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Wunderheiler

Ein bayerischer Dorfbürgermeister hat einen Geistheiler engagiert

Immer wieder kam es zu tödlichen Autounfällen auf einer Bundesstraße in der Oberpfalz – der Wunderheiler sollte Abhilfe schaffen.
Foto: imago | Arnulf Hettrich und Photo Alto

Als deutsche Medien vor einigen Wochen von einer Elfenbeauftragten berichteten, war das kein Kapitel aus einem Fantasy-Roman. Tatsächlich hatte die niedersächsische Straßenbaubehörde die Frau engagiert, um die Ost-West-Autobahn A2 sicherer zu machen. Die Frau sagte damals, sie habe Teile der Autobahn "energetisch versiegelt", weil emotional unausgeglichene Naturgeister für schwere Unfälle auf der Strecke gesorgt hätten.

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Demnach müssten auf deutschen Straßen ziemlich viele Naturgeister unterwegs sein. Denn 2017 kamen mehr als 3.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Auch das Dorf Willmering in der Oberpfalz griff bereits 2009 zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um tödliche Verkehrsunfälle künftig zu verhindern. Jetzt gab der Bürgermeister das Ergebnis seiner Aktion bekannt.


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Entlang der Gemeinde mit zweitausend Einwohnern führt die Bundesstraße 22. Alle zwei bis drei Monate sei auf dieser Straße jemand gestorben, sagte der Bürgermeister Hans Eichstetter (CSU) gegenüber Bild. Er habe alles Mögliche versucht: Er ließ die Straße umbauen, Absperrungen einrichten und führte Geschwindigkeitsbegrenzungen ein – nichts habe geholfen. Schließlich sei ihm der selbsternannte Geistheiler Helmut Gebert eingefallen. Eichstetter habe in dem Wunderheiler, der ebenfalls in Willmering wohnte, eine günstige Alternative zu bekannten straßenbaulichen Lösungen gesehen: Lediglich 1.800 Euro sollen seine Dienste gekostet haben, die Eichstetter aus Gemeindegeldern gezahlt haben soll.

Mit seiner Wünschelrute soll der Wunderheiler entlang der Bundesstraße nach "Erdstrahlen" gesucht haben. Laut Frankfurter Rundschau habe er behauptet, dass diese Störfelder durch Wasser oder durch Funkmasten entstehen würden. Autofahrer könnten dadurch in einen Sekundenschlaf verfallen – eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle in Deutschland. Gebert habe dann auf Bäumen Holzkisten installieren lassen, darin jeweils eine Plastikscheibe mit einer Kugelantenne. Diese vermeintlichen Wunderwerke hätten dann die fehlgeleiteten Energieströme ableiten sollen.

Das ist nun neun Jahre her. Und wenn man hört, dass es laut dem Bürgermeister Eichstetter seitdem in Willmering keine tödlichen Unfälle mehr gegeben haben soll, klingt es wie aus einer Folge der 90er-Jahre-Serie X-Factor: Das Unfassbare. Wie als ob Jonathan Frakes ernst in die Kamera schaut und die Zuschauer fragt: "Haben sich das unsere Drehbuchautoren nur ausgedacht oder hat Helmut Gebert mit seiner Wünschelrute wirklich Leben gerettet?"

Die Polizei im naheliegenden Cham bestätigt auf Anfrage, dass es auf dem Straßenabschnitt um Willmering tatsächlich seit neun Jahren keine tödlichen Verkehrsunfälle mehr gegeben habe. Ob die Scheiben dazu geführt haben, dass die Menschen in der Gegend vorsichtiger fahren, kann man nicht sagen. Der Geophysiker Kord Ernstson, Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, sagte gegenüber RTL, es gebe keine Beweise für Erdstrahlen, die Autofahrer negativ beeinflussen würden: "Erdstrahlen sind überhaupt nicht messbar. Das ist Unfug." Bürgermeister Eichstetter ist das offenbar egal. Ihm sei laut Bild unabhängig vom Grund nur wichtig, dass es weniger Unfälle und Tote gebe. Und auch im benachbarten Aschwang gibt man offenbar nicht so viel auf Wissenschaft und Logik: Der dortige Bürgermeister zieht offenbar ebenfalls in Erwägung, ein paar Gemeinde-Euros in den Fantasy-Heiler zu investieren.

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