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Warum sonnen Menschen auf TikTok ihr Arschloch?

Fans des sogenannten Perineum-Sonnens sagen, es würde ihnen so viel Energie wie eine Tasse Kaffee geben.
Zwei Beine mit runtergelassener Hose ragen in den blauen Himmel, die Sonne scheint, auf Instagram und TikTok posten viele Menschen über Perineum-Sonnen.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung der Interviewten

Es gibt Menschen da draußen, die darauf schwören, ihr Perineum zu sonnen – und natürlich müssen sie allen im Internet davon erzählen. Das Perineum ist der Bereich zwischen After und Vagina oder After und Hodensack, besser bekannt als Damm. Schon drei Minuten Sonnenschein auf diesen wenigen Zentimetern Haut sollen für einen ordentlichen Energieschub sorgen, vergleichbar mit einer Tasse Kaffee. Das behaupten jedenfalls Fans des Wellness-Trends. Andere berichten, man fühle sich danach, "als wäre man den ganzen Tag in der Sonne rumgelaufen".

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Bei über 2,9 Millionen Aufrufen des Hashtags #perineumsunning allein auf TikTok haben wir es hier jedenfalls nicht mit einem kleinen Nischentrend zu tun.

Aber warum? Ist das wissenschaftlich belegt? Und hat niemand Angst, sich den Arsch zu verbrennen?


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"Es fühlt sich wirklich gut an, da unten die Wärme der Sonne zu spüren", sagt der TikTok-User und überzeugte Perineum-Bräuner Abushady aus New York. "Das Gefühl kann man nicht wirklich beschreiben, man muss es selbst erleben. Es ist, als würde das Sonnenlicht dein Wesen von unten füllen." Seine ersten Erfahrungen mit dem Perineum-Sonnen habe er während eines längeren Aufenthalts in Indien gemacht. Als er dort lebte, habe er stundenlang in der Sonne Yoga praktiziert, sagt er.

"Zurück zu Hause in Pennsylvania bin ich nackt mit meiner Yoga-Matte nach draußen in die Sonne gegangen und habe zwei bis drei Stunden meine Übungen gemacht", sagt Abushady weiter. "Bestimmte Posen wie der Handstand oder die Happy Baby Pose exponieren deinen ganzen Körper. Ich gehe nicht extra nach draußen, nur um meinen Anus zu sonnen. Es geht eher darum, frei zu sein."

Aber was ist mit Sonnenbrand an dieser empfindlichen Stelle? "Um Sonnenbrand mache ich mir keine Sorgen, weil ich auf meine Gesundheit achte und Lebensmittel esse, die meine Haut von innen heraus schützen", sagt er.

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"Auch wenn manche sich vielleicht darüber lustig machen, sage ich gerne: 'Die Sonne verbrennt einen für seine Sünden.' Menschen kriegen Sonnenbrand, weil sie a) nicht oft genug in der Sonne sind und dementsprechend keine Toleranz aufgebaut haben und weil sie b) so ein toxisches Leben führen, dass ihr Blut voller Toxine und nicht im Einklang mit der Natur ist, dass es mit der Sonne reagiert und eine 'Verbrennung' verursacht. Ich lebe und ernähre mich extra so, dass ich stundenlang ohne Sonnencreme in der Sonne bleiben kann, ohne mich zu verbrennen."

Wenn dir Abushadys Sonnenbrand-Theorie etwas fragwürdig, wenn nicht gar gefährlich vorkommt, dann bist du damit nicht allein. Erstens gibt es keinen bewiesenen Zusammenhang zwischen einem sogenannten toxischen Lebensstil, was auch immer das sein soll, und Sonnenbrand. Zweitens gibt es sehr gute Gründe dafür, empfindliche Körperstellen nicht ungeschützt in Richtung des großen Feuerballs zu strecken.

Der Arzt Karan Raj hat auf TikTok ein Video gepostet, in dem er auf die Gefahren der direkten Sonneneinstrahlung auf sensible Hautpartien hinweist: "Das Perineum ist ein Bereich aus dünnem Gewebe zwischen dem Hintertürchen und den Genitalien. Es wird nicht ohne Grund als der Ort bezeichnet, an dem die Sonne nicht scheint. Die Biologie und die Evolution haben sichergestellt, dass diese Stelle versteckt ist. Die Strahlen der Sonne können das Risiko einer Verbrennung, Irritationen und von Hautkrebs erhöhen."

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Von uns kontaktiert erklärt Raj weiter: "Das Wichtigste ist, dass Bräunen keine risikofreie Angelegenheit ist – vor allem nicht ohne den richtigen Sonnenschutz, und ganz besonders nicht das Bräunen des Perineums. Es gibt absolut keine Belege dafür, dass das Bräunen dieser Stelle irgendwelche gesundheitlichen Vorteile hat."

Trotz dieser offensichtlichen Risiken lassen sich viele Menschen nicht davon abhalten, begeistert ihren Arsch in die Sonne zu halten. James und Chelsea aus Kanada reisen im Van durch Nordamerika und dokumentieren ihre Abenteuer auf einem gemeinsamen Instagram-Account, darunter auch Posts zu #perineumsunning. Sie sagen, dass sie mindestens einmal pro Woche versuchen, auch untenrum etwas Sonne abzubekommen. Sie waren so freundlich, ein paar Fragen zu beantworten.

Auf die Idee habe sie ein Podcast über orgastische Erleuchtung gebracht. "Wenn wir die Gelegenheit haben, ziehen wir unsere Unterhosen aus, legen uns aufs Bett und strecken die Füße in die Luft, um ein paar Strahlen abzubekommen. Eine Dauer zwischen 30 Sekunden und fünf Minuten scheint am besten für uns zu funktionieren."

Und warum? "Die Vorteile sind abgefahren! Es ist, wie morgens eine Tasse Kaffee zu trinken", schreiben sie. "Unsere Energielevel gehen hoch, wir fühlen uns wieder aufgeladen und bereit für den Tag – ganz zu schweigen vom sexuellen Nutzen. Es erhöht unseren Sexdrive und bringt uns näher zusammen denn je, wenn wir uns gemeinsam so entblößen. Wir fühlen uns viel wohler miteinander und entspannter, dass wir so frei und offen mit unseren Körpern sein können."

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Zwei junge Menschen liegen nackt auf dem Rücken und halten ihre Beine hoch und berühren sich an den Füßen

James und Chelsea

Dieses Gefühl von Freiheit scheint überhaupt eine wichtige Rolle für die meisten Menschen zu spielen, die wir zu diesem Thema befragt haben. Es geht bei dem Trend also anscheinend nicht nur um die reine Sonnenenergie, sondern auch um eine psychische Komponente.

Der 22 Jahre alte US-Amerikaner Jafia, der ebenfalls gerne auf Instagram Beiträge zum Perineum-Sonnen postet, scheint das auch so zu sehen. "Wenn ich draußen Yoga mache und die Sonne scheint, dann mache ich es einfach", sagt er. "Es hat mir dabei geholfen, mich in meiner Haut wohler zu fühlen. Man sieht diese schambehafteten Stellen von sich und entscheidet sich, über sie hinauszuwachsen. Die Sonne fühlt sich auf jedem Teil meines Körpers toll an, warum also die Wurzel unserer Kraft verneinen?"

Aber auch Jafia ist anfällig für wissenschaftlich nicht haltbare Theorien: "Die Sonne desinfiziert, es ergibt also schon Sinn", sagt er. "Das ist die Stelle, an der der Abfall aus unserem Körper kommt, also warum sie nicht von der Sonne desinfizieren lassen? Ich habe auch gehört, dass Sonnenlicht auf Hoden bei Männern den Testosteronspiegel anheben kann [Anm. d. Red.: Sonnenlicht kann wohl generell den Testosteronspiegel anheben, es muss dazu aber nicht direkt auf die Eier scheinen]. Ich fühle mich mehr wie ich selbst. Es fühlt sich intuitiv einfach gut an."

Und was sagt er zu den Menschen, die die Praxis als Gesundheitsrisiko kritisieren? "Ich würde diese Menschen fragen, warum sie glauben, dass es ein Gesundheitsrisiko darstellt. Ich würde ihnen sagen, dass alles ein Risiko hat. Jeder weiß, dass man sich verbrennen kann, wenn man zu lange in der Sonne ist. Man sollte also einfach vorsichtig sein und es nur für kurze Zeit machen."

Nach einigen Gesprächen ist klar, dass fast alle, die auf Perineum-Sonnen schwören, auch gerne Yoga machen und sich genau so gerne möglichst unbekleidet in der Natur aufhalten. Da ist es irgendwie nachvollziehbar, dass sie diese beiden Dinge miteinander kombinieren wollen. Und es erklärt vielleicht auch, warum für viele von ihnen, Damm-Sonnen der ultimative Powermove ist.

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