Wer ist eigentlich Julian Schmid?
Foto: Parlamentsdirektion | Bildagentur Zolles KG | Mike Ranz

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Grüne

Wer ist eigentlich Julian Schmid?

Schmid hat beim Parteitag das Grünen-Urgestein Peter Pilz geschlagen. Aber was macht dieser Typ im jugendlichen Hoodie eigentlich genau?

Beim vergangenen Grünen Parteitag in Linz kam es zum berühmt-berüchtigten Paukenschlag: Der grüne Eurofighter-Aufdecker und Sicherheitssprecher Peter Pilz wurde von der Liste und aus dem Nationalrat gekickt und von Posterboy Julian Schmid überholt. Im Nachhinein fragten sich vor allem in den sozialen Medien viele, wie das passieren konnte. Wie konnte der ewige Unbequeme durch den Sunnyboy Julian "Öffi für alles" Schmid überholt werden? Was zur Hölle haben sich die Grünen dabei gedacht? Und wie viele Likes hatte Schmid eigentlich auf sein letztes Insta-Foto?

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Was Julian Schmid in seiner politischen Laufbahn bisher gemacht hat, ist für uns eher eines der größeren Rätsel der österreichischen Politik – und das soll was heißen. Liest man seinen Wikipedia-Eintrag, findet man nicht nur heraus, dass dieser kürzer ist als der von Bernd das Brot, sondern auch, dass Schmid beispielsweise Kärntner Landesschulsprecher der Liste "FARBLOS" war. Er organisierte auch einen Boykott der Schulkantine, weil die Preise zu hoch waren.

Nachdem Schmid von 2010 bis Ende 2012 Mitglied des Landesparteivorstandes der Grünen in Wien und von 2010 bis 2013 Bezirksrat in Wieden war, ist er nun seit Oktober 2013 Nationalratsabgeordneter – noch dazu das jüngste männliche Mitglied ever. Bei seiner Amtseinführung fiel Schmid übrigens besonders wild auf: Er trug ganz frech einen Kapuzenpulli (das machen Jugendliche doch so, oder?) und … das war's eigentlich, er trug einen Kapuzenpulli. Der monumentale Hoodie ist mittlerweile übrigens Teil des Grünen Archivs und damit jetzt schon zur Reliquie stilisiert.

Im Sommer 2015 erntete Schmid die eine oder andere Boulevard-Schlagzeile, als er sich in bestem KHG-Style oben ohne ablichten ließ und seinen Followern "liebe Grüße aus Mallorca" schickte. Um sein Image als Grüner Posterboy (im wahrsten Sinne des Wortes) noch mehr zu festigen, diente er vor der Wienwahl 2015 als Teil einer Plakatkampagne, obwohl er nicht einmal auf der Wiener Liste kandidierte. Von Kussmündern übersät zeigte er neben dem Slogan "Öffi für alles" die strahlend weißen Zähne. Später wurde das Sujet von einer Watchgroup als sexistisch eingestuft, da es "Sexualisierung des Mannes" betreibe und durch den Slogan suggeriert würde, Schmid sei "für sexuelle Abenteuer offen".

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Schmid setzt sich jedoch nicht nur für eine Jahreskarte um 365 Euro ein, die auch fürs Wiener Umland gelten soll (und die mit dem Sujet beworben wurde), sondern auch für günstige Öffi-Tickets für Jugendliche und gegen von der FPÖ einst geforderten Schuluniformen, beschäftigt sich mit dem Thema Familienbeihilfe, und steht für die Forderung, die verpflichtende Mathe-Matura abzuschaffen. Gerne lässt er zu diesen Themen auch seine Follower abstimmen. Auf der Website der Grünen wird Schmid als "Kämpfer für die Jugend, eine gerechte Schule und Jugend-Öffitickets" vorgestellt – und "Bud-Spencer-Fan" (das macht man als sympathischer Jungpolitiker doch so, oder?).

Im Vorfeld der bevorstehenden Nationalratswahl positioniert sich Schmid als noch volksnaher: Im Sommer will er als Schnupperlehrling in fünf Betrieben arbeiten – in einer Supermarkt-Filiale, einer Werkstatt, auf dem Bau, beim Frisör und in einem Hotel. So will er die Lebensrealität von Lehrlingen besser verstehen, wie es heißt – auch wenn ihm klar ist, dass er nicht die komplett ungeschönte Version davon mitbekommen werde, wie er gegenüber dem Falter zugab. In den sozialen Medien erntete er Häme für sein Projekt, das für manche im besten Fall sozialromantisch und im schlechtesten Fall ignorant ist. Er selbst versteht die Aufregung übrigens nicht, wie er gegenüber VICE sagt: "Ich trag ja nicht bloß drei Pizzen aus und das wars ;)".

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Seit dem Parteitag beschäftigen sich viele mit der Frage, was Schmid tatsächlich ausmacht und wofür er inhaltlich eigentlich steht – und ob am Ende mehr übrig bleibt als Öffis, Pullis, Muckis und Matura. Vor allem im Vergleich zu Peter Pilz wird Schmid als Leichtgewicht charakterisiert. Im Hinblick auf seine tatsächlich getane Arbeit schneidet der Jungpolitiker eher schlecht ab:

So hat Schmid in den letzten vier Jahren sieben Anfragen und neun Anträge eingebracht. Das stützt den Eindruck des jungen Typen, der seine Jugend zum Hauptargument macht. Doch auch, wenn Schmid und die Grünen ihn als Jugendfigur positionieren und als Wahlzuckerl Sebastian Kurz gegenüberstellen wollen, bleibt der Eindruck, dass Schmid zumindest dem Auftreten nach eher zu den Alten gehört – und das nicht nur, weil er im Interview mit dem Standard das Wort "poppig" verwendet.

Auf die Feststellung, dass man in den letzten Jahren nur wenig von seiner Arbeit mitbekommen habe, behauptet Schmid, dass das nur für alte Menschen gelte, die nun mal auch in Chefredaktionen dieses Landes sitzen würden, zutreffe. Wenn man tatsächlich junge Menschen fragt, würde man ein anderes Bild bekommen, so Schmid. Abgesehen davon, dass bei VICE kein 50-jähriger Chefredakteur sitzt, der nur kennt, was in der gedruckten Tageszeitung steht, habe auch ich als 24-jährige, politisch interessierte Redakteurin bisher nicht viel mehr von Julian Schmid mitbekommen als das Bussi-Plakat und krampfhafte Jugendlichkeit, die das Prädikat "fetzig" und Zwinkersmileys inklusive Nasen-Bindestrich verdient hätte.

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Abgesehen von der Frage, ob unser Chefredakteur und ich damit vielleicht automatisch doch alt sind, wirft das auch noch die nach Schmids tatsächlicher politischer Agenda auf. Oder wie ein User im Standard-Forum anmerkt: "In einem Interview anstelle konkreter Antworten auf die wirklich drängenden Fragen 13 Mal die Keywords 'jung' beziehungsweise 'jugendlich' zu streuen, ist vielleicht gute PR in eigener Sache – aber kein politisches Programm. Vor allem dann nicht, wenn man selbst auch schon auf die 30 zugeht."

Schmid hebt im Interview außerdem hervor, dass seine Art, mit seinen Followern zu kommunizieren, nicht peinlich, sondern lediglich zeitgemäß sei. "Viele Vertreter älterer Generationen können das nicht nachvollziehen, auch in den Medien. Dazu kommt, dass junge Menschen andere Medienkanäle als die klassischen Zeitungen nutzen", sagt er.

Auf Nachfrage von VICE, wofür er neben Öffi-Tickets konkret steht, sagt Schmid:

Ich steh dafür, dass du dir deine Miete leisten kannst und kämpfe für ein faires Mietrecht und gegen Maklergebühren! Wohnen muss für Junge wieder leistbar werden! Ich kämpfe dafür, dass wir keine Sonder-Klassen für MigrantInnen brauchen, sondern eine Schule, die allen eine Chance gibt. Ich will, dass die Neoliberalen und Rechtsextremen nicht unsere Zukunft bestimmen. Und ich steh dafür, dass man aufrichtig ist: Wenn Sebastian Kurz sagt, er will 14 Milliarden aus dem Budget streichen, und nicht sagt, dass man dafür Schulen und Krankenhäuser schließen muss – dann ist das Fake-Politik! Ich will das nicht!

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Die Frage, warum Schmid glaubt, von vielen als grüner Posterboy wahrgenommen zu werden, beantwortet er mit "Vielleicht wegen eines Posters ;)" und meint, dass manche in unserem Medienzeitalter nur noch auf die Oberfläche schauen würden. "Da wird Kompetenz daran gemessen, ob man einen Anzug anhat", so Schmid weiter. Was er in den letzten Jahren tatsächlich gemacht hat, erklärt Schmid so:

Abseits meiner Arbeit in den Ausschüssen für Bildung, Jugend, Familien, Sport, Landesverteidigung und Bürgerinitiativen habe ich gemeinsam mit anderen Abgeordneten in vielen zentralen Bereichen Initiativen gesetzt: Gegen Gratis-Praktika, für faire Arbeitsverhältnisse, bessere Bildungschancen, leistbare Mieten und Öffis, Zukunftsinvestitionen, Integration junger AsylwerberInnen bis hin zur Verbesserung der Zentralmatura!

Trotz all der Angriffsfläche, die Schmid bietet, muss man in aller Fairness abwarten, wie er sich im Laufe des Wahlkampfs – und, eigentlich viel wichtiger, danach in der tatsächlichen Parlamentsarbeit – positioniert.

Dass er im Moment zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung näher am menschgewordenen Meme als an ernsthafter Realpolitik für Jugendliche ist, macht die Sache bestimmt nicht leichter. Vor allem, weil Jugendliche einen gut funktionierenden Bullshit-Detektor haben, der sich auch von Zwinkersmileys und Hoodies nicht stören lässt – und Julian Schmid an seinen Inhalten messen werden.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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