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Die Geschichte des legendären TV-Hacks, der bis heute Rätsel aufgibt

Im November 1987 kaperte der skurrile Cyber-Moderator Max Headroom zwei Fernsehsendungen. Die Hintergründe für die Attacke geben den Behörden und Moderatoren bis heute Rätsel auf.
Der Hacker hinter dem Angriff lässt eine eigenartige Puppe über das TV-Bild laufen.
Screenshot: YouTube

Der 22. November 1987 begann für die Fernsehzuschauer in Chicago wie ein ganz normaler Abend. Kurz nach 21 Uhr fasst der Sportreporter Dan Roan gerade den Sieg der Chicago Bears auf Channel 9 zusammen, da wird das Programm des Lokalsenders unterbrochen. Alle Bildschirme in der Region sind schlagartig schwarz.

Ohne Vorwarnung ist auf einmal nur noch ein statisches Rauschen zu hören, überlagert von einem unangenehmen Kreischen. Auf dem Bildschirm taucht eine Person mit einer Maske von Max Headroom auf – eine Figur, die in den 1980er Jahren in verschiedenen Fernsehserien und Filmen zu sehen war. Mit gelber Haut, gelber Kleidung und gelben, zurückgegelten Haaren wiegt sich der ungebetene Gast vor einem hypnotischen Hintergrund vor und zurück. Seine Plastikvisage grinst in die Kamera und sein Blick – obwohl von einer großen Sonnenbrillen bedeckt – scheint direkt durch die Bildschirme ins Wohnzimmer der Zuschauer zu dringen.

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Das Ganze dauert nur wenige Sekunden, dann wird der Bildschirm erneut schwarz. Einen Moment später ist Reporter Roan wieder zu sehen.

"Sollten Sie sich jetzt fragen, was als nächstes passiert", sagte ein verdutzter Roan, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, "ich frage mich das auch!"

Doch mit diesem kurzen Auftritt war der Spuk noch nicht vorbei. Denn zwei Stunden später wiederholte sich das merkwürdige Spektakel auf einem anderen Sender. Diesmal traf es Dr. Who, der seiner Begleiterin Leela gerade ein Heißgetränk angeboten hatte: Die Folge wird von einem Störbild unterbrochen und plötzlich sieht man nur noch den Mann in Gelb. Diesmal hatte Max sogar eine Tonspur im Gepäck.

"Er ist ein verdammter Nerd", sagte Max und meinte damit wohl den Doktor. Dazu hört man sein verzerrtes Lachen.

"Ja, ich glaube, dass ich besser bin als Chuck Swirsky", sagt er und disst mal eben einen Sportkommentator. "Verdammter Liberaaaaler!"

In den nächsten zwei Minuten werden die Aussprüche und Gesten von Max immer wirrer: Er summt, stöhnt, schreit, macht sich über Coca-Cola und Journalisten bei der Chicago Tribune lustig. Kurz bevor der Bildschirm wieder schwarz wird, sieht man noch, wie eine Hand aus dem Off Max' nackten Hintern mit einer Fliegenklatsche versohlt.

Wie Max Headroom die Moderatoren bis heute beschäftigt

Trotz intensiver Untersuchungen durch die US-amerikanische Kommunikationsbehörde FCC sind die Drahtzieher des Hacks bis heute unbekannt. Zum 30. Jubiläum des berühmtesten TV-Hacks der Geschichte hat Motherboard mit Dan Roan und Chuck Swirsky gesprochen – die Lokalreporter, die Max mit seinem Stunt unterbrach und über die er sich lustig machte.

Am Telefon erzählt uns Roan, dass eine Stimme ihm damals per Headset mitteilte, dass das Signal der Station gekapert worden sei. Als er und seine Kollegen sich den Ausschnitt einige Minuten später anschauten, kriegten sie sich vor Lachen nicht mehr ein.

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"Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich wahrscheinlich keinen weiteren Gedanken an Max Headroom verschwenden, wenn mich nicht so vier bis fünf Mal im Jahr Leute deswegen kontaktieren würden", sagte Roan. "Also hat der Hack definitiv Menschen beeinflusst – aber mich selbst vielleicht nicht so sehr."

Äther-Pirat Max Headroom

Wir fragten Roan, ob er glaubt, dass abgelehnte Bewerber oder ehemalige Mitarbeiter von Channel 9 hinter der Attacke stecken könnten.

"Ich sag’s mal so, wenn dieser Hijack tatsächlich ein paar abgelehnten Bewerbern oder verärgerten Mitarbeitern gelungen sein sollte, dann hätten wir sie niemals gehen lassen dürfen", sagte er. "Ich vermute, dass das ein paar Technik-Nerds waren, die das ein paar Mal abgezogen haben und dann ganz schnell untergetaucht sind. Mit dem FCC war damals nicht zu spaßen."

Der Sportreporter Chuck Swirsky, den Max Headroom damals als Liberalen beschimpfte, erzählt uns, dass er vollkommen perplex war, dass er in dem Hack zur Zielscheibe wurde. Swirsky selbst hat die Übertragung damals zwar nicht live gesehen, aber kurz nach der Sendung klingelten Freunde und Familie auf seinem Festnetz Sturm.

"Ich war verblüfft, fassungslos, entgeistert", erinnert er sich. "Ich verstehe bis heute nicht, warum ausgerechnet mein Name fiel. Ich bin zwar Sportreporter, halte mich jedoch sehr bedeckt. Es ist nicht so, dass ich öffentlich politische Reden schwinge."

Swirsky sagt, dass er öffentliche Aufmerksamkeit durch Sendungen wie Saturday Night Live gewohnt ist, die eine Sketch-Reihe über Fans der Chicago Bears nach ihm benannte: "Bill Swirski’s Super Fans". Doch als der Max-Headroom-Hack sich auf YouTube verbreitete, erfuhr er plötzlich eine ganz andere Art von Aufmerksamkeit.

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"Der Max-Headroom-Hack ist inzwischen zu einer Art Kult geworden", sagt Swirsky. "Leute fragen mich dauernd 'Hey, bist du der Typ aus Max Headroom…?' Und dann antworte ich 'Ja'. Es ist sehr seltsam. Ich bin nur ein Basketball-Reporter. Ich versteh nicht, warum sie meinen Namen gewählt haben."


Auch auf Motherboard: Die besten Momente der Hacking-Geschichte: Samy Kamkar legt Myspace lahm


Über unsere Frage, was er den Max-Headroom-Hackern gerne mitteilen würde, wenn er die Möglichkeit hätte, lacht Swirsky: "Ich würde wahrscheinlich gar nichts sagen, weil ich nicht möchte, dass sie das nochmal machen."

Der Max-Headroom-Hack ist inzwischen zu einem Sinnbild für Cyberpunk-Hacking geworden, das sowohl Jack Nicholsons Interpretation des Jokers als auch die Handlung von V wie Vendetta beeinflusst hat. Doch noch bevor er seinen Platz in der Popkultur fand, war der TV-Hack vor allem eine riesige Nachrichtenstory.

Die mächtigen Mikrowellentransmitter, die für den Stunt nötig waren, dürften damals ein kleines Vermögen gekostet haben. Da Signale heutzutage digital oder über Satelliten übertragen werden, ist es inzwischen noch schwieriger geworden, ein Signal zu kapern. Trotzdem kommt es auch 2017 vor allem bei kleineren Sendern immer wieder zu kuriosen Zwischenfällen. Anfang des Jahres wurde beispielsweise eine britische Radiostation wiederholt Opfer eines ganz besonderen Hacks: Das Programm wurde mehrmals durch "The Winker’s Song", ein fröhliches Lied über die Freuden der Masturbation, unterbrochen.