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Hartz unter Palmen

Chef von Pegida-Ableger auf Fuerteventura festgenommen

Vor der Justiz war Christian Müller aus dem Vaterland geflohen und machte sich mit Hartz IV ein schönes Leben unter Palmen. Die ganze Geschichte ist aber noch absurder.
Christian Müller bei einer Pogida-Demo im kalten Deutschland | Foto: imago | Markus Heine

Es ist schon irgendwie hart, wenn man sein Land so sehr liebt, wie es die besorgten Neurechten tun, gleichzeitig aber auch wirklich gerne mal am Meer ist. Was ist wichtiger: Nationalstolz und die Verteidigung des deutschen Volkes oder Palmen? Christian Müller, Organisator des Potsdamer Pegida-Ablegers Pogida entschied sich für Letztere, setzte sich im Februar dieses Jahres nach Fuerteventura ab und verprasste dort sein Hartz IV – so wie man einen Regelsatz von 409 Euro eben verprassen kann. Ein Rechter, der sein geliebtes Vaterland hinter sich lässt und auf Kosten des deutschen Steuerzahlers am Strand abhängt? Die Geschichte wird noch besser:

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Müller machte auf der Ferieninsel nämlich nicht einfach Urlaub, er war vor der deutschen Justiz geflohen. Der Intensivstraftäter, der in der Vergangenheit in rund 170 Fällen mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war, musste sich wegen Fahrens ohne Führerschein und Körperverletzung vor Gericht verantworten. Im Juni verurteilte ihn das Amtsgericht Potsdam rechtskräftig zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung und setzte einen Haftbefehl zur europaweiten Fahndung aus. Jetzt wurde bekannt, dass spanische Behörden den 34-Jährigen bereits vor zwei Wochen festgenommen haben.

Dass die überhaupt wussten, wo sich Müller aufhielt, war allerdings weniger der ausgefeilten Ermittlungsarbeit geschuldet: Der Rechtspopulist hatte sich einfach nicht sonderlich unauffällig verhalten.


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Am 7. Februar postete der Pogida-Gründer bei Facebook ein Foto, das ihn in einem Flugzeug zeigte. Nicht nur für seine Freunde, sondern öffentlich. Medienvertreter fanden schnell heraus: Müller befand sich auf dem Flug FR1101 nach Fuerteventura. Am 12. Juni war in einem seiner Videos auf der Plattform das Restaurante La Farola del Mar zu sehen, eine Lokalität auf der Kanareninsel. Das alles könnten nun natürlich versehentliche Fehltritte gewesen sein, der Potsdamer schien sich irgendwann aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen so sicher zu fühlen, dass er diverse Orte auf der Insel auf Google Maps bewertete, Fotos von der Insel hochlud – und sogar in eine Bar investierte: El Cubanito. All das nachzuvollziehen über seine Facebook-Präsenz "Christiano De La Vega".

Woher ein Sozialhilfe-Empfänger das Geld hat, um auf einer kanarischen Insel in Geschäfte zu investieren? Auch dazu gibt es eine interessante Geschichte. Müller soll sich mit der Kasse seiner Pogida-Bewegung aus dem Staub gemacht haben. Er selbst bestritt die Vorwürfe bereits im Mai in einem Facebook-Video.

Ein rechter Intensivstraftäter, der Deutschland vor "Überfremdung" und vermeintlich kriminellen Ausländern schützen möchte, sich auf Kosten deutscher Steuerzahler und seiner ehemaligen Mitstreiter auf die Kanaren absetzt und dort unter pseudo-spanischem Namen eine neue Identität als Bar-Investor anstrebt – das klingt nach einem schlechten Film und ist so absurd, dass man es schon beinahe witzig finden könnte. Wäre Christian Müller nicht ein Mann, der immer wieder bewiesen hat, dass er eine Gefahr für andere ist, und trotzdem jahrelang nahezu ungehindert eine Straftat nach der anderen begehen konnte. So hatte er 2016 mit 2,3 Promille im Blut beispielsweise brutal seine Freundin verprügelt, auf offener Straße und vor Zeugen. Mit ihr machte er später die Bar auf Fuerteventura auf.

"Die Justiz ging über Jahre nachsichtig mit dem Gewalttäter um. Nun bekommt sie ihn nicht mehr zu fassen", formulierten es die Potsdamer Neue Nachrichten, die den Fall Müller intensiv verfolgten, Ende Mai. Vier Monate später scheint sich das Blatt jetzt gewendet zu haben. Laut Informationen der Zeitung sollen die spanischen Behörden dem Auslieferungsantrag bereits zugestimmt haben. Müller wird also in absehbarer Zeit in sein geliebtes Vaterland zurückkehren müssen.

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