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Auf Bali landet der Verlierer im Hahnenkampf in der Pfanne

Auf Bali ist man auf Hahnenkämpfen angewiesen, um ein sicheres Einkommen zu haben. Ich habe Dilly kennengelernt, ein Held in der Welt des Hahnenkampfes. Und ich habe rausgefunden, was mit den Hähnen passiert, die ihren Kampf verlieren. Es hat was mit...
Foto: Flickr-User Vijay Chennupati

Wir rasen über Bergstraßen an Kokosnussbäumen vorbei und fahren durch winzige Dörfer mit Leuten, die uns auf der Straße etwas verkaufen wollen. Unser Fahrer ist Dilly, ein Mann, den ich vor vier Jahren am schwarzen Sandstrand von Amen kennengelernt habe. Damals war er noch Fischer und Touristenführer. Dieses einfache Leben liegt nun hinter ihm. Denn jetzt schwingt er in einem riesigen Hahnenkampfring das Zepter.

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Hahnenkämpfe gehören zu den Lieblingshobbys auf Bali. Dilly besitzt, pflegt und wettet auf Hähne. Und jeder Tag bringt einen neuen Kampf um Leben und Tod mit sich. Er hält permanent zwanzig Hähne und kümmert sich rührend um sie. Sie leben in geflochtenen Körben, da sie zu aggressiv sind, um im Dorf frei rumlaufen zu können. Bei Tagesanbruch steht Dilly auf, um ihnen Vitamine zu verabreichen und sie mit Fleisch zu füttern—was er selber nicht essen kann, weil er Hindu ist—und spritzt ihnen ein Mittel, das sie noch aggressiver machen soll. Es ist ein echter Fulltime-Job, mit äußerst unsicherem Gehalt. In seinem Gesicht kann ich die Anspannung sehen, während er laute R&B-Beats durch die Boxen jagt.

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Foto: Bo Ghetto Kitty

Nachdem wir angekommen sind, bahnen wir unseren Weg durch einen Dschungel und erreichen schließlich eine kleine Blechhütte inmitten von Bananenpflanzen. Hier steht eine wacklige Tribüne aus Bambus um eine Arena voll mit Männern, die ihre Hähne in den Händen halten. Das hier ist das Revier von Dilly. Aber nur wenn auch die Wetteinsätze stimmen, wird er seine Hähne in den Kampf ziehen lassen.

Männer ziehen an den Hälsen der Hähne, um sie aufzupeitschen, werfen sie zu Boden, provozieren sie und lassen sie die Köpfe ihrer Mitstreiter hacken. Dilly hingegen schaut sich das Treiben scheinbar entspannt vom Rand aus an. In seinen Händen spielt er mit abgenutzten Geldscheinen, das nachdenkliche Grübeln eines Zockers steht ihm ins Gesicht geschrieben. Sein tätowierter Lidstrich lässt ihn noch entschlossener erscheinen.

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Das linke Bein des Hahns wird mehrfach mit rotem Draht umwickelt, an den ein großer Nagel aus Metall befestigt ist. Auf diese Weise kann der Hahn auf einem Bein stehen und mit dem anderen seinen Widersacher angreifen. Wetten werden angenommen und das Geschrei wird immer lauter und schriller. Aber das Chaos ist hier ein System, das allen vertraut ist.

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Die Wettsummen schießen in die Höhe, bis der Schiedsrichter ein Zeichen gibt, woraufhin sich die Spieler zurückziehen. Jetzt können die Hähne aufeinander losgehen, und es kommt sofort zu einem heftigen Feder- und Schreigewitter. Schon bei den ersten kurzen Zusammenstößen spritzt ordentlich Blut. Die Meute schreit und stöhnt bei jedem blutigen Angriff. Einige Kämpfe enden in wenigen Sekunden, andere können sich über Minuten hinziehen. Dann stolpern die Hähne auf dem blutverschmierten Boden aufeinander zu. Wenn die Action einmal abreißt, werden die Hühner beiseite genommen, ordentlich provoziert und dieses Mal in einen Korb gesteckt. Der erste, der dann zuschlägt, wird zum Gewinner erklärt. Der Jubel endet abrupt und Geldscheine wechseln ihre Besitzer. Der Verlierer wird getätschelt, während Blut auf den staubigen Untergrund fällt.

Die toten Hähne dienen entweder als Opfergaben für den nahe liegenden Tempel oder werden mit deftigem Aufschlag verkauft—das Fleisch gilt als Delikatesse aufgrund des relativ einfachen Lebens der Hähne und ihres vitaminreichen Fleisches. Schließlich müssen sie nicht wie andere ihrer Artgenossen im Dreck herumwühlen. Diejenigen, die ein paar lukrative Kämpfe gewinnen konnten, bekommen ein Hennenharem geschenkt und dürfen ein Leben als „Gigolo" führen. Außerdem müssen sie nie wieder kämpfen. Jeder Hahn muss träumen dürfen.

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Dilly war einmal der Typ, der Mahi Mahi am Strand gekocht hat. Nun ist er dank seiner lukrativen Hähne mit Gold behangen und fährt eine rote Yamaha Ninja. Später in einer Bar erzählt er mir, dass er „nicht mehr arm ist und etwas aus seinem Leben gemacht hat."

Der Respekt, den Leute ihm entgegenbringen, wird deutlich, wo auch immer wir auftauchen. Er leiht allen Geld, manchmal behält er dafür dann ihre iPhones als Pfand ein. Und dann dreht sich wieder alles in einem ewigen Kreis: verleihen, borgen, wetten, verleihen, borgen.

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Am nächsten Tag machen wir uns auf zu einem Hahnenkampf mit hohen Einsätzen, zu dem Leute aus verschiedenen Dörfern in der Umgebung zusammenkommen. Ich sage zwar „Leute", es kommen aber ausnahmslos Männer. Der Wetteinsatz beträgt 10.000 Rupiah, um die 70 Cent. Sie wollen, dass ich auch zahle, aber Dilly wimmelt sie ab. „Sie respektieren mich, deswegen musst du nichts zahlen", sagt er. Wir betreten eine Scheune mit über 1.000 ungeduldigen Männern, die eng aneinander gedrückt stehen. Ein Hauch von leidenschaftlichem Wettfieber liegt in der Luft, fast so wie in den Casinos des Westens.

Die toten Hähne dienen entweder als Opfergaben für den nahe liegenden Tempel oder werden mit deftigem Aufschlag verkauft—das Fleisch gilt als Delikatesse aufgrund des relativ einfachen Lebens der Hähne und ihres vitaminreichen Fleisches.

Die Männer stehen auf der Betontribüne mit aufgerissenen Augen und schreien die Farbe des Hahnes, der ihrer Meinung nach das Rennen machen wird. Oder aber sie brüllen „sala sala sala sala" für einen kleinen Einsatz. Die Offiziellen im Ring tragen Sarongs und nagelneue weiße T-Shirts von Quicksilver, nehmen die Wetten entgegen und reichen die Hähne herum. Dabei tasten sie die Muskeln der Hähne ab, um zu entscheiden, wer sich gegen wen in welcher Gewichtsklasse zu bekriegen hat. Ein Nebel von Rauch, Schweiß und überbordendem Testosteron liegt in der Luft.

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Und ich bin die einzige Frau—und nebenbei auch noch die einzige weiße Person—in der Arena.

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An diesem Tag sah ich, wie Dilly innerhalb von einer Stunde zehn Millionen Rupiah in 15 Kämpfen in den Sand gesetzt hat. Ich frage ihn, ob er über das Ergebnis sehr enttäuscht ist. „Ich bin nicht traurig", sagt er. „Hier wird schließlich gewettet. Morgen versuche ich es wieder."

Das Durchschnittseinkommen beträgt zwischen sechs und zehn Millionen Rupiah im Monat—etwa 350-600 Euro. Das Geld, das Dilly durch die Wetteinnahmen gewinnt, ernährt seine achtköpfige Familie, einschließlich seines zweijährigen Sohnes. Seine Mutter starb, als er zehn war. Beim Tod seines Vaters war Dilly gerade mal 14. So landete er auf der Straße und hatte keinerlei Zugang zu Schuldbildung. Auf eigenen Beinen zu stehen ist also das einzige, was Dilly jemals kennengelernt hat.

Neben Einnahmen aus dem Tourismus ist der Hahnenkampf ein wichtiger Bestandteil des örtlichen Wirtschaftsmodells und das auch schon seit sehr langer Zeit. Moralische Bedenken können in Außenstehenden wie mir zwar aufkommen, aber wenn du dir die bloßen Fakten vor Augen führst, gehen dir schnell die Argumente aus. Die Leute leben hier schlicht und einfach davon.

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Später sehe ich, wie Teller mit Ayam Goreng (Brathähnchen) draußen verkauft werden. Das sind aber keine normalen Brathähnchen, die du in Indonesien überall finden kannst. Denn hier liegt das Schicksal der Hähnchen, die den Kampf um Leben und Tod verloren haben—kross gebacken, schnell verputzt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wohl ein Hähnchen schmeckt, das vor 1.000 Leuten in einer Arena sein Leben gelassen hat. Ich lehne dankend ab, plötzlich gar nicht mehr so hungrig wie noch zuvor. Aber so ist das hier in Bali.

Die westliche Welt mag Wert darauf legen, dass das Fleisch aus der Region kommt. In Bali kommt es eben aus der Arena.

Oberstes Foto: Vijay Chennupati _| Flickr | CC BY 2.0_