PewDiePie
Screenshot: YouTube

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PewDiePie lebt Fans vor, dass Sexismus eigentlich gar kein Problem sei

Der größte YouTuber der Welt bezeichnet eine Streamerin als "diese Hure da" – und versucht sich tagelang zu rechtfertigen. Dabei zeigt er, wie groß das Sexismus-Problem auf Twitch und YouTube ist.

Frauen werden in der Gaming-Community immer noch objektifiziert, dämonisiert und ausgenutzt – einfach, weil sie Frauen sind. Das zeigt derzeit ein andauernder Streit zwischen dem größten YouTuber der Welt, Felix Kjellberg, besser bekannt als PewDiePie, und der Twitch-Streamerin Alinity Divine.

Mitte Mai lud Kjellberg, der über 63 Millionen Abonnenten auf YouTube hat, ein Video hoch, in dem er den Tobii eye tracker testet. Dieses Tool zeigt in Echtzeit an, welchen Teil des Bildschirms der Nutzer gerade betrachtet. Kjellberg forderte seine Fans über Twitter auf, ihm Videos zu schicken, die er dann mit dem Eyetracker schauen würde. In einem dieser Videos, "Sexiest Twitch girl streamers April 2017", sind unter anderem Sequenzen aus Streams von Alinity zu sehen. Das Video wurde inzwischen vom Nutzer von der Plattform entfernt.

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Während Kjellberg kaum seinen Blick von den Brüsten der gezeigten Streamerinnen abwenden kann, bezeichnet er die Frauen im Video als "stupid Twitch thots". Die Beleidigung steht für "that ho [whore] over there", was sich mit "die Hure da drüben" übersetzen lässt. Später sagt Kjellberg, dass der Begriff "thot" ein "scherzhaftes Wort" sei. Alinity sah das offenbar anders und konterte, indem sie sich bei YouTube über die Copyright-Verletzung beschwerte, immerhin hatte Kjellberg einen Ausschnitt aus ihrem Stream gezeigt.

Am vergangenen Mittwoch lud Kjellberg ein weiteres Video hoch, in dem er Alinity für die Beschwerde bei YouTube kritisierte. Er zeigte darin Ausschnitte von Videos, in denen Alinity etwa ein durchsichtiges Oberteil trägt, ihre BH-Träger zu sehen sind oder sie Just Dance in einem kurzen Kleid spielt. "Wenn du deine Unterwäsche vor der Kamera zeigst, ist das also unsere Schuld!?", fragte Kjellberg. Damit wollte der YouTuber offenbar begründen, warum er die Streamerin in einem vorigen Video als "Hure" ("thot") bezeichnet hat. Kjellberg legt damit eindeutig nahe, leichte Kleidung sei ein Grund, um Frauen als Sexobjekt herabzuwürdigen.

"Du spielst mit dem kürzesten Rock der Welt Spiele und es soll unsere Schuld sein, wenn wir das in einem sexuellen Kontext sehen?", sagt Kjellberg außerdem. "Ich weiß, dass du dich selbst nicht als sehr schlau darstellst, aber du bist doch nicht so dumm, dass dir nicht klar ist, was du tust."

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Warum PewDiePie und Alinity plötzlich wegen Urheberrecht streiten

Nachdem Alinity das PewDiePie-Video mit dem Eye-Tracker gesehen hatte, sagte die Gamerin in einem Live-Stream, sie werde eine Copyright-Beschwerde einreichen. Die Agentur CollabDRM kümmere sich um ihre Urheberrechtsansprüche und würde die Beschwerde an YouTube schicken. Nach den empörten Reaktionen von PewDiePie-Fans entschuldigte sich Alinity aber und erklärte, CollabDRM habe die Beschwerde ohne ihr Wissen eingereicht. Kjellberg hatte die Sequenzen mit Alinity inzwischen aus seinem Video entfernt.

Der Streit um Urheberrechte steht bei dieser Debatte aber zu Unrecht im Vordergrund, wohl auch weil PewDiePie dieses Thema in mehreren Videos hervorgehoben hat. Dem Streit zugrunde liegt Frauenfeindlichkeit, und wie toxische Communitys etwa auf Twtich mit Streamerinnen umgehen.

PewDiePie zeigt sich in der Opferrolle

In einem seiner Reaktionsvideos auf Alinity sagt Kjellberg, dass er niemanden mit seinen Videos kränken möchte. In der Videobeschreibung steht: "Das muss eigentlich nicht extra erwähnt werden, aber ich dulde es nicht, wenn Leute in meinem Namen belästigt werden." Inzwischen wurde das Video 4,6 Millionen Mal angeschaut und hat über 68.000 Kommentare – viele davon mit sexistischen Beleidigungen gegen Alinity und andere Streamerinnen.

Durch Äußerungen wie "Wenn du deine Unterwäsche vor der Kamera zeigst, ist das also unsere Schuld!" vermittelt Kjellberg seinem Millionenpublikum, dass Männer für ihr sexistisches Verhalten nicht verantwortlich seien – sondern dass Frauen, die sich auf bestimmte Weise kleiden, dieses Verhalten provozieren. Zusätzlich bietet Kjellberg Beleidigungen und Bedrohungen, gegen Alinity mit jedem weiteren Videos erneut eine große Plattform.

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Kjellberg retweetete darüber hinaus ein Video von einem seiner Fans, der ankündigte, Alinity bei der kanadischen Einwanderungsbehörde zu melden. Der Fan ist offenbar der Auffassung, dass Alinity sich durch eine Scheinehe den Aufenthalt in Kanada erschlichen habe und des Landes verwiesen werden sollte. Das ist nicht nur Online-Harassment, es ist eine ernsthafte Bedrohung. Aus dem zugrunde liegenden Video von Alinity geht übrigens hervor, dass die Streamerin offenbar keine Scheinehe hatte.


Auf Broadly: Rose McGowan über Sexismus in Hollywood


Alinity arbeitet seit fünf Jahren in Vollzeit als Streamerin. Im Gespräch mit Motherboard sagte sie, dass der Hass, der ihr von Männern entgegengebracht wird, in dieser Zeit stets zugenommen hat. "Anfangs waren es einfach ein paar Perverse, inzwischen bezeichnen sie mich direkt als Hure", sagte Alinity. "Sie wollen meinen Körper kontrollieren – sie sagen, wie ich mich anziehen oder wie ich mich verhalten soll. Sie wollen mich abwerten, indem sie sagen: 'du bist einfach so und du solltest von hier verschwinden.'"

PewDiePie weist alle Anschuldigungen von sich

Am 25. Mai hatte Motherboard in den USA bereits über Kjellbergs sexistische Äußerungen berichtet. Zwei Tage später hat sich der YouTuber in einem Video über den englischsprachigen Motherboard-Artikel empört. Er bezeichnete ihn als "den größten Müll-Artikel", den er je gesehen habe. Die Sexismus-Vorwürfe streitet Kjellberg weiterhin ab. Er habe "nie gesagt", dass jemand "es verdient habe, belästigt zu werden".

Das unmissverständliche Gegenteil zeigen seine Videos mit Sätzen wie: "Wenn du deine Unterwäsche vor der Kamera zeigst, ist das also unsere Schuld!?".

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In seiner Reaktion auf den Motherboard-Artikel betont Kjellberg zudem, seine Fans stünden hinter ihm: "Ich habe nie gesehen, dass sich so viele Leute gegen einen Artikel gestellt haben". Wie in seinen vorherigen Reaktionen betont Kjellberg, auch die Streamerin Alinity könne für manche Dinge kritisiert werden – etwa ihren leichtfertigen Umgang beim Verteilen von Copyright-Beschwerden. Der YouTube-Star will damit offenbar ausdrücken, Sexismus sei okay, solange die dadurch herabgewürdigte Person selbst irgendetwas falsch gemacht habe.

In Kjellbergs inzwischen zahlreichen Reaktionen wirkt Sexismus vor allem wie ein persönliches Problem zwischen ihm und einer Streamerin. "Alinity, es tut mir leid, dass ich dich eine Twitch-Hure genannt habe", sagt er etwa in einem Video. Er werde "vorsichtig" sein, das Wort in Zukunft zu benutzen. Der YouTuber zeigt aber mit keinem Satz, dass er die gesellschaftliche Dimension von Sexismus verstanden hat. Er geht nicht darauf ein, wie toxisch Sexismus für YouTube und Twitch, für Online-Communities und die Gesellschaft ist. Er spricht nicht davon, dass Influencer wie er durch ihre Äußerungen Frauenfeindlichkeit unterstützen.

YouTube und Twitch haben ein Sexismus-Problem

Einige der Männer, die Frauen während ihrer Twitch-Streams belästigen, benutzen Mitschnitte ihrer Videos, um damit auf YouTube Gewinn zu machen. Sie fügen Aufnahmen der Streamerinnen in Compilations zusammen und geben ihnen Titel wie "booby streamer" oder "hot girl fail". Die Thumbnails des YouTube Kanals InternetFails, der 180.000 Abonnenten hat, bestehen beispielsweise aus Screenshots von Frauen in sexualisierten Posen. Ähnlich ist das beim Kanal Ultra Twitch Fails, dessen beliebteste Videos um die 700.000 Views einfahren.

Eine Studie von 2016, in der eine Milliarde Kommentare auf Twitch untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass in den Kanälen von Streamerinnen am häufigsten Worte wie "boobs", "hot", "omg", "smile" und "babe" gepostet wurden – also vor allem hochgradig sexualisierte Begriffe. Bei männlichen Streamern waren es hingegen "melee", "shields", "glitch" und "reset" – also Begriffe, die mit Gaming zu tun haben. Auf Twitch sind etwa 65 Prozent der Streamer männlich, das ergab 2016 eine Analyse von Statista.

Alinity sagte im Gespräch mit Motherboard, sie sei bereits von mehreren Frauen angesprochen wurde, denen es ähnlich gehe, – die sich jedoch nicht trauen, sich an die die Öffentlichkeit zu wenden. "Ich will ehrlich sein: Wenn das nicht mein Job wäre, hätte mich das schon vor langer Zeit aus dem Internet gedrängt", sagt Alinity. "Ich frage mich, ob das vielleicht auch der Grund ist, warum es auf Twitch insgesamt so wenige Frauen gibt."

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