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Salafismus

Ein mutmaßlicher Islamist hat in Bremen seine Einbürgerung erklagt

Innensenat, Staatsschutz und Verfassungsschutz haben sich vergeblich quergestellt.
Der deutsche Reisepass ist der zweitwertvollste der Welt.
Grafik: imago | Photothek

Die deutsche Staatsbürgerschaft bietet eine ganze Reihe von Privilegien: Sie erlaubt, an Wahlen teilzunehmen, in nahezu jedes Land zu reisen und seinen Beruf frei auszuüben. Kein Wunder also, dass der deutsche Reisepass im "Henley Passport Index" der wertvollsten Pässe auf Platz 3 steht. Problematisch wird es, wenn ihn Personen erhalten, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung verachten.

Einem mutmaßlichen Salafisten aus Bremen könnte das nun aber gelingen. Nachdem der Nordafrikaner 2006 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekam, beantragte er ein Jahr später die deutsche Staatsbürgerschaft. In einer sogenannten "Loyalitätserklärung" bekannte er sich zum Grundgesetz, zum deutschen Rechtsstaat und der Trennung von Politik und Religion, berichtet der Weser-Kurier. Die Stadt verweigerte ihm aber 2015 die Staatsbürgerschaft. Nun gab ihm das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz Recht. Das heißt: Ein mutmaßlicher Salafist darf nun deutscher Staatsbürger werden.

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Zuvor hatten der Bremer Innensenat, der Staatsschutz und der Verfassungsschutz versucht, die Einbürgerung zu verhindern. Bereits 2009 teilte der Staatsschutz der Stadt mit, die Einbürgerung auszusetzen, weil der Mann "nachweislich und offenkundig relevante Kontakte zu szenebekannten Akteuren aus dem islamistischen Spektrum" pflege.

Der Bremer Verfassungsschutz beobachtete, wie der Mann zwischen 2009 und 2013 mehrfach das salafistische "Islamische Kulturzentrum" (IKZ) am Bremer Hauptbahnhof besucht haben soll. Zudem soll er für die Moschee gespendet und sich als Mitglied im Trägerverein engagiert haben. Auch eine sogenannte "Sicherheitsbefragung" konnte laut Weser-Kurier nicht die Bedenken ausräumen.

Das Oberverwaltungsgericht aber sieht kein Problem. In dem Gerichtsbeschluss, der VICE vorliegt, heißt es, "dass sich aus dem bloßen Besuch von Freitagsgebeten im IKZ keine tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ergeben". Die Spenden seien "anlässlich der Freitagsgebete üblich". Eine Mitgliedschaft im Trägerverein des IKZ hätte der Mann bis zuletzt bestritten.

"Letztlich konnten wir das Gericht nicht davon überzeugen, dass es sich bei den Besuchen des Freitagsgebetes im IKZ sowie den Spenden an den Verein um eine Unterstützungshandlung für eine salafistische Bestrebung handelt", schreibt der Bremer Innensenat auf Anfrage von VICE. Man hätte sich ein anderes Urteil gewünscht, akzeptiere aber die Rechtsprechung. "Wir werden uns das Urteil nun in Ruhe anschauen und prüfen, ob gegebenenfalls gesetzlicher Änderungsbedarf besteht."

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Das IKZ als "Durchlauferhitzer für Terrorismus"

"Als Demokraten müssen wir die Urteile unabhängiger Gerichte respektieren", sagte Islamismus-Experte und Landtagsabgeordneter Ismail Tipi (CDU) gegenüber VICE. "Aber man kann dieses Urteil durchaus kritisch sehen." Wenn jemand wissentlich in eine Moschee gehe, in der radikal gepredigt werde, dann seien zumindest Zweifel berechtigt, ob er sich wirklich mit Deutschland und der Demokratie identifiziere.

In der Tat stellt sich die Frage, ob der Nordafrikaner so unbescholten ist, wie das Oberverwaltungsgericht annimmt. Der Chef des Bremer Verfassungsschutzes, Hans-Joachim von Wachter, nannte das IKZ 2016 einen "Durchlauferhitzer zum Terrorismus". In der 2001 gegründeten Moschee beteten in Vergangenheit einschlägig bekannte Hassprediger wie der Leipziger Imam Hassan Dabbagh oder der deutsche Konvertit Marcel Krass. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) kam zum Schluss, dass die Imame im IKZ eine "extremistische Lehre" verbreiteten, die "Vollverschleierung und körperliche Züchtigung" von Frauen propagierten und aus Saudi-Arabien finanziert worden seien. Er kam zum Schluss: Das IKZ sei keine Moschee, "deren Besucher friedlich ihrem Glauben nachgingen".

Dass Moscheen wie das IKZ immer noch nicht geschlossen werden können, versteht Tipi nicht. "In Zeiten, in denen der Rechtsstaat und die innere Sicherheit bedroht werden, reicht es nicht mehr, solche Missionierungszentren nur zu beobachten."

"Natürlich kann man niemanden in Sippenhaft nehmen", so Tipi. Aber: Man müsse erwarten können, dass sich Bewerber um die Staatsbürgerschaft von radikalen Moscheen distanzieren. "Es kann nicht sein, dass wegen falscher Toleranz am Ende Demokratiefeinde die Staatsbürgerschaft zugesprochen bekommen."

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