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Demokratie ist schwer

Strafanzeige: AfD Niedersachsen soll gefälschte Briefe verbreiten

Weil die AfD ziemlich viel Mist auf einmal gebaut hat, darf der Landesverband vielleicht nicht bei der Bundestagswahl antreten.
Rechts, der niedersächsische AfD-Chef Armin Paul Hampel | Foto: imago | Henning Scheffen

"clusterfuck" = engl. für Desaster, Durcheinander, "totale Scheiße" ( PONS )

Bei der AfD Niedersachsen brennt gerade die Hütte, und zwar so richtig. Der Grund sind zwei Schreiben, die die Partei am Donnerstag auf ihrer Webseite veröffentlicht hat.

Die AfD hat nämlich schon seit Wochen ein Problem mit ihrer Landeswahlliste, die sie schon vor einer Weile hätte einreichen sollen, um an der Bundestagswahl im September teilnehmen zu können. Der AfD-Generalsekretär Jens Kestner behauptet, diese Liste schon "Anfang Februar" eingereicht zu haben. Das Problem: Die Liste ist offenbar nie angekommen. Jedenfalls hat die Landeswahlleiterin, eine wackere Beamtin namens Ulrike Sachs, schon seit Wochen immer wieder darauf hingewiesen, dass sie die Liste nicht hat. Was bedeutet, dass der Partei langsam die Zeit ausgeht.

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Um die Diskussion zu beenden, hat Kestner am Donnerstag zwei Briefe der Landeswahlleiterin auf der AfD-Homepage veröffentlicht. Die Briefe tragen den offiziellen Briefkopf der Landeswahlleiterin und ihre Unterschrift, und sie bestätigen zweifelsfrei, dass die Liste spätestens am 1. März bei ihr eingegangen sei.

Das nächste Problem: Ulrike Sachs will diese Briefe nie geschrieben haben. Ihr Büro verschickte sofort eine Pressemitteilung, dass die Schreiben "von der Landeswahlleiterin weder gefertigt noch mit ihrer eigenhändigen Unterschrift versehen worden" seien. Weiter heißt es, man verwahre sich "gegen die Verbreitung dieser Fälschungen" und habe "Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover erstattet". Und schließlich wiederholt sie noch einmal, dass der "Landeswahlleiterin eine Landesliste zur Wahl des 19. Deutschen Bundestages der AfD Niedersachsen nicht vorliegt".

Und damit sitzt die Partei gleich doppelt in der Gülle.

Denn zum einen steht die AfD jetzt im Verdacht, die Schreiben einer deutschen Beamtin gefälscht zu haben. Ein "inakzeptabler Angriff auf die Grundprinzipien der Demokratie", wie der niedersächsische SPD-Generalsekretär Detlef Tanke das nennt.


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Der AfD-Landeschef Armin Paul Hampel wiederum behauptet, die AfD selbst sei betrogen worden: Als sie die Briefe veröffentlichten, hätten weder er noch Generalsekretär Kestner gewusst, dass sie gefälscht waren. Dahinter stecke "erhebliche kriminelle Energie zum Schaden der AfD", so Hampel. Die AfD will deshalb selbst noch eine Anzeige gegen Unbekannt stellen.

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Aber es wird noch eigenartiger: Hampel behauptet immer noch, der AfD-Schriftführer habe die Landeswahlliste im Februar "an einer ihm für die Abgabe ausdrücklich benannten Adresse" eingeworfen: "Wie wir jetzt wissen, ist diese Liste bei der Landeswahlleiterin nie angekommen." Die Welt berichtet allerdings, schon seit März hätte die Wahlleitung AfD-Mitgliedern auf deren Anfragen wiederholt erklärt, dass sie noch keine Liste habe. Eigentlich eher unwahrscheinlich, dass die ihrem Vorstand dann nicht Bescheid gesagt hätten. It's… confusing.

Eins steht fest: Irgendjemand hat diese Briefe gefälscht. Möglich ist auch, dass es nicht die AfD-Führung selbst war (denn die hätte sich ja denken können, dass die Landeswahlleitung das merkt), sondern jemand anderes, der den AfD-Chefs die Briefe dann untergejubelt hat, damit die sich öffentlich zu Idioten machen.

Der niedersächsische AfD-Chef Hampel jedenfalls hat in seiner eigenen Partei offenbar genug Feinde: Wie die Welt berichtet, war die Wahlliste von Anfang an "hoch umstritten", mehrere Parteimitglieder haben sie vor einem Schiedsgericht angefochten. Ein Grund: Auf den ersten Plätzen der Liste stehen zu viele Anhänger Hampels, berichtet das Politikjournal Rundblick.

Ob die Sabotage jetzt von innen, von außen oder doch von der Führung selbst kommt – vor allem kostet sie die Partei noch mehr Zeit. Und die hat sie nicht: Offiziell haben die Parteien zwar noch bis zum 17. Juli, um ihre Wahllisten einzureichen. Aber normalerweise schicken sie die Listen schon viel früher, weil die Wahlleitung meistens irgendwas zu bemängeln hat und das Ganze dann nochmal zurückschickt. Die AfD hat jetzt also nur noch vier Wochen Zeit, um eine perfekte Liste vorzulegen.

Wenn sie das nicht schafft, wird die AfD in Niedersachsen nicht zur Bundestagswahl antreten dürfen. Das wäre bei dem nach Bevölkerung viertgrößten Bundesland mit knapp 6,5 Millionen Wahlberechtigten eine ziemlich Katastrophe für die ganze AfD.

Manche ihrer Anhänger wittern deshalb eine Verschwörung: "Wie in NRW wird versucht einer echten Opposition in Deutschland keine Chance zu geben", schreibt ein User auf der Facebook-Seite der Niedersachsener AfD. "Ungeheuerlich was hier abgeht."

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