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abschiebungen

Das BAMF fordert eine Dreijährige zur Ausreise nach Nigeria auf

Die Behörde will das in Regensburg geborene Mädchen abschieben, obwohl ihre Familie geduldet wird.
Credit: imago | Future Image  

Mit drei Jahren klettern Kinder normalerweise auf Klettergerüste, lernen, aufs Töpfchen zu gehen und ganze Sätze zu bilden. Selbstverständlich brauchen sie in diesem Alter jegliche Zuwendung ihrer Eltern. Lilian aus dem bayrischen Bad Abbach aber soll mit drei Jahren nach Ansicht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgeschoben werden. Und zwar: alleine nach Nigeria.

In einem Bescheid vom 11. Juli fordert das BAMF laut Süddeutscher Zeitung das Kind auf, "die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen". Weiter heißt es: "Sollte die Antragstellerin die Ausreisefrist nicht einhalten, wird sie nach Nigeria abgeschoben."

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Lilians Mutter und ihrer vierjährigen Schwester spricht die Behörde ein Bleiberecht zu. Das BAMF teilte auf Anfrage von VICE mit: "In jedem Fall gilt, dass Kinder nicht ohne ihre Eltern in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssen, die Rückkehr erfolgt grundsätzlich im Familienverband." Heißt konkret: Die Familie müsste Lilian in diesem Fall nach Nigeria folgen, obwohl sie selbst eigentlich geduldet ist.


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Lilians Mutter ist 2014 nach Deutschland gekommen. Das BAMF sprach sowohl ihr als auch Lilians Schwester erst kürzlich eine Duldung zu. Eine weitere Verlängerung dürfte sicher sein, weil die Nigerianerin erst vor wenigen Tagen ihr drittes Kind zur Welt brachte. Notfalls könnte die Familie mit Hilfe eines Anwalts prüfen, ob nicht auch Lilian geduldet werden könnte. Das Aufenthaltsrecht spricht von einer Duldung, wenn eine Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wird. Sie stellt keinen Aufenthaltstitel dar, sichert der betreffenden Person aber vorübergehenden Schutz in Deutschland.

"Das ist unsäglich"

Warum dieser Schutz nötig ist, wird deutlich, wenn man die Teilreisewarnung des Auswärtigen Amtes für Nigeria sieht. Demnach sei "das Risiko von Entführungen in ganz Nigeria gegeben", "speziell Entführungen mit dem Ziel der Lösegelderpressung" nähmen in jüngster Zeit zu. Darüber hinaus komme es "in den nördlichen Landesteilen fortgesetzt zu terroristischen Gewaltakten". Die Gefahr von Anschlägen bestehe weiterhin. Dabei stellt sich die Frage, weshalb Lilian überhaupt nach Nigeria abgeschoben werden soll, obwohl sie im Mai 2015 in Regensburg geboren wurde.

Zum Einzelfall erteilte das BAMF VICE leider keine Auskunft. Grundsätzlich gilt aber zum Asylverfahren von Kindern: "In den Fällen, in denen ein Familienmitglied ein Abschiebungsverbot erhalten hat, ohne jenes ein anderes Familienmitglied nicht alleine ausreisen kann", werde die Ausländerbehörde "die Abschiebung des Familienmitgliedes […] aussetzen, solange das Abschiebungsverbot des einen Familienmitglieds besteht".

Auch wenn die Abschiebung einer Dreijährigen also praktisch wohl kaum durchgeführt werden kann: Der Entscheid des BAMF hat laut der asylpolitischen Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag sowohl die Mutter als auch die Menschen in Bad Abbach verrückt gemacht. "Das ist unsäglich, und zeigt einfach einmal mehr, wie gedankenlos das Bundesamt Entscheide raushaut", sagte Christine Kamm weiter.

Die Betreuerin von Lilians Familie, Waltraud Brombierstäudl, sagte gegenüber VICE, sie sei "total wütend" gewesen, als sie vom Bescheid erfahren habe. "Ich werde mit der Mutter einen Brief ans BAMF schreiben, denn es geht darum, dass das Amt den Bescheid zurückzieht", so Brombierstäudl. "Vielleicht war das einfach nur eine Fehlentscheidung." Ob Fehlentscheidung oder nicht: Der Fall von Lilian zeigt, wie empathielos die deutschen Behörden mitunter agieren.

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