ein großer kreisrunder saal mit lilanen Säulen und Möbeln, das ist eine der italienischen Clubruinen, die in dem neuen Fotoband "Disco Mute" gezeigt werden
SILVANELLA, TERAMO Eröffnet: 1965; Geschlossen: 2008. Das Silvanella in Silvi Marina war einst ein Treffpunkt für ganz Mittelitalien | Foto: Simone Nanetti
Popkultur

Italienische Discos sehen toll aus – auch als Ruinen

Ein neuer Fotoband zeigt Italiens verlassene Clubs in ihrer ganzen Pracht.
Vincenzo Ligresti
Milan, IT

Zigarettenpausen, in denen man Fremden sein Herz ausschüttet. Sätze, die man sich gegenseitig in die Ohren schreit. Das Versprechen an die eigene Leber, nie wieder so viel zu trinken – nur um am nächsten Wochenende alle guten Vorsätze wieder zu vergessen. Ach, war das schön, als man noch in Clubs gehen konnte.

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Auch wenn es zwischendurch immer wieder kleine und viel zu kurze Hoffnungsmomente gab, dürften in den vergangenen zwei Jahren wohl alle mal wehmütig an "die guten alten Zeiten" vor März 2020 zurückgedacht haben.

Diese gemischten Gefühle fängt perfekt dieser neue Fotoband ein: Disco Mute – Le Discoteche Abbandonate d'Italia – auf Deutsch etwa "Stumme Disco – Die verlassenen Diskotheken Italiens". Das Buch vereint Bilder verschiedener Fotografinnen und Fotografen mit einer Leidenschaft für Urban Exploration – also dem Auskundschaften verlassener Gebäude und Anlagen. 

Außerdem erfahren wir auch einiges über die für das italienischen Nachtleben geschichtsträchtigen Orte. Etwa das Cocoricò an der italienischen Riviera, das noch 2015 als einer der besten Clubs der Welt galt, oder das Babaloo, ein Club, der an der Nordostküste Italiens auf einem künstlichen See gebaut wurde. Es sind aber auch kleinere Diskotheken enthalten, die in den 1980ern und 1990ern ihre Hochphase hatten wie das Tana, das Domina und das Majorca.

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Einige dieser Clubs mussten wegen Drogen oder finanziellen Problemen schließen, andere weil sie ihren Höhepunkt in der Blütezeit der italienischen Clubszene hatten, also vor den 2010ern. Aber es gibt sie bis heute, zerfallen zu kunterbunten Ruinen.

"Erinnerst du dich, wie es ist, einen Club bei Tageslicht zu sehen?" schreiben die Autoren Alessandro Tesei und Davide Calloni in ihrem Buch. "Das Gefühl ist ungefähr dasselbe."

Hier sind einige Clubs aus dem Fotoband:

Eine See im Grünen, über den ein kunstvoller Steg geht

Woodpecker, Milano Marittima – Eröffnet: 1968; Geschlossen: Mitte der 70er | Foto: Elsa Mancini

Früher einer der beliebtesten und teuersten Clubs in der Gegend, wurde das Woodpecker in der Provinz Ravenna von einem Verein wiederentdeckt, der auf dem Gelände ein paar Musikveranstaltungen organisiert hat. Die Gemeinde Milano Marittima schrieb den verfallenen Club zur Instandsetzung aus. Eine einheimische Familie erhielt 2019 den Zuschlag. Diese wollte aus den Ruinen einen Multifunktionsraum machen. Die Eröffnung war für 2021 geplant, aber die Arbeiten sind bis heute nicht abgeschlossen.

Eine Galerie in einem zerfallenen modernen Gebäude

Ultima Impero, Turin – Eröffnet: Dezember 1992; Geschlossen: 2010 | Foto: Elsa Mancini

Nach drei Jahren Bau wurde der Club 1992 mit DJ Sets der damaligen Stars der italienischen Szene eingeweiht, darunter Pietro Villa, Claudio Coccoluto, Claudio Diva, Stefano Secchi und Manuel Bagnoli.

Ein Saal mit Wandmalereien, in der Mitte zerbrochene Möbel, um die rote Sessel aufgereiht sind

Poggio Diana, Parma – Eröffnet: In den 1960ern. Geschlossen: 2009 | Foto: Elsa Mancini

Die Diskothek Poggio Diana hatte zwei Tanzflächen, einen Garten, Tennisplätze, einen Golfplatz, ein Schwimmbecken und eine Terrasse. Früher wurde dort eine Wahl zur Miss Italia abgehalten, heute bietet die ehemalige Disco Obdachlosen Schutz.

Ein zerfallener Saal mit Spiegelwand, rote Sessel stehen im Schutt

Metropolis, Lucca – Eröffnet: Anfang der 1980er; Geschlossen: Anfang der 1990er | Foto: Elsa Mancini

Das Gebäude des Metropolis wurde 2021 im 15. Anlauf endlich versteigert.

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Ein Raum mit einer Säulenskulptur in der Mitte, an der zwei Metallwände befestigt sind

Adelayde, Ferrara – Eröffnet: Ende der 1960er; Geschlossen: 2017 | Foto: Simone Nanetti

Das Adelayde ist ein Symbol des Nachtlebens früherer Generationen und prägte die Stadt Ferrara. Nach mehreren erfolglosen Auktionen wurde das Gebäude im Jahr 2000 verkauft.

Ein zugewachsener Eingang zu einem zerfallenen Gebäude

Majorca, Lodi – Eröffnet: In den 1960ern; Geschlossen: 2005 | Foto: Elsa Mancini

Im Majorca fanden Konzerte von italienischen Popstars statt wie Patty Pravo, Lucio Dalla und Riccardo Cocciante. Viele Menschen haben aus unterschiedlichen Gründen Interesse an dem Gebäude, aber bis sich ihm jemand annimmt, schimmelt es weiter vor sich hin.

Ein prunkvoller Raum umringt von einer Empore mit Säulen

Michelangelo Da Vinci, Rovigo – Eröffnet: 2000; Geschlossen: 2014 | Foto: Simone Nanetti

Das Michelangelo Da Vinci, ein ehemalige Club mit Restaurant, trug mal den Spitznamen "Die Flugzeuge", weil sich der Speisesaal und die Küche in zwei richtigen Flugzeugen befanden, einer Douglas DC-6 und einer Tupolew TU-134A.

Ein verfallener kreisrunder Saal, der von grünem Licht angestrahlt wird

Expo, Vicenza – Eröffnet: 1992; Geschlossen: Anfang 2000 | Foto: Simone Nanetti

Das Expo war mal ein wichtiger Ort für das Nachtleben in Vicenza. Im Jahr seiner Schließung wäre es fast wiedereröffnet worden, aber seit 2000 ist es sich selbst überlassen.

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