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Wie Statistik-Gurus und Analysten die NBA übernehmen

NBA-Teams beschäftigen so viele Analysten wie nie zuvor. Und unsere Recherche zeigt: Die Zahlen-Geeks bedeuten ein Plus an Rebounds, Dreiern und Siegen.
Bill Streicher-USA TODAY Sports

In der NBA kommt heutzutage eine kleine Armee an Analysten zum Einsatz. Das war bis vor ein paar Jahren noch anders. Aber machen die Statistik-Gurus wirklich einen Unterschied? Die Antwort lautet: Die Teams, die mit mehr Analysten zusammenarbeiten, gewinnen im Allgemeinen mehr Spiele, und die Teams, die am frühesten auf Analysten gesetzt haben, gewinnen am meisten von allen. Wir wissen das. Weil wir nachgerechnet haben.

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Lasst uns mit der ersten These loslegen: Dass NBA-Teams mittlerweile deutlich mehr Analysten beschäftigen als noch vor ein paar Jahren. Auch wenn es hinsichtlich der Definition von „Analyst" ein paar Komplikationen gibt—manche Teams haben Mitarbeiter, die neben analytischen Tätigkeiten auch als traditionelle Scouts arbeiten; manche Teams greifen auf externe Berater zurück; und manche General Manager, wie auch Houstons Vorreiter Daryl Morey, sind so sehr mit den Statistiken ihres Teams vertraut, dass man sie getrost als Analyst rechnen kann—, war die Bestimmung von diesem Teil unserer Analyse am leichtesten. Wir begannen mithilfe von RealGM, alle Front-Office-Mitarbeiter aller NBA-Teams zusammenzustellen.

Um den Pool ein bisschen auszudünnen, haben wir uns auf solche Mitarbeiter konzentriert, deren Arbeitstitel Schlagwörter wie „Analyst"und „Analyse" beinhalten. Gleichzeitig sind wir aber die Liste gründlich genug durchgegangen, um nicht solche auszuschließen, die auch ohne den Titel analytische Aufgaben betreuen. Darum durfte auch ein Herr Morey nicht fehlen. Unser System war zwar nicht perfekt, trotzdem sind wir überzeugt, dass wir über die kompletteste Liste an Analysten verfügen, die es für die NBA jemals gab. Und noch viel wichtiger (und zwar für unsere Ergebnisse): Wir haben auch herausgefunden, seit wann sie ihre Teams mit ihren Analysen bereichern.

Die Entwicklung ist absolut beeindruckend: Im Jahr 2008 hatten gerade mal vier Franchises Analysten in ihren Reihen (und in den meisten Fällen nur einen pro Team). Diese Zahl stieg in den Folgejahren deutlich, bis sie 2012 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, als in nur einem Jahr neun weitere Franchises auf den Analysten-Zug aufsprangen und sich die Gesamtzahl auf 22 verdoppelte. Heute beschäftigen die NBA-Teams rund 65 Analysten, und jedes einzelne Team hat mindestens einen in seinen Reihen. Der Anstieg, wenn graphisch dargestellt, ist fast buchstäblich exponentiell.

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Wir wissen jetzt also: Der Anstieg an Analysten in der NBA war dramatisch. Aber: Schlägt sich das auch in den Zahlen nieder, die am wichtigsten sind, also Siege und Niederlage? In einem Wort: ja. Für diesen Teil unserer Untersuchung haben wir es als nützlich erachtet, die letzten acht Jahre in zwei Zeiträume aufzusplitten: 2008-2012 (der linke Teil des Graphen) und 2013-2016, als das Analysten-Game so richtig abging.

Lasst uns mit dem ersten Zeitraum loslegen: Zwischen 2008 und 2012 beschäftigten 12 Klubs gar keinen Fulltime-Stats-Guru, während die restlichen 18 Franchises mindestens einen in ihrem Team hatten.

Wie sich bei unseren Untersuchungen herausgestellt hat, haben die 18 Teams, die bis 2012 einen oder mehrere Analysten eingestellt haben, im Schnitt zwischen 2008 und 2012 4,3 Saisonsiege mehr eingefahren—im Vergleich zu den Teams, die erst nach 2012 auf Analysten gesetzt haben. Klar spielen hierbei auch noch andere Faktoren eine große bzw. noch wichtigere Rolle—bei manchen Teams war klar, dass sie abkacken würden, ausgefeilte Analysen hin oder her; und vielleicht waren die „Frühaufsteher" an sich auch einfach besser gemanagte Teams. Trotzdem bleibt es ein interessantes Ergebnis, auch wenn wir noch keine statistische Relevanz beanspruchen können.

Noch interessanter ist aber eh die folgende Beobachtung: Der Effekt blieb bestehen. Während des zweiten Zeitraums unserer Untersuchung (2013-2016) schnitten die 18 Frühaufsteher noch immer besser ab. Nur dass wir es dieses Mal nicht mit vier Saisonsiegen mehr, sondern mit durchschnittlich sieben zu tun hatten. Und das ist statistisch relevant.

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Die Vorteile schlugen sich auch taktisch nieder. Schaut euch die folgende Grafik an, die die durchschnittliche Anzahl an Dreipunkteversuchen pro Spiel abbildet.

Kommt euch bekannt vor? Kein Wunder, es ist im Grunde genommen derselbe Graph wie der, den ihr nur wenige Absätze zuvor studiert habt—nur um ein Jahr nach hinten verschoben. Kurz zusammengefasst kann man sagen: In dem Moment, wo die Anzahl an Analysten in der NBA anstieg, ging auch die Anzahl an Dreierversuchen nach oben. Das macht Sinn, denn moderne Basketballuntersuchungen legen unisono nahe, dass Dreierversuche eine sehr effektive Offensivwaffe sind.

Natürlich muss man auch treffen. Und unsere Untersuchungen zeigen, dass Teams, die früh auf Analysten gesetzt haben, das besser tun, wenn auch erst ab dem Zeitraum 2012-2016. Dort hatten die Frühaufsteher eine um 0,7 Prozent bessere Dreierquote. Das ist natürlich kein großer Unterschied, aber es ist statistisch trotzdem relevant und es ist auch nicht nichts. Bei der aktuellen Anzahl an Dreierversuchen in der NBA sind das umgerechnet rund 0,5 Punkte pro Spiel mehr.

Derselbe Trend lässt sich auch bei den Rebounds nachzeichnen—genauer gesagt bei der Statistik, wie viele Rebounds pro Spiel ein Team mehr holt als sein Gegner. Zwischen 2008 und 2012 holten sich Teams, die frühzeitig auf Analysten gesetzt hatten, im Schnitt 0,024 Rebounds mehr pro Spiel (zum Vergleich: Die Teams, die erst nach 2012 auf Analysten vertrauten, pflückten sich -0,042 weniger Rebounds. Dieser Unterschied sollte im späteren Zeitraum noch deutlicher werden. Denn von 2012 bis 2916 holten sich die Frühaufsteher 0,2 Rebounds mehr pro Spiel, während die Spätstarter im Schnitt 0,3 Rebounds weniger sammeln konnten. Umgerechnet bedeutet das alle zwei Spiele ein Ballbesitz mehr, und auf eine ganze Saison hochgerechnet ein Plus von 41 Ballbesitzen. Das kann durchaus einen Unterschied machen.

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Übrigens haben auch die Spätstarter-Franchises den Vorteil von Zahlen-Geeks in den eigenen Reihen für sich verstanden: Denn von 2013 bis 2016 verdreifachte sich fast die Anzahl von Analysten pro Team. Was uns zur heutigen Situation bringt, wo jedes NBA-Team mindestens einen Analysten in ihren Reihen hat. Im Durchschnitt beschäftigt ein Franchise aber mehr als zwei.

Wenn man sich nur allzu gern in Zahlen verbeißt. Foto: Gary A. Vasquez/USA TODAY Sports

Aber wenn alle plötzlich das Gleiche machen, wird der Vorteil relativ betrachtet logischerweise geringer. Im zweiten Zeitraum unserer Untersuchung schnitten die 13 Teams, die mehr als zwei In-House-Analysten hatten, schlechter ab (= 1,9 Siege weniger pro Jahr) als die 17 Teams, die nur zwei oder weniger Analysten hatten. Aber mit einem großen Aber: Diese Statistik wird entscheidend durch die grottenschlechte Performance der 76ers in den letzten Jahren beeinflusst, die zwar ordentlich an Analysten zugelegt haben, aber im Schnitt 60 Spiele pro Jahr vergeigt haben. Denn hier noch ein Gegenbeweis: Die sechs Teams mit nur einem Analysten haben zwischen 2012 und 2016 im Schnitt acht Spiele pro Jahr weniger gewonnen als der Rest der Liga.

Natürlich muss man auch hier ein wichtiges Aber einstreuen. Der wichtigste Erfolgsfaktor eines Teams ist weiterhin der Kader, der ihm zur Verfügung steht. . Wenn in deiner Umkleide 13 Elliot Williams sitzen, wirst du nicht viel reißen können, egal was dir Analysten so Schlaues zuflüstern. Und wenn du als Head Coach mit 12 Stephen Currys arbeiten kannst, wirst du erfolgreichen Basketball spielen, auch ohne Analysten in deinem Team. Aber darum geht es nicht. Bei der Zusammenarbeit zwischen Trainerteam und Analysten geht es um marginale Unterschiede; aber auch marginale Unterschiede machen am Ende einen Unterschied.

Und so marginal ist er gar nicht, um zu einer Zahl von oben zurückzukommen. In einer Saison über 82 Spiele können die sieben Siege mehr pro Jahr, die die Frühaufsteher-Franchises zwischen 2013 und 2016 eingefahren haben, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil ausmachen. Denn eine um sieben Siege bessere Bilanz entscheidet in der Regel darüber, ob man nun in den Playoffs auf Platz drei oder auf Platz sieben gesetzt ist. Oder ob man es überhaupt in die Postseason schafft oder bei den Playoffs zum Zuschauen verdammt wird. Ob es einem nun gefällt oder nicht: Die Präsenz von Zahlenjongleuren in der NBA kann am Ende über Titel entscheiden.