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FIGHTLAND

„Großbritanniens schlechtester Boxer" gewinnt nach 51 Pleiten wieder einen Kampf

Acht Jahre lang verlor Robin Deakin jeden Profi-Kampf. Weil er nicht trainierte, wie er selbst sagt. Jetzt soll alles anders werden. Schließlich hat er alles an Rocky Balboa nicht umsonst studiert.
Image via Robin Deakin

Robin Deakins Kampfstatistik sieht nicht unbedingt nach Bilderbuch aus. Denn zwei Siegen stehen sage und schreibe 51 Niederlagen gegenüber. Trotzdem glaubt der 29-jährige Brite fest daran, dass es jetzt wieder aufwärts geht. Einer der zwei Siege gelang ihm nämlich erst am Samstag Abend in der Londoner York Hall gegen Deniss Kronilovs nach Punkten—sein erster Sieg nach 51 Niederlagen in Folge, einer der längsten Pleitenserien in der Geschichte des Boxsports.

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Sie begann vor mehr als acht Jahren, als Deakin—der sich selbst am liebsten „Rocky Balboa" nennt—im Februar 2007 gegen Eduards Krauklis verlor. Im Anschluss folgten 50 weitere Niederlagen, die meisten davon in Kämpfen über vier und sechs Runden (nur einmal ist er in einem Kampf über 12 Runden angetreten, ging aber schon in der dritten k. o.). Zwischenzeitlich wurde ihm sogar schon vom britischen Boxverband die Lizenz entzogen, weil man davon ausging, dass er eh nie wieder einen Kampf gewinnen würde. Deakin konnte am vergangenen Samstag auch nur deswegen antreten, weil ihm der Inselstaat Malta eine Speziallizenz ausgestellt hatte.

Deakin wurde von den Medien bereits als der schlechteste Boxer Großbritanniens bezeichnet, auch wenn ich finde, dass diese Bezeichnung besser zu Peter Buckley—einem weiteren britischen Boxer mit der verheerenden Statistik von 32 Siegen, 256 Niederlagen und 12 Unentschieden—passen würde. Außerhalb Großbritanniens gibt es noch weitere Serienverlierer, die mit der Anzahl an Niederlagen Deakin ohne Weiteres Konkurrenz machen können. Da wären etwa Reggie Strickland (66-276-17) und Donnie Penelton (13-166-6) zu nennen, obwohl man zu deren Verteidigung sagen muss, dass keiner von beiden 51 Mal in Folge den Boxring als Verlierer verlassen musste. Wie will man aber überhaupt ermitteln, wer der schlechteste Boxer der Welt ist. Deakin hatte die längste Pleitenserie, Buckley hat mehr Niederlagen gesammelt, Strickland hat von allen am häufigsten verloren, dafür aber auch gegen spätere Titelträger geboxt. Wie geht man mit knappen und/oder umstrittenen Niederlagen nach 12 Runden um? All diese Faktoren finden Berücksichtigung, wenn es darum geht, den besten Boxer zu ermitteln. Am anderen Ende der Tabelle schert sich keiner um solche Detailfragen, weil sich die Geschichtsbücher eigentlich nie mit Verlierern auseinandersetzen.

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Me and my dad after my fight #RealMenCry was so happy to win meant so much pic.twitter.com/3pNUX4oYfs
— Robin Deakin (@rockinrobinbox6) 3. September 2015

Vielleicht sollte sich das aber mal ändern.

Man überlege sich nur mal, was ein Sieg für einen Sportler, der 96 Prozent seiner Profikämpfe verloren hat, bedeuten mag. Wir reden von einer Person, die in den letzten acht Jahren ausschließlich Niederlagen einstecken musste und trotzdem nie aufgehört hat, an sich zu glauben. Auf Deakins Twitter-Account wimmelt es nur so vor Gratulanten, die den Briten als Vorbild und Inspirationsquelle bezeichnen und ihm dafür danken, dass sein eiserner Wille auch ihnen bei zukünftigen Rückschlägen weiterhelfen werde. Deakin, will man es jetzt naiv nennen oder nicht, ist sich sicherer denn je, seine Karriere fortzuführen (auch wenn es eher heißen sollte: zur Abwechslung mal ernstzunehmen, denn nach eigener Aussage hat er in der Vergangenheit vor seinen Pleiten fast überhaupt nicht trainiert). Sein erstes Ziel besteht darin, sich seine britische Boxlizenz zurückzuholen, danach noch mehr Kämpfe zu bestreiten und eines Tages in Reichweite eines Titelkampfes zu kommen. Ein verdammt schwieriges, wenn natürlich auch nicht unmögliches Unterfangen. Zwischen all seinen Twitter-Gratulationen war auch eine Nachricht eines WBF-Funktionärs, der ihm einen regionalen Titelkampf in Aussicht stellte. Doch Deakin, ganz der edle Dickkopf, lehnte höflich ab, da er sich „seine Titelchance verdienen will und dafür respektiert werden möchte." Seine Antwort zeigt, dass Deakin—obwohl nicht gerade ein begnadeter Boxer, zumindest schon mal die richtige Attitude an den Tag legt.

In der kurzen Doku über Deakin wird deutlich, dass er ein ziemlich netter Zeitgenosse zu sein scheint. Auch seine Bewegungen im Training sehen ganz passabel aus. Ganz passabel waren auch seine Leistungen im Amateurbereich, als er von 70 Kämpfen immerhin 40 für sich entscheiden konnte. Doch allein die Tatsache, dass er überhaupt im Boxring stehen kann, ist ein kleines Wunder für sich. Denn Deakin kam mit einem Klumpfuß zur Welt, der nur mithilfe von 60 Eingriffen operativ entfernt wurde.

Auch wenn ich Gefahr laufe, anmaßend zu klingen, muss ich es trotzdem loswerden: Ich wünsche Deakin, dass er den Sieg in vollen Zügen auskostet, denn das hat er sich mehr als verdient. Aber dann wünsche ich ihm auch, dass er einsieht, mit seinen 29 Jahren und der noch immer rabenschwarzen Statistik keine reelle Chance auf einen Titel zu haben. Stattdessen sollte er dankbar sein, dass die vielen schweren Niederschläge der letzten Jahre bisher keine Folgeschäden ausgelöst zu haben scheinen, und die Boxhandschuhe lieber an den Nagel hängen.

Zudem muss er sich nicht einmal damit grämen, die längste Pleitenserie aller Zeit aufgestellt zu haben, denn diese Ehre kam einem Rumänen namens Alexandru Manea zuteil, der insgesamt 54 Profikämpfe bestritten und jeden einzelnen davon verloren hat. Also genieß deinen Ruhm und die Wärme des Scheinwerferlichts, Robin. Und beginn, auch deiner Freundin zuliebe, dein Leben nach dem Sport.