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Wiesn 2018

Das Oktoberfest ist keine zwei Tage alt und es gab schon sexualisierte Übergriffe

Zwei Männer bedrängen eine Frau, zwei andere fotografierten Besucherinnen unter den Rock.
Symbolbild || Oktoberfest: imago | Ralph Peter

Nicht mal ein halber Tag ist auf dem Oktoberfest vergangen, als am Samstag eine 24-jährige Touristin aus Schweden von einem 24-Jährigen und seinem 43-jährigen Begleiter festgehalten wird. Der jüngere Mann greift ihr unter den Rock. Die Frau kann sich erfolgreich wehren, der Grapscher lässt von ihr ab. Die Polizei nimmt die Männer anschließend fest, weil beide Serben sind und keinen festen Wohnsitz in München haben. Sie werden dem Haftrichter vorgeführt.

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Am selben Abend wird ein weiterer Mann von den Sicherheitskräften aus einem Zelt geführt. Der Grund: Er hat Frauen unter den Rock fotografiert. Eine junge Frau hatte den Festzeltbesucher dabei beobachtet und der Security gemeldet. Nachdem gegen ihn Anzeige erstattet wurde und er eine Sicherheitsleistung gezahlt hat, wird er wieder entlassen.


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Die Stadt München und die Polizei betonen gerne, wie friedlich die Wiesn ist. Und das obwohl Schlägereien mit zerbrochenen Bierkrügen eher die Regel als die Ausnahme sind. Und es auch kein Geheimnis ist, dass vor allem Frauen auf dem Oktoberfest immer wieder Opfer von sexueller Belästigung und Gewalt werden.

Letztes Jahr meldete die Polizei 67 Fälle – die Zahl hatte sich somit gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Doch der enorme Anstieg liegt laut Polizei weniger daran, dass mehr Grapscher unterwegs sind, sondern an den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Vor allem durch die ausgebaute Videoüberwachung könnten mehr Fälle registriert und zur Anzeige gebracht werden.

Das bestätigt auch Kristina Gottlöber von der Initiative "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen". "Die Sicherheitsfrage ist immer kompliziert", sagt sie. "Doch gerade auf dem Oktoberfest, auf dem es sehr unübersichtlich ist, werden sexuelle Übergriffen ansonsten übersehen", sagt Gottlöber gegenüber VICE. Seit die Videoüberwachung eingeführt wurde, könnten Polizisten schneller eingreifen und mehr Täter festnehmen.

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Doch nicht nur die Polizei sensibilisiert sich immer mehr für sexuelle Übergriffe. Die Bereitschaft von Oktoberfestgästen und Angestellten Vorfälle zu melden, sei gestiegen, hieß es in der Oktoberfest Bilanz 2017 der Münchner Polizei.

Härtere Strafen für Wiesn-Grapscher

Tätern, die Frauen auf der Wiesn belästigen, drohen seit November 2016 härtere Strafen. Für die Gesetzesänderung hatte erst die Kölner Silvesternacht passieren müssen – als ob es nicht schon in den Jahren davor bei Massenveranstaltungen zu Belästigungen und Vergewaltigungen gekommen war.

Das Grapschen galt bis zur Verschärfung des Sexualstrafrechts meist als "Beleidigung auf sexueller Grundlage", seit zwei Jahren ist das Grapschen nun "sexuelle Belästigung". Was sich durch die neue Gesetzeslage verändert hat, zeigt ein Gerichtsurteil im Februar 2018 vom Münchner Amtsgericht.

Wie die FAZ berichtet, griff ein 38-jähriger Oktoberfestbesucher 2017 zwei Frauen in den Intimbereich, nachdem er mit drei Freunden ein Festzelt verließ. Sein Freund äffte das erste Opfer noch nach, als die Frau sich beschwerte. Einer weiteren Frau griff der 38-Jährige in der Nähe eines Autoscooters zwischen die Beine, sie hatte Schmerzen, weil sein Griff so fest war. Wenig später traf die Polizei ein und verhaftete die vier Männer noch auf der Theresienwiese. Alle kamen in Untersuchungshaft.

Gegen zwei Männer wurde das Verfahren eingestellt, der Mann, der die Frau nachäffte, wurde wegen Beihilfe zur sexuellen Belästigung mit einer Geldstrafe verurteilt. Der Grapscher wurde wegen sexueller Belästigung in zwei Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer achtmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

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Ohne die Strafrechtsverschärfung hätten die zwei Männer noch mildere Strafen erhalten. Bei einem besonders schweren Fall kann eine Grapscherin oder ein Grapscher nun mit bis zu fünf Jahren Haftstrafe verurteilt werden. Und es kann zur Anklage kommen, auch wenn das Opfer selbst keine Strafanzeige stellt.

Weil die junge Frau nach dem Vorfall bei dem Autoscooter von der Polizei nicht aufzufinden war und lediglich Zeuginnen des Übergriffs eine Aussage machen konnten, wäre es vor der Gesetzesänderung nicht zu einer Anzeige gekommen, die beiden Männer wären niemals verurteilt worden.

Update vom 24. September 2018, 18:27: Nach dem ersten Erscheinen dieses Artikels hat die Polizei einen Fall eines weiteren Mannes vermeldet, der am Sonntag eine Besucherin unter den Rock fotografiert haben soll. Er erhielt eine Anzeige wegen sexueller Beleidigung und Körperverletzung, nachdem es zu einer Prügelei zwischen ihm und Zeugen gekommen sein soll.

Richtigstellung: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir geschrieben, der unter-den-Rock-Fotografierer habe lediglich ein Bußgeld gezahlt. Richtig ist, dass er eine Sicherheitsleistung zahlen musste und das Verfahren gegen ihn nicht abgeschlossen ist. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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