Nicht jeder kann professioneller Spreewaldgurkentester werden
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Gewürzgurken

Nicht jeder kann professioneller Spreewaldgurkentester werden

Maik Maetzke wollte eigentlich nie Gewürzgurken-Experte werden, aber das Schicksal wollte es anders.

Maik Maetzke wollte eigentlich nie Gewürzgurken-Experte werden, aber das Schicksal wollte es anders. Seine Liebe zu den Gurken im Glas hat er schon in seiner Kindheit im Spreewald entwickelt, wo die prächtigen Gurken auf dem mineralreichen Boden gedeihen und in eingelegter Form das ganze Jahr über verkauft werden.

Spreewaldgurken sind legendär, eines der wenigen DDR-Produkte, die es immer noch zu kaufen gibt. Wer sie nicht kennt, erinnert sich vielleicht, wie Daniel Brühl in Good Bye, Lenin! extra nach einem alten Spreewaldgurkenglas im Müll gesucht hat. Sie sind kulturell für die Region wichtig, aber auch wirtschaftlich, da sie eines der beliebtestenExportprodukte Brandenburgs sind und EU-weit geschützt sind.

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Maik Maetzke arbeitet beim Familienunternehmen Rabe, das seit über 100 Jahren in Lübbenau Gurken herstellt. Lübbenau ist eine der beliebtesten Touristenstädte des Spreewalds, circa eine Stunde mit dem Zug von Berlin entfernt. Als Mitarbeiter in der Produktentwicklung ist es seine Aufgabe, Gurken zu testen – vom Fließband bis zur Entwicklung neuer Sorten.


Gürkchen passen auch wunderbar zu Mettbröchten:


Jedes Jahr füllt Rabe mehr als 2.000 Tonnen Spreewaldgurken nach geheimem Familienrezept ab – und Maik Maetzke isst einen guten Teil davon. Uns hat er mehr von seinem skurrilen, beneidenswerten Job erzählt und was eine gute Gewürzgurke ausmacht.

Spreewaldgurken. Foto mit freundlicher Genehmigung des Spreewaldvereins e. V.

MUNCHIES: Kannst du dich noch erinnern, wie du das erste Mal eine Gewürzgurke gegessen hast?
Maik Maetzke: Ehrlich gesagt gehörten Gewürzgurken schon immer zu meinem Leben. Meine Großeltern erzählen immer, dass mein erstes Wort "Gewürzgurke" war. Einmal bin ich sogar fast an einer gestorben, als sie mir im Hals stecken blieb. Zu DDR-Zeiten hatten wir auf den Märkten immer einen kleinen Stand, wo meine Großeltern Gewürzgurken verkauft haben. Ich bin also mit ihnen groß geworden.

Wie bist du Gewürzgurkentester geworden?
Ich habe vorher als Koch in Berlin gearbeitet und hatte also schon ein bisschen Erfahrung in der Arbeit mit neuen Geschmacksrichtungen. Irgendwann bin ich dann zurück in die Heimat, in den Spreewald gegangen, und war hier drei Jahre lang als Azubi und habe gelernt, wie man richtig Gurken testet. Mittlerweile bin ich seit acht Jahren hier.

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Was macht für dich eine gute Gewürzgurke aus?
Das kommt auf die Sorte an. Wir bei Rabe machen zum Beispiel Dillgurken mit Milchsäurevergärung, aber auch Senfgurken. Oder neue Geschmacksrichtungen wie Chili- oder Currygurken.

Es hängt viel davon ab, ob sie süß oder salzig genug sind, ob die Säure stimmt und ob sie schön knackig sind. Spreewaldgurken müssen knackig sein. Der Geschmack muss ausbalanciert sein und die Gewürze müssen passen. Ich kann nicht wirklich sagen, wie – man schmeckt es einfach.

Hast du jemals ein Glas Gewürzgurken probiert, das schrecklich schmeckte?
Ich hatte eigentlich nie eines, das nicht gut war. Manchmal fehlte ein bisschen Pfeffer oder wir mussten noch etwas Dill oder so hinzugeben, damit der Geschmack wirklich perfekt wird. Die Gewürze variieren von Glas zu Glas, das ist auch in Ordnung, die Gurken müssen einfach nur gut schmecken. Natürlich hat sich der Geschmack über die Jahre auch ein bisschen verändert, heute sind sie glaube ich etwas süßer.

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Maik Maetzke in einem Dillfeld. Foto von der Autorin

Lass uns ein bisschen über den Testprozess sprechen…
Wir haben alle zwei Monate Gurkentests. Wir sind mindestens zu fünft im Labor. Wir öffnen die Gläser und probieren die Gurken. Da wir bei Rabe ein geheimes Familienrezept verwenden, kommt die Familie auch ab und zu dazu, um ihr Produkt zu überprüfen.

Und bei neuen Produkten läuft es genauso ab?
Wenn wir ein neues Produkt entwickeln, testen wir es mindestens zehn bis zwölf Mal. Irgendjemand will immer etwas mehr Schärfe oder etwas mehr Säure, meistens hat jeder etwas anderes zu beanstanden. Bei den zwei Neuzugängen, Curry und Sweet Chili, haben wir viele Versuche gebraucht, um einen Kompromiss zu finden, der uns allen schmeckte.

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Da wir nur zu fünft in der Produktentwicklung sind, fragen wir auch die Mitarbeiter nach ihrer Meinung zu unserem finalen Produkt. Wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind, gibt es in der Kantine Gurkenproben und die Mitarbeiter können uns über Feedback-Bögen sagen, was sie von den neuen Gurken halten.

Welche Sorte war am schwierigsten zu entwickeln?
Die meisten Diskussionen gab es bei den Sweet-Chili-Gurken. Ein innovatives Produkt, das ich persönlich noch in keinem Supermarkt gesehen habe. Die richtige Süße war das Schwierigste für uns: Einige fanden sie zu süß, für andere hätte es noch ein bisschen mehr sein können. Und die Schärfe musste natürlich stimmen. Am Ende haben wir demokratisch entschieden.

Wie neutralisiert man seine Geschmacksnerven bei so einem dominanten Geschmack?
Normalerweise trinken wir zwischen den Proben Wasser. Nur bei den Sweet-Chili-Gurken hatten wir Schwierigkeiten, weil sie so scharf sind, dass man nicht wirklich viel danach schmecken kann. Deshalb probieren wir die meist zum Schluss.

Wird Gurkentesten denn nicht irgendwann langweilig?
Wir haben ja nur alle zwei Monate die Tests, das ist nicht so oft. Und an den Geschmack habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Beim Grillen esse ich gern Gewürzgurken, die sind die perfekte Beilage.

Kann jeder so wie du Gurkentester werden?
Ich glaube, wer wirklich gut kochen kann, kann den Job machen. Man muss vor allem einen gutes Gespür für den Geschmack und die Zutaten haben.

Vielen Dank für das Gespräch.