, die hierzulande besser als Mikado bekannt ist.

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In Japan wurde das Produkt erstmals 1966 verkauft und seitdem ist es in ganz Asien beliebt. Heute gibt es 300 Variationen in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen von Adzukibohne, Grüntee, Melone, Karamell, schwarzer Sesam und viele weitere.

Aber was hat das eigentlich mit Romantik zu tun, und noch viel wichtiger, mit Sex? Naja, seit Jahren ist das japanische Äquivalent des „Spaghettikusses"—den wir aus Susi und Strolch kennen—der Pocky-Kuss.

Obwohl man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, wo genau der Pocky-Kuss wirklich herkommt, ist er doch sehr wahrscheinlich vom Spaghettikuss inspiriert worden.

Den Pocky-Kuss findet man mittlerweile in Animes, in YouTube-Videos und auf unzähligen Schulpartys in ganz Japan und großen Teilen Asiens.

Pocky, seine romantische Subkultur und die daraus resultierenden Partyspiele sind nicht gerade etwas Neues, das wissen wir schon, aber momentan erobert eine neue Variation des Meme Schulen in ganz Japan wie das Tamagotchi damals in den 90ern.

Online und offline verbinden Pocky-Fans ihre Leidenschaft für den Schoko-Keks-Snack mit bishōnen und yaoi.

Bishōnen—oder bishi—bedeutet so viel wie „schöner Junge" und steht in der japanischen Kultur für den Inbegriff von männlicher Schönheit, nach dem Mädchen verrückt sind.

Yaoi, auch unter dem Namen „Boy's love" oder BL bekannt, ist ein Genre von Animes und Mangas in Japan, in dem es um die romantische Beziehung zwischen zwei männlichen Charakteren geht.

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Das Resultat dieser Mischung? Im Internet wimmelt es von Jungen, die Pocky dazu verwenden, ihr homoerotisches Verlangen nach einander auszuleben, sehr zur Freude unzähliger Mädchen, die die Videos ungestört in ihren Schlafzimmern anschauen.

Im typischen Junge-küsst-Junge-Pocky-Video ist eine Gruppe junger Männer in Schuluniformen zu sehen, die sich gegenseitig zu einem Pocky-Kuss herausfordern. Zwischen dem Kichern ihrer Mitschüler essen zwei Schönlinge ein Pocky vom jeweils anderen Ende und küssen sich schließlich auf die Lippen. In anderen Videos kreischen Mädchen, während ihre Lieblingspopstars das Spiel spielen. Die Videos sind sogar im japanischen Fernsehen gelandet.

Und sie sind beliebt. Ein Pocky-Clip auf Vine, der vom User yoh! hochgeladen wurde, hatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels 13.234.072 Loops. Es gibt sogar eine Compilation von Mann-küsst-Mann-Pocky-Videos zum internationalen Pocky-Tag am 11. November.

Wie kam es denn zu diesem Trend?

Homoerotik hat in der japanischen Kultur eine lange Tradition, obwohl die Hälfte aller Japaner angibt, gegen die Homoehe zu sein. Monastische gleichgeschlechtliche Liebe oder Nanshoku-Beziehungen gehen auf die buddhistischen Tempel zurück. Meist war ein Partner älter, der andere ein junger Akolyth. Gleichgeschlechtliche Liebe wurde auch in der Samurai-Tradition dokumentiert, wo die Beziehung als „brüderliche Verbindung" angesehen wurde.

Die Pocky-Küsse, die sich derzeit auf YouTube verbreiten, sind also nur die jüngste Erscheinung in der uralten Tradition der Homoerotik in Japan. Nichtsdestotrotz ist die gleichgeschlechtliche Ehe in Japan immer noch verboten und Schwule und Lesben werden im Alltag immer noch diskriminiert.

Der Einfluss einer Süßigkeit allein ist eben begrenzt und ein paar Videos werden vermutlich nicht die Einstellung einer ganzen Nation verändern. Ein guter Anfang ist es dennoch.