
Oh Gott, wie oft wäre ich gerne einfach aufgestanden und hätte die Meute gefragt, ob jemand Lust hätte mit mir die Kühe melken zu gehen, so sehr habe ich mich danach gesehnt etwas Anständiges zu arbeiten! Mir ein bisschen die Hände schmutzig zu machen in der realen Welt. Fette Euter anzufassen, anstatt die fetten Euter der Testimonials auf meinem Bildschirm anzustarren. Aber stattdessen habe ich mir eine laktosefreie Bio-Fairtrade-Milch aus der Edelstahl-Küche geholt und sie in meinem ergonomischen Schreibtischsessel schweigend geext. Aber zurück zum Thema. Seit ich denken kann gabs da dieses Idealbild der Werbeagentur in meinem Kopf, das vor Haargel, weißen Wänden, Stahlelementen, gebräunten Astralleibern und Lackschuhen, Glasfronten, und Geld nur so glänzte, und man möge es mir glauben, das Bild hat sich vollkommen bestätigt.Bis auf die Tatsache, dass man Haargel tendenziell durch Hornbrillen ersetzt hat. Ansonsten alles gleich. Schwöre. Ich bin mit Scootern regelmäßig zur Fingerscan-Druckerstation durch das Gebäude gebrettert, habe unzählige Stunden mit Internetsurfen verbracht und es auf „Recherche“ gebucht, bin mit meinen Kollegen über die Kunden hergezogen (ohne jeglichen Grund) und habe Meetings erlebt, in denen eine Ewigkeit diskutierte wurde ob das „O“ des Logos jetzt runder oder ovaler sein soll. Dabei wurde besprochen, dass es rund ruhiger wirkt, aber auch exzentrischer, es oval jedoch möglicherweise zu altmodisch rüberkommt und generell nicht so gut zu blau passt.
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muss ja jedem gefallen. Und genau da sind wir beim Thema dieses Artikels, denn um was es wirklich geht, und was ich wirklich gelernt habe bei meinem Internship—mal abgesehen davon, dass ich nun weiß, dass regelmäßiges Mittagessen mich fett werden lässt—ist, dass die Menschen, die in einer Werbeagentur arbeiten auch nur mit Wasser kochen, genauso scheißen und im Allgemeinen die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen haben.

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Der Chef hat immer recht. Punkt. Mehr gibt’s da nicht zu wissen, okay? Und wenn er Schals trägt, den Hemdkragen seines Poloshirts aufstellt und Mokassins (ohne Socken) anzieht hat er auch recht, weil es halt so ist. Punkt. Aus.
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Wenn dein Chef mit seinem Chef spricht und du zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist und dieses Kulturschauspiel beobachten darfst, siehst du das in echt auch eine Ziege mit Socken und ohne Mokassins recht haben könnte, wenn sie genug Geld hätte sich jemanden anzustellen, der nicht das Gegenteil behaupten darf. Denn der Chef deines Chefs hat selbst dann recht, wenn dein Chef echt recht hat.Die Projektmanagerin
Komischerweise (und ich bin mir nicht sicher, ob das ein Zufall war) sind alle Projektmanager, die ich kennen zu lernen schien, weiblich. Vielleicht weil Frauen besser organisiert sind als Männer? Ach was … Vielleicht auch, weil sie am Weg zur Chefetage auf der Fast-Chef-Etage zum Stehen gekommen sind? Weil sie sich dann doch nicht drüber getraut haben? Könnte sein … Ich denke, das ist eine Charaktersache. Warum auch immer, sie sind Projektmanagerinnen und sie haben einen harten Job, das sag ich euch. Sie kümmern sich genauso um die harten Fakten der Finanzen wie auch um die weichen Kerne und zerbrechlichen Seelen der kreativen Mitarbeiter. Sie sind die Vertrauenslehrer der Firma, ein Hoch auf die Projektmanagerinnen dieser Welt!Der Nerd
Der Nerd hat einen kleinen aber süßen Bauchansatz, weil er den ganzen Tag Zucker in seinen unmuskulösen Körper schüttet, um ständig auf Zack zu bleiben. Er ist so angeknipst wie eine 1000-Watt-Birne und löst im Alleingang alle Probleme der Firma. Denn anders als die kreativen In-die-Luft-Schauer arbeitet er wirklich hart. Er schreibt den Code, die Apps und die Interfaces und versucht dabei die schwebenden Designer auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Denn anders als von den Designern behauptet, gibt’s auf der Welt keine Grauzone. Sachen sind entweder 0 oder 1. Wahr oder falsch, schwarz oder weiß. Pragmatisch und sympathisch, diese Leute.
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Er ist der Innbegriff eines Werbefuzzis. Seine Stimme ist gedämpft, er ist immer höflich und jedes vierte Wort aus seinem Mund ist englisch. Er arbeitet irgendwo im Marketing, aber eigentlich weiß keiner, was er wirklich tut. Er ist so aalglatt, dass jedes Wort von dir an ihm abperlt wie Wasser auf einer Lotuspflanze. Er bringt es üblicherweise sehr weit, denn obwohl ihn selten wer vermisst, wenn er weg ist, tuts auch keinem weh, wenn er da ist…Der, der immer dagegen ist
Er bleibt üblicherweise nicht lange. Er wird gegangen, aber selbst da ist er dagegen.Die Assistentinnen
Sie sind die jungen Dinger, die gleich nach der Handelsschule eingesammelt werden. Jede Woche heiratet eine von ihnen. Sie tragen meist Perlenohrringe und Basic-Teile von H&M. Sie sind wirklich nett.Der Hottie
Er ist schwul, vergiss es.Der Tiroler
In jeder Design oder Communications-Agentur gibt es mindestens einen Tiroler. Und das ist auch verdammt gut so! Denn so ein Tiroler bringt eine derartige Gelassenheit in einen Betrieb, dass jedes noch so schwierige Kundengespräch federleicht über die Bühne geht. Mit seinem erdigen Akzent und seiner beschwingten aber bodenständigen Art ist er der beliebtester Designer der Agentur, denn die wenigen Worte, die er sagt, werden zumeist gehört. Überhärn kannscht sowos liabs wia an Tiroler jo a garned, oderrr?Der Hund
Noch entspannender, als einen Tiroler in der Agentur zu haben, ist, einen Hund durchs Gebäude flitzen zu sehen! Selbst ich als eingefleischter Katzenmensch muss zugeben, dass das gelegentliche Streicheln eines Hundes Wunder bewirkt. Und außerdem hat ein Hund eine ähnlich gesprächsfüllende Wirkung wie Kinder. Wenn man nichts zu reden hat, redet man halt über den Hund.Der Besitzer des Hundes
Ich sag nur: Who's your Daddy?Der Praktikant
Und da sind wir auch schon am Ende der Kette, beim schwächsten Glied—bei mir, der Praktikantin. Es gibt natürlich die unterschiedlichsten Arten von Praktikanten, aber da wir ja in der Ikea-Malm-Kommodenschublade stecken, hier mal der Klassiker: Der Praktikant hat üblicherweise nichts zu verlieren, und so verhält er sich auch. Denn auch, wenn er, solange er da ist, ein gern gesehener Mitarbeiter ist und sich jeder um ihn reißt (weil seine Mitarbeit an Projekten üblicherweise nicht viel kostet), wird es ihm auch nicht besonders übel genommen, wenn er high zur Arbeit kommt und tausendmal nachfragt auf welchem Server nochmal das Projekt liegt, denn verdienen tut er sowieso so gut wie nichts und das weiß auch jeder. Diese Tatsache stört ihn am Ende des Tages aber gar nicht so richtig, denn auch wenn er keinen Job angeboten bekommt und nach 6 Monaten so still und unbedeutend abhaut, wie er aufgetaucht war, kann er danach wenigstens einen Artikel darüber schreiben.