Eine Marroniverkäuferin zeigt, wofür sie ihr Geld ausgibt
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Monatsbudget

Eine Marroniverkäuferin zeigt, wofür sie ihr Geld ausgibt

Von ihren 3.000 Franken Lohn legt Manon jeden Monat 2.000 fürs Reisen zur Seite.

In unserer Serie "Monatsbudget" zeigen Menschen aus den verschiedensten Schichten und Lebensrealitäten der Schweiz, wofür sie ihr monatliches Einkommen ausgeben.

Synchron zu den Weihnachtskeksen – also im Oktober – beginnt die Zeit der Marroni. Im Gegensatz zu Zimtsternen, Butterplätzchen und Totenbeinchen können einem Edelkastanien aber eingefrorene Finger wärmen und sind noch dazu gesünder. Auch Manon Chabloz hat sie mittlerweile zu schätzen gelernt. Als sie den Job hinter den Marronipfannen annahm, hat sie nur die Kohle gebraucht, um ihre Reisepläne im Sommer zu ermöglichen. Nun steht sie von Montag bis Freitag mit zwei Schichten Strümpfen unter den Jeans vor der Pestalozziwiese in Zürich. Wonach die einkaufenden Leute hier an der Bahnhofstrasse genau suchen, frage sich die 23-Jährige schon manchmal. Während dir das Angebot in den Läden vor lauter Möglichkeiten Kopfschmerzen bereitet, gibt es am Marronistand ihres Vorgesetzten nämlich nur eine einzige Entscheidung zu treffen: Wie viel Gramm dürfen es sein?

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VICE: Wie viel Geld steht dir pro Monat zur Verfügung?
Manon: Beim Marroniverkaufen verdiene ich monatlich knapp 3.000 Franken. Ich versuche, jeweils 2.000 davon direkt auf die Seite zu legen, um für meine Reisen zu sparen. Zusätzlich zu den 1.000, die noch übrig sind, habe ich noch gespartes Geld vom letzten Jahr übrig. Am Ende des Monats merke ich immer, dass ich nicht mehr ausgebe, als ich verdiene.

Was ist das Teuerste, das du dir in den letzten Wochen gekauft hast?
Ein Flugticket nach Nepal.

Wie wohnst du?
Ich lebe mit meinem Freund in einer Drei-Zimmer-Wohnung in einem Wohnviertel in Zürich Altstetten. Wir sind Untermieter und bezahlen fast 2.100 Franken. Die Miete teilen wir aber auf: Mein Freund bezahlt drei Viertel und ich den Rest – weil er mehr verdient. Er arbeitet an der ETH.

Bezahlst du lieber Cash oder mit Karte?
Ich habe nie viel Bargeld dabei, weil ich Bares lustigerweise sehr schnell ausgebe, währenddem ich mit der Kreditkarte weniger in Versuchung gerate, für etwas Geld zu bezahlen, das ich nicht wirklich brauche.

Nimmst du dir dein Mittagessen von zuhause mit?
Nein. Das habe ich früher als Studentin gemacht, um so wenig Geld auszugeben, wie nur möglich. Die Folge davon war, dass ich viel zu wenig gegessen habe, weil mein Mittagessen dann jeweils aus einer Karotte und einem Apfel bestand. Wenn du den ganzen Tag draussen bist, brauchst du viel Energie, um wach zu bleiben. Ich kaufe mir mittags immer ein Sandwich vom Brezelstand.

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Bekommst du auch mal Trinkgeld?
Es gibt fünf bis sechs Leute, die ich jeden Tag sehe, weil sie in den Geschäften an der Bahnhofstrasse arbeiten. Solche Stammkunden nehmen meistens die Ein-Mann-Portion à 3.50 Franken und runden auf 4 Franken auf. Das meiste, was ich an Trinkgeld je bekommen habe, waren vielleicht 8 Franken. Leider gebe ich mein Trinkgeld gerne sehr schnell wieder aus, indem ich mir auf dem Nachhauseweg nochmal eine Brezel hole.

Welche drei Dinge würdest du aus deiner brennenden Wohnung retten?
Meinen Laptop, meine Aquarellfarbenbox, die mir meine Grossmutter vor langer Zeit geschenkt hat, und ein Gedicht, das mir ein alter Freund vor seinem Tod gegeben hatte. Der letzte Vers lautet "Better by far you should forget and smile that that you should remember and be sad".

Was ist das Wertvollste, was du je verloren hast?
Ein Smartphone, das mir vor Kurzem in die Toilette gefallen ist.

Welchen Kauf bereust du?
Vor Kurzem habe ich eine Hose für ungefähr 50 Franken gekauft und erst zuhause gemerkt, dass sie mir eigentlich gar nicht passt. Ich hatte sie im Geschäft zwar anprobiert, aber offenbar nicht bemerkt, dass sie nicht richtig sitzt. Die Etikette hatte ich leider schon entfernt, also kann ich sie auch nicht wieder zurückgeben.

Was wünschst du dir zu Weihnachten?
Geld für meine Reisen und ein Skiwochenende mit meinem Freund. Und vielleicht eine gute Tagescreme. Wenn es um Schönheitsprodukte geht, bin ich nämlich sehr sparsam. Ich spare Zeit und Geld, indem ich mich nicht schminke.

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Gehst du gerne Weihnachtsgeschenke kaufen?
Für andere Menschen gehe ich gerne einkaufen. Jetzt, wo ich werktags von 11 bis 19 Uhr Marroni verkaufe und zum Teil auch noch am Wochenende aushelfe, habe ich aber kaum Zeit, um in die Läden zu gehen. So habe ich dieses Jahr zum ersten Mal alle Geschenke übers Internet gekauft. Das ist extrem praktisch!

Wie viel Geld gibst du pro Geschenk aus?
In anderen Jahren hatte ich ein grösseres Budget, diesmal sind es durchschnittlich etwa 30 Franken, die ich für ein Geschenk ausgebe. Ich beschenke alle meine Geschwister, meine Eltern, meinen Freund und dessen Eltern.

Was schätzt du an deinem Beruf?
Die Einfachheit der Arbeit. Du hast direkten Kontakt mit den Leuten, bist draussen an der frischen Luft, arbeitest mit deinen Händen und auch ein wirtschaftlicher Aspekt ist dabei.

Was ist das Wirtschaftliche daran?
Damit du weisst, wie viel Marroni du rösten sollst, musst du die Nachfrage ungefähr abschätzen können. Früher, als Marroni noch als vollständige Mahlzeit angesehen worden sind, war die Mittagszeit Rush Hour. Heute kommen die Kunden vor allem zwischen 17 und 18 Uhr. Es kann aber auch mal etwas Unvorhergesehenes passieren: Einmal hat zum Beispiel jemand drei Kilo bestellt, die er in 30 Minuten haben wollte. Zum Glück kam da bald mein Chef zurück und konnte den Auftrag erledigen, während ich mich um die andere Kundschaft kümmerte.

Was ist der Nachteil an deinem Beruf?
Dass ich beim täglichen Auf- und Abbau des Marronistands alle meine Hosen kaputt gemacht habe. Und dass meine restlichen Klamotten nach Rauch stinken: Es lohnt sich erst, meine Jacke zu waschen, wenn im Dezember die Saison zu Ende geht. Bis dahin muss ich auch mit einer gewissen Grundunreinheit meiner Hände leben. Am Feierabend sind sie jeweils komplett schwarz.

Verschenkst du auch mal Marroni?
Wenn enge Freunde vorbeikommen, darf ich ungefähr 100 Gramm gratis geben. Am Ende des Tages kann ich manchmal auch noch was mit nach Hause nehmen.

Spendest du Geld?
Nein. Nicht, weil ich es mir nicht leisten kann – ich finde, das ist keine Entschuldigung, weil ja auch schon kleine Summen zählen –, sondern weil ich bei so vielen Hilfswerken nicht weiss, welchem ich was geben soll. Ich ziehe die direkte Art vor: Solange ich Kleingeld dabei habe, gebe ich den Leuten auf der Strasse immer etwas.

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