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Drogen

Umfrage zu NpS: Ministerium lässt Drogen-Konsumierende befragen

"Spice", C-Liquids und andere neue psychoaktive Stoffe: Das Gesundheitsministerium will herausfinden, wie sich ein neues Gesetz auf den Konsum der gefährlichen Drogen auswirkt.
Verschiedene "Legal Highs" wie bspw. "Bonzai" || Foto: imago | epd, bearbeitet

Es war wie bei Hase und Igel. Jahrelang entwickelten Drogenlabore im Wochentakt neue Stoffe, vermarkteten sie als "Legal Highs", als legalen, vermeintlich unbedenklichen Ersatz für Cannabis, Speed und Ecstasy. Immer wenn der Bundestag einen Stoff verbot, waren in der Zwischenzeit bereits mehrere neue auf dem Markt. Seit November 2016 gibt es deshalb das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), das neue Substanzen bereits verbietet, sobald sie in Umlauf kommen. Seit Ende März läuft nun eine Umfrage, bei der Konsumierende dieser Stoffe befragt werden, wie sich das Gesetz auf ihren Konsum und ihr Leben ausgewirkt hat. In Auftrag gegeben hat sie das Bundesgesundheitsministerium.

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Die Befragung besteht aus zwei Teilen. Der erste ist ein Online-Fragebogen, in dem zunächst das Konsumverhalten der Teilnehmenden abgefragt wird. Kurz: Welche Stoffe wurden wann wie genommen? Danach möchten die Forscher und Forscherinnen ein anonymes Interview – persönlich oder am Telefon – mit den Teilnehmenden führen.

Raser und Raserinnen, die nach den Auswirkungen des neuen Bußgeldkatalogs befragt werden? Frauenhasser, die erklären sollen, ob das neue Sexualstrafrecht sie abschreckt? Befragungen dieser Art sind eher ungewöhnlich. Sinn ergeben sie im Fall der neuen psychoaktiven Stoffe (NPS) dennoch.


Auch auf VICE: Spice Boys


Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass in Deutschland knapp eine halbe Million Menschen mindestens einmal in ihrem Leben NPS konsumiert haben, wie eine Sprecherin gegenüber VICE erklärt. Sie schnupfen Mephedron, tröpfeln sogenannte C-Liquids in ihre E-Zigaretten oder krümeln sich "Spice" in ihre Joints. Ihre Gesamtzahl basiert auf einer Umfrage aus dem Jahr 2015. Anders als bei Ecstasy- oder Kokainkonsumierenden gibt es nur wenige Statistiken über diese Menschen. Die von ihnen konsumierten Drogen sind besonders gefährlich.

Vermarktet und gehandelt werden die nicht nur als "Legal Highs", sondern auch als Research Chemicals, Designerdrogen, Badesalze, Räucher- und Kräutermischungen. Über 670 Substanzen überwacht die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon (EMCDDA) derzeit. Im letzten Jahr hat es 51 neue Substanzen zu der Liste hinzugefügt.

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Die Wirkung, die Toxizität und das Suchtpotenzial dieser vielen neuen, unterschiedlichen Stoffe sind kaum erforscht. In Badesalzen und Kräutermischungen sind die Substanzen oft sehr schlecht verteilt, während ein Brösel kaum Wirkstoff enthalten kann, kann ein anderer zu einer gefährlichen Überdosis führen. Das liegt entweder daran, dass die Herstellenden schlampen, oder dass Chemikalien nicht an den Pflanzenteilen haften bleiben und sich in einer Ecke der Packung sammeln. Wer diese Drogen konsumiert, setzt sich einem unbekannten Gesundheitsrisiko aus – bis hin zur Lebensgefahr.

2016 starben in Deutschland mindestens 98 Menschen nach dem Konsum von NPS. Das geht aus der sogenannten Rauschgiftdatei des BKA hervor. 2017 machten NPS-Vergiftungen einen "eher geringen Anteil" der Überdosierungsfälle aus, schreibt Prof. Dr. Ludwig Kraus vom Institut für Therapieforschung in München. Er hat die BKA-Daten für das Jahr ausgewertet, im Auftrag der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU). Laut seiner vorläufigen Analyse scheinen die Substanzen mittlerweile "an Einfluss [auf die Zahl der Drogentoten] zu verlieren". Der Forscher nennt keine genaue Zahl für das vergangene Jahr.

Der Bundestag hatte das NpSG im November 2016 beschlossen und im April 2017 aktualisiert. NPS darf man weder herstellen oder handeln noch kaufen, besitzen oder verabreichen. Statt einer Liste einzelner Stoffen umfasst das Gesetz zwei Stoffgruppen: synthetische Cannabinoide, die etwa in "Spice" und anderen "Räuchermischungen" enthalten sind, und von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen – allesamt Amphetamine. Jede Substanz, die nun entwickelt wird, um ähnliche Wirkungen wie Cannabis, Ecstasy oder Speed zu entfalten, soll damit automatisch unter das Verbot fallen.

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An der neuen Studie arbeiten drei deutsche Forschungseinrichtungen. Das beteiligte IFT Institut für Therapieforschung in München hat schon im letzten Jahr eine Online-Studie unter Konsumierenden durchgeführt. Damals gelangte es zu drei zentralen Erkenntnissen: Die überwiegende Mehrheit der Konsumierenden wusste kaum etwas über das neue Gesetz, ging aber davon aus, dass dieses weder das eigene Konsumverhalten noch das anderer Menschen verändern werde. Mehr als die Hälfte von ihnen gab an zu glauben, dass die verbotenen NPS weiter gehandelt werden würden.

Die Erhebung soll bis Ende des Jahres laufen, sagte eine Mitarbeiterin am IFT gegenüber VICE. Spätestens im Mai 2019 will das Team dann erste Ergebnisse präsentieren. Die Frage, inwieweit die Erkenntnisse Auswirkungen auf die Gesetzeslage und Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums haben könnten, hat das Ministerium gegenüber VICE nicht beantwortet.

Derweil haben Drogen-Labore bereits neue Stoffe entwickelt, die nicht unter das NpSG fallen, etwa das seit Sommer 2017 bekannte synthetische Cannabinoid CUMYL-PeGaCLONE: Durch eine einfach chemische Modifikation entspricht es nicht mehr dem im Gesetz definierten Aufbau der verbotenen Stoffgruppe. Das Spiel von Hase und Igel scheint nicht vorbei zu sein.

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