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Barbara Bowman: Das war alles sehr frustrierend, weil das einfach diese typische Hürde ist, die man als Opfer überwinden muss—vor allem, wenn man es mit einem Menschen wie Bill Cosby zu tun hat, der mächtig, reich und berühmt ist. Das ist einfach unfassbar. Damals war es sogar noch unfassbarer als heute.Was ist passiert, als du zum ersten Mal offen darüber gesprochen hast?
Damals war ich noch sehr jung—18 Jahre alt, um genau zu sein. Ich kam aus Denver, Colorado, und hatte eine Agentin, die in mir ein gewisses Potenzial sah. Sie war mit Bill Cosby befreundet, der dann vorbeischaute und mir vorgestellt wurde. Er sollte mir eigentlich Tipps geben und mein Mentor sein. Sie wollten, dass ich nach New York ziehe, damit ich dort meine Schauspielkarriere beginnen kann. Cosby und meine Agentin unterstützen mich dabei. In New York lebte ich dann total einsam und hatte kaum Freiheiten. Ich durfte nur die Schauspielkurse besuchen, mich zu Hause aufhalten oder mit Cosby unterwegs sein. Ich hatte Angst vor ihm und meiner Agentin—ich fühlte mich wie eine Gefangene.
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Ja. Das ist meiner Meinung nach ganz oft ein Faktor. Bei den Medien ist das genauso der Fall und deswegen hat es auch so lange gedauert, bis sich die Mainstream-Medien mit dem Fall beschäftigten. Sie haben ebenfalls Angst. Sie stehen ja in einer gewissen Beziehung zu diesen Leuten. Eine Hand wäscht die andere—wenn sie sich einen Star zum Feind machen, dann ist diese Beziehung kaputt. Sie brechen dann eine Brücke hinter sich ab.Es ist bestimmt nicht leicht, sich gegen einen der mächtigsten Männer Hollywoods zur Wehr zu setzen.
Er braucht schwache, machtlose und kontrollierbare Frauen, die sich nicht wehren oder sich gar nicht erst wehren können. Durch die Drogen, die er dir untermischt, nimmt er dir jegliche Möglichkeit dazu. Du hast keine Kontrolle mehr. Seit dem Artikel in der Daily Mail haben sich einige Frauen bei mir gemeldet, die ebenfalls zum Opfer von Bill Cosby wurden, aber sich noch niemandem anvertraut haben. Sie fanden mich und erzählten mir ihre Geschichte. Sie wollen jedoch nicht an die Öffentlichkeit gehen. Ich versuche zwar, die Frauen davon zu überzeugen, aber schaffe es nicht wirklich. Einige von ihnen sind dem Ganzen nur entkommen, weil sie zur Tür hinaus auf die Straße gekrochen sind und es geschafft haben, halb bewusstlos irgendwie nach Hause zu kommen.
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2004 oder 2005 meldete sich ein anderes Opfer zu Wort und reichte Klage ein. Da habe ich zu mir gesagt: „Ich breche jetzt mein Schweigen. Ich werde diese Frau unterstützen." Sie wurde nämlich ganz schön durch den Dreck gezogen. Niemand wollte ihr glauben. Ich meinte: „Nun, ich glaube ihr. Mir ist ja schließlich fast haargenau das Gleiche zugestoßen."Interesse kommt und geht, kommt und geht und so weiter. Das ist sehr frustrierend. Jetzt hat das Ganze an Fahrt gewonnen und die Leute hören endlich zu.Aber weil unsere Gesellschaft so gestrickt ist, dass sie Frauen die Schuld zuschiebt, gibt es immer noch Menschen, die fragen: „Na ja, was hat sie denn erwartet? Sie hat seine Hilfe angenommen und ist dann allein in seine Wohnung gegangen."
Die Opfer werden beschuldigt. Es ist ein Kräftespiel, wenn man ein Opfer ist. Es ist beängstigend und auch sehr schwer für eine Frau, es zuzugeben. Oft sind diejenigen, die uns missbrauchen, Menschen, denen wir vertrauen. Menschen, die sich unser Vertrauen verdient haben. Wie lassen sie in unser Privatleben hinein, weil sie uns versichern, dass wir ihnen vertrauen können. Es handelt sich um Lehrer, Familienmitglieder, Priester in unseren Kirchen. Um Bill Cosby. Er konnte sich sehr, sehr gut hinter seinem engen Kreis von Beschützern verstecken.Das Argument, das du in deiner Stellungnahme gebracht hast, dass niemand sich für deine Geschichte interessiert hat, bis sie von einem Mann aufgegriffen wurde, fand ich sehr interessant. Es gibt so viele Fälle wie diesen. Es ist ja fast bezifferbar: Wie viele Frauen im Verhältnis zu einem Mann braucht es, damit die Menschen anfangen zu glauben, dass der Missbrauch wirklich geschehen ist?
Mein Ziel und meine Motivation waren es schon immer, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Die anderen Opfer dazu zu ermutigen, in die Öffentlichkeit zu treten und auszusagen. In meinem Fall hätten 13 Frauen aussagen sollen. Ich wollte aussagen und war auch imstande dazu. Ich bin öffentlich aufgetreten. Drei von uns haben das gemacht. Zehn andere nicht. Diese unbekannten Frauen haben bis heute zu viel Angst davor, mit ihrer Geschichte in die Öffentlichkeit zu treten.
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Auf jeden Fall. Es ist fast so, als ob unsere Kultur von Frauen erwartet, so etwas zu ertragen. Wir sind Frauen, so ist es nun mal. Wir Menschen glauben, dass Männern so etwas nicht passieren kann: Männer tun es Frauen an, Männern tun es Männern nicht an und Frauen tun es Männern nicht an. Das stimmt nicht. Ich möchte mich zukünftig stärker darauf konzentrieren.Ich bin kein Opfer mehr. Ich bin jetzt Anwältin der Opfer. Das ist eine der wichtigsten Lektion, die ich meiner 12-jährigen Tochter erteilen werde. Sie ist die beeindruckendste, vernünftigste junge Dame, die ich kenne. Sie sieht, wie sich ihre Mutter engagiert. Sie sieht, wie ihre Mutter anderen eine helfende Hand reicht und es ablehnt, weiterhin ein Opfer zu sein.
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Ich bin wirklich enttäuscht, dass NBC einfach ignoriert, was gerade passiert, seine dunkle Vergangenheit, und dass sie bereit sind, ihn als Vaterfigur zurück ins Fernsehen zu bringen. Er wird Botschaften vermitteln, denen er durch seine Taten die Bedeutung nimmt. Er wird seinen Töchtern und Enkeltöchtern vernünftige, wundervolle, ehrliche, liebevolle und weise väterliche Ratschläge geben. Solche Ratschläge will ich einfach nicht aus seinem Mund hören.Durch Social Media ist es viel schwerer geworden, das Narrativ zu kontrollieren und die Menschen davon zu überzeugen, dass das Bild, das die Öffentlichkeit von jemandem hat, nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss. Ein weiterer Grund dafür, dass diese Geschichte so viel Aufmerksamkeit erregt hat, ist Cosbys idiotischer Aufruf, ihn mit Memes zu unterlegen.
Social Media können dein bester Freund oder dein schlimmster Feind sein. Ich bin dankbar dafür, dass es Social Media gibt. Hätte es damals Social Media gegeben, hätte sich die Sache aber nicht unbedingt so entwickelt wie heute. Weil die Leute damals nicht darüber gesprochen haben. Es war eine andere Zeit.Die Verjährungsfristen sollten meiner Meinung nach abgeschafft werden. Das ist eine der legislativen Ebenen, die ich durch die Arbeit bei PAVE angehen werde. Wir wollen die Verjährungsfristen für Sexualverbrechen abschaffen. Sie sind nicht in Stein gemeißelt. Es ist sehr schwer für eine Frau, sich damit auseinander zu setzen, dass sie Opfer sexueller Gewalt geworden sind, besonders wenn man sich mit den Umständen auseinandersetzen muss, mit denen ich mich auseinander setzen musste. Besonders, wenn der Täter kein Fremder war.Es dauert so lang, die eigene Stimme wiederzufinden. Ich hatte 17 Jahre lang keine Stimme. Als ich 2004 und 2005 angefangen habe, mich in der Öffentlichkeit zu äußern, und beschlossen hatte, dass ich kein unbekanntes Opfer mehr sein wollte, war ich trotzdem völlig verängstigt. Ich lugte immer mal wieder aus meinem dunklen Loch heraus, erzählte ein bisschen und kroch dann wieder zurück. Dann erzählte ich etwas mehr und sondierte das Terrain. Jedes mal ein bisschen mehr. Schritt für Schritt fühlte ich mich sicherer. Manche Frauen finden ihre Stimme nicht wieder.Ich hoffe, dass ich Opfer erreichen kann, Überlebende, Menschen. Ich hoffe, dass die Menschen zuhören und aufmerksam sein werden und dass das irgendwann vielleicht jemandes Leben retten kann.Das hört sich so an, als ob du schon viele Menschen erreichen konntest.
Das konnte ich und ich bin dankbar dafür. Es tut mir nur Leid, dass das so lang gedauert hat. Ich weiß nicht warum. Ich denke, es hat sich in einem bestimmten Moment einfach ergeben. Ich denke, Social Media hilft dabei, diese Zeit der Dunkelheit hinter sich zu lassen. Es öffnet einfach so viele Türen für Kommunikation. Auf dem Weg zu diesem Punkt gab es viele verschiedene Meilensteine. Ich bin froh, dass ich an diesem Punkt angekommen bin. Ich bin froh, dass die Menschen zuhören. Ich bin froh, im Radio sprechen zu können. Jedes Mal, wenn jemand mit mir sprechen möchte, bin ich dafür offen, weil ich möchte, dass unsere Botschaft die Menschen erreicht.Welche Pläne hast du sonst noch mit PAVE?
Ich werde Vorträge halten und herumreisen, um vor Studierenden und anderen interessierten Gruppen zu sprechen. Hauptsächlich würde ich mich aber gern auf aufstrebende Models und Schauspielerinnen konzentrieren und auch die Castingchefs ansprechen und Seminare anbieten. Wir werden auch Literatur zu dem Thema veröffentlichen.Wie geht es dir, jetzt wo du dich öffentlich äußerst und dank deiner Erfahrung anderen helfen kannst?
Als die Anschuldigungen aus mir heraussprudelten, habe ich Dinge ausgesprochen, die ich zuvor nie ausgesprochen hatte. Es war so peinlich. Ich fühlte mich so schmutzig. Ich habe mit dieser Schande gelebt, mit der niemand leben sollte. Ich hoffe, wir können das Schweigen durchbrechen, indem wir offen sind und einen offenen Dialog führen.