Mietwahnsinn

Menschen erzählen von ihren schlimmsten Erfahrungen mit Vermietern

"Meine Miete hat er für Koks ausgegeben. Ich hatte richtig Angst vor ihm, weil er eigentlich nichts mehr zu verlieren hatte." – Felix, 24
Felix
Alle Fotos: Yasmin Nickel

Wer es geschafft hat, sich auf dem umkämpften Berliner Wohnungsmarkt eine Bleibe zu sichern, kann nicht immer erleichtert sein. Wer in eine WG zieht, muss Glück haben und coole Mitbewohnerinnen oder Mitbewohner erwischen. Und dann wären da noch die Vermieterinnen und Vermieter. Klar gibt es korrekte, freundliche, hilfsbereite Vermieter. Aber schlimme Vermieter können dafür sorgen, dass sich die schönste Altbauwohnung in Charlottenburg anfühlt, wie ein Tiny House in der Hölle.

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Juso-Chef Kevin Kühnert sagte der Zeit vor ein paar Tagen, nicht nur, er sei dafür, Konzerne wie BMW zu vergesellschaften – sondern auch, dass es optimalerweise überhaupt keine privaten Vermietungen mehr zu geben brauche.

Wir haben fünf Berlinerinnen und Berliner nach ihren schlimmsten Erfahrungen mit Vermietern gefragt.

Lilliån, 22, Wedding

Lilliån

"Seit ich vor drei Jahren nach Berlin gekommen bin, wohne ich in einer Altbauwohnung im Wedding. Das Haus wurde bisher jedes Jahr an einen neuen Vermieter verkauft. Gerade ist eine Tochterfirma einer großen Wohnungsgesellschaft die Hausverwaltung. Vor zwei Jahren bin ich im Sommer morgens aufgewacht und habe ein Tröpfeln gehört. Ich habe einen Erker. Dort lief das Wasser runter, in die Wohnung hinein. Wegen einer Renovierung in der Wohnung über mir waren Handwerker im Haus. Die haben sich das angeschaut und meinten, sie kümmern sich drum. Das 'Kümmern' war dann, dass sie eine große Plane, wie man sie von Festivals kennt, über den Balkon meiner Nachbarn gehängt haben. Dann sind sie gegangen.

Regen und Sturm wurden immer stärker und die Plane wurde weggeweht. Aus dem kleinen Teich, der sich in meinem Wohnzimmer gebildet hatte, wurde ein See. Dann sind die Handwerker wieder gekommen und haben ein bisschen aufgewischt. Die Hausverwaltung hat den Wetterbericht gecheckt und meinte: 'Das wird die nächsten Tage besser.' Es wurde nicht besser.

Außerdem hatten wir eine Rattenplage im Keller. Am Eingang ist ein fettes Schild, das vor Ratten und giftigen Rattenfallen warnt. Darauf steht: Betreten auf eigene Gefahr. Die Wohnungen sind außerdem nur mit dünnen Gipswänden getrennt. Bei meinen Nachbarn ist eine davon komplett umgefallen. Da ragt jetzt eine Steckdose heraus, das sieht gefährlich aus. Da hieß es von der Hausverwaltung nur: 'Stellen sie was davor, dann sieht man das nicht so.'"

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Amalie, 29, Kreuzberg

"Die letzte Wohnung, in der ich gelebt habe, gehörte einer dänischen Firma. Die haben hunderte Wohnungen in Berlin gekauft und viel teurer weitervermietet. Am Anfang wurde mein Vertrag immer wieder verlängert, das war super. Plötzlich wollten sie aber den Vertrag nicht mehr verlängern. Wir mussten alle ausziehen.

Rechtlich waren wir in einer guten Position, weil der befristete Vertrag eigentlich ungültig war. Der erste Vertrag ging über sechs Monate und wurde dann immer wieder um ein Jahr verlängert. Das geht nach deutschem Recht nicht. Eigentlich hätten wir nach dem ersten Vertrag einen unbefristeten bekommen müssen. Der Firma war das total egal, die geben sowieso eine Menge Geld für Anwälte aus. Ich lebte mit zwei Jurastudenten in der Wohnung, aber wir hatten weder das Geld noch die Zeit, gegen die Firma vor Gericht zu ziehen. Deswegen sind wir dann ausgezogen.

Als sie uns rausgeschmissen haben, meinten sie, dass sie die Wohnung renovieren wollen. Sie haben die Wohnung dann für mehr Geld als Büro vermietet – und überhaupt nichts renoviert."

Felix, 24, Kreuzberg

Felix

"Auf mein Gesuch im Internet meldete sich ein Typ, Mitte 40, der in einer Zweizimmerwohnung lebte. Am Anfang war er echt sympathisch. Er hat mir erzählt, dass er einen Phantomschmerz habe und deswegen nicht arbeiten könne. Den Schmerz habe er, seit er zwei Jahre vorher bei Glatteis ausgerutscht sei. Das kam mir ein bisschen komisch vor, aber 250 Euro für ein Zimmer direkt am Schlesi waren ein guter Preis. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine andere Option und brauchte dringend eine Wohnung.

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Mein Zimmer war vor meinem Einzug eine Art Abstellkammer und ziemlich klein, aber Bett und Schreibtisch passten rein. Ich musste das Zimmer erstmal freiräumen und renovieren, weil die Tapete geschimmelt hat. Ein Mädchen, mit dem ich mich zu der Zeit getroffen habe, hat mir dabei geholfen. Der Hauptmieter hat im Wohnzimmer geschlafen. Wir haben abends oft bei ihm gechillt. Als sie mal nicht da war, hat er mir gestanden, dass er sich in sie verliebt hat.

Er hatte mir vorher schon erzählt, dass er auf Jüngere stehe und damit geprahlt, dass er schon was mit den Töchtern von Bekannten gehabt habe. In dem Moment wusste ich gar nicht, wie ich reagieren soll. Ich hab ihm dann gesagt, dass ich das nicht so nice finde. Da war er beleidigt.

Ein paar Tage später haben wir zu dritt in meinem Zimmer renoviert und ich musste dann los zur Arbeit. Er hat angeboten, mit ihr weiter zu machen. Auf der Arbeit wurde mir ganz schlecht beim Gedanken, dass er mit meinem Mädchen auf meinem Bett chillt. Ich wusste aber, dass sie gar keinen Bock auf ihn hat. Trotzdem hat er sich weiter an sie rangemacht. Er hat sie oft ins Kino eingeladen, ohne mir was davon zu sagen.

Meine Miete und das Geld, das er wegen seiner Arbeitsunfähigkeit von der Krankenkasse bekam, hat er für Koks ausgegeben. Wir hatten immer öfter laute Auseinandersetzungen. Ich hatte richtig Angst vor ihm, weil er eigentlich nichts mehr zu verlieren hatte: Er hatte diesen Phantomschmerz und außerdem kaum soziale Kontakte. Er wurde immer aggressiver. In der kleinen Wohnung konnten wir uns kaum aus dem Weg gehen. Irgendwann wurde mir alles zu viel und ich wollte ausziehen. Ich hab ein paar Tage bei Kumpels gepennt und ihm eine Kündigung geschickt."

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Matthew, 28, Kreuzberg

"Ich habe zwei Jahre in einer Wohnung in Kreuzberg gelebt. Während dieser Zeit wurde das Gebäude an eine andere Firma verkauft. Die haben uns gesagt, dass wir ausziehen müssen. Wir hatten einen Vertrag, der sich jedes Jahr erneuert hat. Die Firma wollte den Vertrag aber nicht mehr erneuern, sondern die Wohnung lieber renovieren und danach mehr Miete verlangen.

Jetzt suche ich nach einem neuen Zimmer und alle Wohnungen sind 200 Euro teurer als vor zwei Jahren. Auf jeder Wohnungsbesichtigung sind 50 oder 60 Leute für ein Zimmer. Alle meine Freunde hier leben entweder zur Untermiete oder müssen ständig umziehen. Und das, obwohl sie schon seit Jahren in Berlin leben."

Monika, 55, Neukölln

"Das Haus, in dem ich lebe, wird zur Zeit vom neuen Vermieter saniert. Der hat sich gar nicht richtig vorgestellt, sondern direkt angefangen, Arbeiten am Dach machen zu lassen. Manche Wohnungen werden total entkernt und im ganzen Haus wird eine neue Heizung eingebaut. Wenn das fertig ist, werden mit Sicherheit die Mieten erhöht.

Außerdem hat der Vermieter Knäufe außen an die Haustür gemacht. Wenn die Tür zu ist, kommt niemand mehr ohne Schlüssel rein und wir haben keine Klingelanlage. Wir können die Haustüre nicht von der Wohnung aus öffnen. Jetzt bekommen wir keine Pakete mehr und Besuch kann auch nicht mehr einfach so kommen. Die Kommunikation mit dem Vermieter ist schlecht. Mein Nachbar hat sogar eine Abmahnung bekommen, weil er sich oft bei ihm gemeldet hat, um sich über die Sanierungsarbeiten zu beschweren – und weil er gefragt hat, ob er die Baupläne einsehen darf."

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