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Indonesische Polizeianwärterinnen müssen sich auf Jungfräulichkeit testen lassen

Human Rights Watch fordert die Abschaffung des „Zwei-Finger-Tests", dem sich Frauen bei den Gesundheitsuntersuchungen für Polizeianwärter unterziehen müssen.

Foto: ​世書 名付 | ​Flickr | ​CC BY 2.0

​Für angehende Polizistinnen in Indonesien sieht die Führung eine übergriffige Untersuchung vor. Sie nennt sich „der Zwei-Finger-Test" und soll feststellen, ob die Kandidatin noch Jungfrau ist. Die Untersuchung wird ​in einem​ Bericht von Human Rights Watch (HRW), der diesen Dienstag veröffentlicht wurde, als erniedrigend, schmerzhaft und diskriminierend bezeichnet—männliche Polizeianwärter müssen keine Überprüfung ihrer Jungfräulichkeit über sich ergehen lassen.

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„Es war allein schon furchtbar, den Raum zu betreten, weil wir uns dort vor 20 fremden Menschen entkleiden mussten", wird eine 24-jährige Frau, die sich dem Test unterzog, in dem Bericht zitiert. „Ich hatte Angst, dass ich nach der Untersuchung keine Jungfrau mehr sein würde. Sie führten zwei Finger ein. Es hat sehr wehgetan. Meine Freundin ist sogar in Ohnmacht gefallen."

Entsetzlicherweise sind derartige Untersuchungen auf der ganzen Welt üblich.

​Laut Amnesty Intern​ational testeten Ärzte die Jungfräulichkeit von ägyptischen Demonstrantinnen, die auf dem Tahrir-Platz während des Arabischen Frühlings festgenommen worden waren. HRW berichtete, dass Frauen in Afghanistan, denen Verstöße gegen die Moral vorgeworfen werden, oft Untersuchungen ihrer Jungfräulichkeit unterzogen werden. In Südafrika ist diese Praxis unter Familien verbreitet, die sicherstellen wollen, dass ihre Töchter heiratsfähig sind. Bis zum Verbot im März dieses Jahres führten Ärzte in Indien den Test noch routinemäßig bei mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern durch. In der Türkei ist eine derartige Praxis erst 2002 abgeschafft worden.

„Das alles lässt sich auf die uralte Ansicht zurückführen, dass Frauen nicht über ihre eigenen Körper bestimmen können; dass die Jungfräulichkeit einer Frau die Angelegenheit des Mannes ist—des Patriarchats, der Gemeinschaft, der Autoritäten", erklärte Françoise Girard, Präsidentin der International Women's Health Coalition, gegenüber VICE. „Es kann dafür benutzt werden, sie zu diskreditieren, ihre Mobilität einzuschränken oder ihnen Arbeit und Bildung zu verwehren."

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Dazu kommt noch, dass solche Tests vollkommen unbrauchbar sind, fügte Girard hinzu. In der Theorie soll bei der Untersuchung die Unversehrtheit des Jungfernhäutchens festgestellt werden, allerdings gibt es Mädchen, die ohne Hymen auf die Welt kommen, und das Häutchen kann auch ohne Sex reißen. „Es ist absolut unmöglich, durch eine gynäkologische Untersuchung festzustellen, ob eine Frau schon mal Sex hatte oder nicht", so Girard.

Mit der Veröffentlichung des Berichts forderte HRW Indonesien auf, mit den Jungfräulichkeitsuntersuchungen der Polizeianwärterinnen aufzuhören.

„Die Polizeiführung in Jakarta muss diese Untersuchung sofort und unmissverständlich abschaffen. Sie muss außerdem sicherstellen, dass alle Rekrutierungsstationen der Polizei im ganzen Land aufhören, diese Untersuchung anzuordnen", sagte Nisha Varia, die für Frauenrechte zuständige stellvertretende HRW-Direktorin, in einem Statement.

Als Antwort auf den Bericht von Human Rights Watch lieferte ein Sprecher eine Teil-Verteidigung der Praxis, die einer interessanten Logik folgt.

„Es gibt einen ausgiebigen Gesundheitstest für weibliche und männliche Anwärter, der auch die Untersuchung der Sexualorgane miteinbezieht, und der Jungfräulichkeitstest ist Teil dieser Untersuchung", sagte Ronny Sombie, der Sprecher der indonesischen Polizeikräfte in einem Interview mit Reuters. „Es hat aber nie eine Regelung gegeben, die voraussetzt, dass Polizistinnen Jungfrauen sein müssen. Es liegt also keine Diskriminierung vor."

In Indonesien hält der Test Frauen allerdings nicht unbedingt davon ab, Polizistin zu werden. Human Rights Watch gestand ein, dass Kommandeure dieses Jahr schon mindestens 7.000 Frauen im Zuge einer Kampagne rekrutiert haben, die die Zahl der Polizistinnen in Indonesien bis zum Jahresende auf 21.000—bzw. fünf Prozent der Truppe—verdoppeln soll.

Girard wunderte das nicht. Derartige Untersuchungen sind in vielen Gesellschaften weitgehend akzeptiert und dementsprechend ist es auch schwer für die Frauen, sie abzulehnen.

Frauen, die mit Human Rights Watch sprachen, stimmten dem zu.

„Das Auswahl-Komitee sagte den Anwärterinnen direkt vor der ‚inneren Untersuchung', dass sie den Auswahlprozess an dieser Stelle auch abbrechen können", gab eine 18-Jährige in dem Bericht an. „Ich fühlte mich machtlos, etwas einzuwenden. Wenn ich mich dem Jungfräulichkeitstest verweigert hätte, hätte ich nicht Polizistin werden können."