Menschen

10 Fragen an einen Gentechniker, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Wie fühlt es sich an, Gott zu spielen? Bastelst du am perfekten Menschen? Ist es diskriminierend gegenüber Menschen mit Behinderung, wenn sie in Zukunft nicht mehr geboren werden sollen?
Ein blonder junger Mann: Felix Heider ist Gentechniker, wir wollen von ihm wissen, wie es ist, wenn man Gott spiel und CRISPR-CAS9 benutzt
Foto: Privat
10 Fragen, die du dich niemals trauen würdest zu stellen. Wirklich nicht.

Vor acht Jahren war das, was Felix Heider heute täglich in seiner Arbeit macht, noch unmöglich. Der studierte Biologe ist das, was man umgangssprachlich Gentechniker nennt. Er forscht am Institut Cancer Research UK in Manchester an neuen Heilmethoden für Krebspatienten.

Dabei nutzt der 26-jährige Deutsche ein Instrument, das erst 2012 entwickelt wurde und seine Branche, aber im Grunde auch das Leben aller Menschen nachhaltig verändern wird: Die sogenannte CRISPR-CAS9-Methode. Diese "Genschere" ermöglicht präzise, schnelle und kostengünstige Eingriffe in die DNA. Die Anzahl an Studien zur Modifikation der Zelle von Mensch, Tier und Pflanze schießt seitdem in die Höhe.

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Doch das Basteln mit der Genschere könnte auch unvorhersehbare Nebenwirkungen hervorrufen, die bisher kaum erforscht sind. Ihre Verwendung unterliegt daher strengen Regeln. In China kamen 2018 dank CRISPR bereits die ersten HIV-resistenten Babys zur Welt. Der Arzt, der die Schere illegal an der Eizelle erprobte, wanderte in den Knast. Felix schwärmt vom großen Potenzial der Technologie, verheimlicht aber auch nicht, dass sie missbraucht werden kann.

Wir haben Fragen.

VICE: Wie fühlt es sich an, Gott zu spielen?
Felix Heider: Ein Gott hätte wohl nicht so einen normalen Alltag wie ich. Natürlich schafft die Genetik heute Dinge, die Menschen vor 50 Jahren wohl nur einer Schöpferfigur zugetraut hätten. Aber ich denke nicht darüber nach, ich mache nur meinen Job. Außerdem arbeite ich nicht direkt am Menschen. Ich kann aber nicht leugnen, dass es mir ein komisches Bauchgefühl gibt, wenn ich über Leben und Tod eines Tieres entscheide.


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Hältst du religiöse Menschen für dumm?
Ich persönlich glaube nicht an Gott, aber ich verurteile niemanden deswegen. Es hat mich auch noch nie jemand kritisiert, weil ich in das Werk Gottes eingreife. Vielleicht begegne ich diesen Menschen aber in meiner Blase auch nicht. Ich würde so jemandem sagen, dass ich einfach nur Krankheiten bekämpfen will. Das ist ja auch ein christlicher Gedanke, oder?

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Hast du Mitleid mit Labormäusen?
Nein, dann könnte ich meinen Job nicht machen. Ich ernähre mich selbst vegan, aber das Forschen mit einer Labormaus hat für mich einen so großen Mehrwert, dass ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Einem Kritiker würde ich Zahlen nennen: In Deutschland sterben jährlich mehr Mäuse durch Hauskatzen als durch die Wissenschaft. Wer Kritik übt, sollte wissen, dass wir alle von Tierversuchen profitieren. Wer würde heutzutage auf Kopfschmerztabletten oder Verhütungsmittel verzichten wollen? All die Wirkstoffe, die für uns heute selbstverständlich sind, wurden mal an einem Tier getestet.

Nerven dich EU-Gesetze, wegen denen du nicht unbegrenzt an Menschen experimentieren kannst?
Ich fühle mich durch die Gesetze in meiner Forschung nicht beeinträchtigt. In unserer kapitalistischen Welt sollten wir zwar fortschrittlich denken, um medizinisch mit anderen Ländern mithalten zu können. Lockerungen müssen aber trotzdem auch weiterhin kontrolliert ablaufen, und erst dann, wenn alle Risiken minimiert sind.

Könntest du dir verzeihen, wenn wegen deiner Forschung ein Mensch stirbt?
Diese Frage muss sich jeder Chirurg stellen, der einen Blinddarm rausoperiert. Man muss Kosten und Nutzen eines riskanten Eingriffs abwägen. Ich würde niemals an einem gesunden Menschen testen, damit er keine Brille mehr tragen muss. Aber wenn jemand Leukämie im Endstadium hat, würde ich – natürlich mit seinem Einverständnis – eine neue Heilmethode durchaus in Erwägung ziehen. Wir denken uns aber keine Behandlungen aus, spazieren in ein Krankenhaus und testen sie am Menschen. Medikamente müssen zunächst etliche Tests durchlaufen, bis sie für Studien genehmigt werden.

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Hast du in deinem Studium nichts über Ethik gelernt?
In Deutschland gab es keinen verpflichtenden Kurs in meinem Studium. In England war das anders: Da gab es in der ersten Woche ein Boot Camp über Ethik und die artgerechte Forschung mit Tieren. Ethik ist für mich aber nicht universell, jeder Mensch hat seinen eigenen moralischen Kompass. Für mich persönlich war es nicht schlimm, dass das in Deutschland nicht unterrichtet wurde.

Bastelst du am perfekten Menschen?
Ein Mensch ist für uns dann perfekt, wenn er gesund ist und das möglichst lange bleiben kann. So gesehen forschen wir am perfekten Menschen. Unsere Investoren bezahlen uns aber nicht dafür, eine neue Augenfarbe zu erfinden, sondern um die Probleme zu lösen, die die Sterblichkeit der Menschen erhöhen oder ihre Lebensqualität verringern. Wir sind keine Eugeniker, die eine ästhetische und oberflächliche Vorstellung vom perfekten Menschen haben. Trotzdem müssen wir darauf achten, dass sich unsere Grenzen nicht verschieben, weil wir uns zu schnell an die neue Technologie gewöhnen.

In den USA werden genmodifizierte Fische verkauft, die im Dunkeln leuchten. Ist das pervers?
Ja, leider ist das in den USA zugelassen und es gibt viele Abnehmer. Wenn Leute meinen, sie brauchen unbedingt einen leuchtenden Fisch, dann ist das halt so. Es ist nur schade, dass unsere Forschung dann immer mit solchen Geschichten in Verbindung gebracht wird.

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Würdest du deine ungeborenen Kinder genetisch modifizieren, damit sie ohne Erbkrankheiten zur Welt kommen?
Ja, wenn wir bis dahin so weit sind, dass wir das der Allgemeinheit ermöglichen können. Ich würde CRISPR zum Beispiel durchaus einsetzen, damit meine Kinder keine Sichelzellenanämie bekommen. Die Augenfarbe ändern oder meine Kinder schlauer machen würde ich aber auf keinen Fall.

Ist es diskriminierend gegenüber Menschen mit Behinderung, wenn sie in Zukunft nicht mehr geboren werden sollen?
Ich finde es diskriminierend, dass unsere Gesellschaft solche Gruppen ausgrenzt und sie sich dadurch gar nicht erst auf dieser Welt willkommen fühlen. Solange sich da nichts ändert, müssen wir uns fragen: Wollen wir unseren Kindern das antun? Diese Frage muss aber die ganze Gesellschaft diskutieren und nicht nur der Staat oder Wissenschaftler. Auch die betroffenen Gruppen sollten dabei ein Mitspracherecht haben.

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